Ein Butterfass mit Bedeutung
Reinhard Flößer und sein Lieblingsstück: Die Vorfahren hatten einst einen Bauernhof.

Von Marco Partner
Hirschberg-Großsachsen. Im ehemaligen Bauernhof finden sich viele Erbschätze: eine Traubenmühle samt Bottich und Presse, alte Wagenräder, Leitern oder Weidenkörbe. Für Reinhard Flößer aber ist es ein Leichtes, sein Lieblingsstück aus all den ehrwürdigen Objekten herauszuwählen: Ein Butterfass ist für ihn nicht nur mit Familiengeschichte, sondern auch mit historischen Zusammenhängen verbunden. "Von der Vergangenheit bis zur Gegenwart, für mich manifestiert sich ganz vieles darin", erklärt er. Dabei hatte der ehemalige Leiter des Pfalzmuseums zunächst eine ganz andere Verwendung für das frühere Butter-Herstellungsgerät.
"Ich war schon als Jugendlicher davon fasziniert. Damals hatte es allerdings nur zur Dekoration in meinem Disco-Keller herumgestanden", gesteht der 70-Jährige lachend. Mit den Jahren aber wuchs das Interesse, Sinn und Zweck des ein wenig einem Weinfass ähnelnden Objekts zu hinterfragen. "Es ist ziemlich antik, stammt wohl aus dem Ende des 18. Jahrhunderts und wurde von Küfern gefertigt", vermutet der promovierte Diplom-Biologe. Butter stellt er mit dem alten Gerät jedoch nicht her, aber seine Vorfahren. "Es lässt sich damit ein sehr guter Bezug herstellen, man erhält eine Vorstellung, wie es früher war", betont er.

Denn die Urgroßeltern und auch seine Großeltern lebten als Selbstversorger in Großsachsen. Zum Bauernhof zählten auch Milchkühe, allerdings nicht viele. Daher ist das rund 40 Zentimeter hohe Fass auch recht klein. Und doch wächst es in seiner Bedeutung rasant an, wenn man sich vorstellt, was zum Butterherstellen alles dazugehört. Demonstrativ hält Flößer eine kleine Butterdose neben das Fass. So, wie man heutzutage eben häufig das rechteckige Butterstück im Kühlschrank lagert. Nur, Kühlschränke gab es zum Ausklang des 18. Jahrhunderts noch nicht. "Und die Butter kam auch nicht aus dem Supermarktregal", sagt Flößer – geschweige denn aus Irland.
"Was braucht es alles, um Butter herzustellen?", fragt der Hirschberger Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz – und liefert die möglichen Antworten gleich dazu: "Es braucht zunächst mal Kühe und somit einen Stall, eine Weide, einen Heuboden, eine Scheune für das Heulager im Winter und so weiter." Seine Ahnen hatten auf Äckern auch Klee für die Milchkühe angebaut. Es braucht also auch Menschen, welche die Kühe versorgen, die sie melken und die täglich den Stall ausmisten. "Es war eine riesige Infrastruktur notwendig, nur um einen Teil der Landwirtschaft abzudecken. Das alles manifestiert sich für mich in dem Fass", erläutert Flößer.
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Dabei war die Milchwirtschaft in Großsachsen zur Jahrhundertwende alles andere als groß angelegt. "Meine Urgroßeltern besaßen nur zwei oder drei Kühe, andere Bauern vielleicht vier bis fünf. Die Milch wurde im Milchladen bei der früheren Tabakfabrik verkauft", verrät er. Der abgeschöpfte Rahm – gewonnen aus der Sahne, die im rund zwei Liter fassenden Butterfass per Hand gedreht und geschlagen wurde – diente wohl nur zum Eigenbedarf und wurde nicht verkauft.
Reinhard Flößer aber kann an seinem Lieblingsobjekt noch etwas anders ablesen: die Veränderungen von Alltags- und Arbeitsgewohnheiten, der Einzug der Technik in Hirschberg. In den 1920er-Jahren kam die Elektrifizierung an die Bergstraße – und die neue Stromversorgung machte sich auch am Butterfass bemerkbar. "Es wurde umgebaut", sagt Flößer und zeigt auf zwei Haken an der Bodenseite. "Mit den Haken wurde das Butterfass an einem Brett befestigt, zusammen mit einem Motor. Die ehemalige Handkurbel wurde durch ein kleines Transmissionsrad ersetzt und über einen Transmissionsriemen mit dem kleinen Elektromotor verbunden. "So musste man nicht mehr selbst an einer Kurbel drehen", erklärt er.
Das alles lag weit vor der Zeit des 1952 geborenen Nachfahren. In der Kindheit und Jugend verbrachte Flößer viel Zeit bei seiner Großmutter, die den Bauernhof nach dem Tod ihres Mannes nach und nach aufgeben musste. An ein Leben mit Hühnern und Ziegen aber kann er sich noch gut erinnern. "Es war ein einfaches Leben mit vielen Entbehrungen, der Alltag war die Arbeit", sagt er.
In manchen Momenten wirkt die Bedeutung des Butterfasses für ihn bis in die Gegenwart hinein. Wenn vom Ukraine-Krieg oder von Engpässen die Rede ist, denkt Flößer an das Fass. "Es lassen sich globale Zusammenhänge an diesem Fass festmachen. Wenn es damals keine Milch mehr gegeben hätte, wäre auch das Fass unbrauchbar geworden", zeigt er auf. Und wenn es heute plötzlich keine Butter mehr im Supermarktregal gebe? Dann wüsste Flößer zumindest in der Theorie, was für ein kleines Stückchen Butter alles benötigt wird.