Die Bürgermeister-Kandidaten im RNZ-Check
Die Rhein-Neckar-Zeitung hat vor der Wahl am kommenden Sonntag die Kandidaten eingehend befragt.

J. Peter Koestner (links) tritt am Sonntag gegen den Amtsinhaber Markus Haas an. Fotos: privat/nadinepreiss.de
Von Heiko Schattauer
Waldbrunn. Wer soll die Geschicke im Hohen Odenwald in den kommenden acht Jahren lenken? Die Bürgermeisterwahl am Sonntag soll Antwort auf diese Frage geben, neben Amtsinhaber Markus Haas kandidiert J. Peter Koestner für die Stelle als Verwaltungschef in Waldbrunn. Wahlberechtigt sind 4040 Bürger. Die Rhein-Neckar-Zeitung hat vorab die Kandidaten eingehend befragt, am Sonntagabend werden wir aktuell über den Ausgang der Bürgermeisterwahl berichten.
Fangen wir gleich ganz direkt an: Für das Amt des Bürgermeisters in Waldbrunn bringen Sie die besten Voraussetzungen mit, weil ...
Markus Haas: .. ich in den vergangenen acht Jahren kompetent, bodenständig und bürgernah vieles umgesetzt habe und auch zukünftig zum Wohle der gesamten Gemeinde anpacken werde.
J. Peter Koestner: ... ich für alle da bin, ich vorausschauend, menschlich und mit Sachverstand meine zukünftigen Aufgaben bewerkstellige.
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Wir erleben eine besondere Zeit. Die auch eine Bürgermeisterwahl bzw. den Wahlkampf dafür verändert. Wie sind Sie in Coronazeiten mit den Waldbrunnern in Austausch getreten?
Haas: Zu Beginn erhielten alle Haushalte eine "Ideen"-Karte, mit der ich um Anregungen aus der Bürgerschaft warb. Das wurde richtig gut angenommen, ich erhielt zahlreiche Rückmeldungen. Die Erstwähler habe ich zu einer gut besuchten Online-Runde eingeladen, bei der wir rege diskutierten. Und sicherlich ganz modern, ein peppiges Wahlvideo. Ganz "klassisch" gibt es auch ein sehr gelungenes Prospekt von mir, welches an alle Haushalte verteilt wurde. Schließlich kam ich auch übers Telefon und facebook mit den Menschen in Kontakt.
Koestner: Ich habe versucht, über die allgemein bekannten digitalen Möglichkeiten zu kommunizieren. Social Media, Webseite, Videopräsentation. Da mich wenige kennen, bin ich direkt vor Ort auf die Menschen – natürlich mit Abstand – zugegangen, Flyer wurden ebenfalls verteilt. Die zufällig entstandenen Gespräche auf der Straße waren sehr aufschlussreich, haben meine Entscheidung, zu kandidieren bestätigt. Und die Anregungen werde ich direkt in meine Agenda #2030 aufnehmen.

Welche Anliegen, welche Fragen, welche Sorgen sind Ihnen bei diesen Gesprächen mit den Bürgern begegnet?
Haas: Ganz klar war Corona immer Thema. Die meisten Bürger kommen mit den derzeitigen Einschränkungen klar. Viele beschäftigt aber die Frage, wie es wirtschaftlich weitergeht, vor allem macht sich Arbeitsplatzangst breit. Die Gastronomiebetriebe und Dienstleister wie etwa Frisörbetriebe bangen. Auch das schleppende Impfen im Kreis bereitet Sorgen und Unmut. Eltern fragen, wie es sich mit den Kindergartengebühren verhält. Und dann natürlich die klassischen Gemeindethemen, wie Breitband, Baugebiete, die Verkehrssituation in Dielbach und vieles mehr.
Koestner: Eigentlich alltägliche Dinge, zum Beispiel zum Thema Natur und Nachhaltigkeit, aber auch die Wertigkeit einzelner Ortsteile, anstehende Bauprojekte, verbunden mit der Sorge hoher Investitionen/Überschuldung. Geplante Schließungen von Kindergärten waren Thema. Sehr oft wurden die fehlende Kommunikation und eine gewisse Rücksichtslosigkeit bestätigt, die Bürger fühlten sich nicht gehört.
Und welche Antworten und vielleicht auch konkrete Lösungsmöglichkeiten konnten Sie den Waldbrunner Bürgern anbieten?
