Edingen-Neckarhausen

Experte rät zu baulandpolitischem Konzept

Professor Reinhard Sparwasser hielt  einen Vortrag zum Thema Schaffung von günstigem Wohnraum

18.07.2018 UPDATE: 19.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Auch in Edingen-Neckarhausen treibt die Suche nach günstigem Wohnraum vor allem junge Familien um. Experte Sparwasser rät zu Vorkaufsrechten bei der Grundstücksvergabe. Foto: nip

Von Nicoline Pilz

Edingen-Neckarhausen. Einen ganzen Blumenstrauß an Maßnahmen empfahl Professor Reinhard Sparwasser der Gemeinde Edingen-Neckarhausen zur "Schaffung und Sicherung preisgünstigen Wohnraums". Sparwassers gleichnamiger Vortrag zeigte, dass das Thema nach den Großstädten nun auch die kleineren Kommunen erreicht hat.

"Gemeinden sind gut beraten, sich damit zu befassen, sonst wird die Politik das bestrafen", sagte Sparwasser im Rathaus Edingen, wo sich Bürgermeister Simon Michler etwas mehr als die rund 30 Zuhörer gewünscht hätte. Sparwasser, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Honorarprofessor an der Uni Freiburg, sprach zwar locker, inhaltlich aber auf einem hohen Niveau. Dabei gaben sich Paragrafen vom Baugesetzbuch und Fachbegriffe die Hand. "Ich fand es sehr interessant", befand eine Zuhörerin später.

Das Thema bewegt die Gemeinde, weil in Edingen-Neckarhausen bei jungen Familien, die nach einer größeren Wohnung oder einem Häuschen suchen, zum Teil Verzweiflung herrscht. Wer es sich leisten kann, zahlt inzwischen fünfstellige Vermittlungsprovisionen. Sparwasser empfahl Michler und dem Gemeinderat ein "baulandpolitisches Konzept" als Handlungsgrundlage für die Verwaltung, als Selbstkontrolle für den Gemeinderat, aber auch zur politischen Selbstdarstellung. "Dass das Problem von alleine verschwindet, ist kaum realistisch", sagte er.

Reinhard Sparwasser

Er beleuchtete später auch kurz den Antrag der Unabhängigen Bürgerliste (UBL-FDP/FWV) "Jung kauft Alt". Sparwasser riet davon ab, das Programm in der Kommune zu installieren. Hier sei zu befürchten, dass ein gefördertes Altbaugutachten Hausbesitzern zugute kommt, die eigentlich Geld gespart haben und dann vielleicht gar nicht mehr ihre alten Häuser abgeben wollen.

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Anders als beim Beispiel Hiddenhausen, auf das sich die UBL unter anderem bezogen hatte, überwiegt in Edingen-Neckarhausen auch nicht das Angebot, sondern die Nachfrage. Sparwasser empfahl eher, Senioren eine Art Umzugsmanagement zu bieten und alternative Wohnangebote zu schaffen.

Zur Grundstücksbeschaffung selbst wären verschiedene Optionen denkbar. "Zum Beispiel ein besonderes Vorkaufsrecht durch eine Vorkaufssatzung. Das kennt kaum jemand, doch davon sollte man mehr Gebrauch machen als bisher." Grundstücksumlegungen auf freiwilliger Basis seien auch denkbar, könnten jedoch im Nachhinein beklagt werden. Weitere Instrumente seien die Auflage eines Freiflächenkatasters (eine Aufstellung von freien Grundstücken in einer Gemeinde) und Baugebote.

Immer häufiger dienten Grundstücke als Anlage- und Spekulationsprojekte. "Es ist schick, Grundstücke zu kaufen, ohne die Absicht, sie auch zu bebauen." Eine problematische Entwicklung für den Wohnungsmarkt sei auch der Trend, Zweitwohnungen nicht mehr zu vermieten, sondern sie deutlich lukrativer als Ferienwohnung zu vermarkten. Auch Büroräume seien attraktiver. "Das liegt unter anderem an den Grausamkeiten des deutschen Mietrechts."

Sparwasser empfahl eine Quote von 30 Prozent an gefördertem Wohnraum, der wiederum rund 30 Prozent unter der ortsüblichen Miete liegen müsse. Doch die Anzahl von Menschen, die an ihrem Einkommen gemessen darauf Anspruch hätten, ist größer als allgemein gedacht: "Das geht auch in den Mittelstand", sagte Sparwasser. In der lebendigen Fragestunde sorgte das Freiflächenkataster für Gesprächsstoff.

Bauamtsleiter Horst Göhrig erklärte, in der Gemeinde gebe es rund 100 freie Grundstücke, die Namen dazu blieben anonymisiert. Auf Anfrage von Silke Buschulte-Ding, welche Einkommensgrenzen denn für geförderten Wohnraum gelten (45 Quadratmeter pro Person, plus 15 Quadratmeter zusätzlich für jede weitere Person und einmalig fünf Prozent), sagte Göhrig zu, ihr diese Zahlen herauszusuchen. Sparwassers Fazit: "Ich habe hier kein fertiges Konzept für Sie, aber Sie können ihre Möglichkeiten, die sie haben, scharf stellen."

Zudem gebe es Musterkonzepte, die man anpassen könne. Habe man ein baulandpolitisches Konzept erst einmal erstellt, sei der Aufwand danach nicht mehr nennenswert. "Wir werden uns überlegen, was wir davon rausziehen können und dem Gemeinderat vorlegen", sagte Michler abschließend.

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