Haas: Die Gemeinde unterstützt die Senioren beim Buchen von Impfterminen. Die Familien, die keine Notbetreuungsangebote -ob Kiga oder verlässliche Grundschule- beanspruchen, erhalten die Beiträge zurück. Fragen zur CoronaVO, ob von Bürgern, Firmen, Vereinen oder Kirchen, werden schnellstmöglich beantwortet. Auch die anderen angesprochenen Themen stehen bei uns auf der Agenda, jedoch liegen viele dieser Punkte nicht allein in der Hand der Gemeinde, da bedarf es auch Verhandlungen mit übergeordneten Behörden.
Koestner: Es gibt Möglichkeiten – sollte ich ins Bürgermeisteramt gewählt werden – das ein oder andere Projekt nochmals auf den Prüfstand zu stellen. Generell möchte ich den Druck, die Angst und Nöte im Allgemeinen den betroffenen Bürgern nehmen und setze deshalb auf gemeinsame Lösungen. Ich werde für alle ansprechbar sein und mich explizit darum kümmern, versprochen.
Mit Blick auf die Gemeinde: Wo sehen Sie Waldbrunn schon gut aufgestellt, wo muss man zeitnah die Hebel ansetzen, wo besteht vielleicht gar dringender Handlungsbedarf?
Haas: Wir haben viele kommunale Gebäude und Straßen saniert. Die heimische Infrastruktur konnten wir so in vielen Bereichen zukunftsfähig voranbringen. Bei der hausärztlichen Versorgung sind wir gut aufgestellt. Die Nachfolge in beiden Hausarztpraxen konnte gesichert werden. Und ein mobiler Pflegedienst sowie eine Psychotherapeutin wurden angesiedelt. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Ortsdurchfahrt (Ober-)Dielbach, man kann dem Verfall derzeit regelrecht zusehen. Da ist das Regierungspräsidium gefordert, Gespräche habe ich dazu schon geführt.
Koestner: Bestehende Schule, Kindergarten, Gewerbestruktur, Einkaufsmöglichkeit, ärztliche Versorgung – da ist die Gemeinde gut aufgestellt. Als nicht besonders gut empfinde ich die Nahversorgung in den Ortsteilen, die Jugend steht etwas abseits. Mir ist auffällig geworden: altersgerechtes Wohnen und aktive Lebensgestaltung von Senioren, Erhaltung Infrastruktur, die Barrierefreiheit auch an Haltestellen ist mangelhaft, Vernachlässigung Ortskern. Hauptproblem ist aber der Bereich Tourismus & Kultur, da ist dringender Nachholbedarf. Was ebenfalls in den Fokus rück, ist das digitale Ratsinformationssystem.
Tourismus ist im Hohen Odenwald schon immer ein Thema. In der Coronakrise ist der Urlaub in Deutschland wieder mehr in den Fokus gerückt. Welches Potenzial hat Waldbrunn hier? Welche Möglichkeiten sehen Sie, welche Grenzen ziehen Sie?
Haas: Waldbrunn hat großes Potenzial. Mit der zielorientierten Wanderwegmarkierung haben wir rechtzeitig gehandelt, das bestätigen viele positive Rückmeldungen. Wir haben ein gutes gastronomisches Angebot und engagierte Familienbetriebe, die wir auch weiterhin unterstützen. Die Katzenbuckel-Therme gilt es attraktiv zu halten, die Neuverpachtung des Restaurants bietet dazu eine Chance. Mittelfristig kann ich mir einen Wohnmobilstellplatz im Umfeld der Therme vorstellen. Verhandlungen mit einem möglichen Investor für solch einen Stellplatz gab es schon.
Koestner: Ich schätze das Potenzial als sehr gut ein, diese Gegend im Naturpark "Neckar Odenwald" ist prädestiniert für Tourismus, ich glaube, dass immer mehr Menschen merken, wie schön eigentlich unser Land ist. Regional gesehen gehört die Therme – das ist eigentlich das Flaggschiff – unbedingt im Wellness/ Saunabereich verbessert und vergrößert. Wohnmobil-Stellplätze inklusive Versorgung fehlen ebenso. Der Ferienpark Waldkatzenbach sollte umfunktioniert werden, ähnlich wie beim Konzept Center Parks.
Bleiben wir bei der anhaltenden Coronakrise. Die wird sich auch auf die Haushaltslage im Hohen Odenwald negativ auswirken. Muss man den Bürgern nun also einen Sparkurs vermitteln?
Haas: Wir fahren seit jeher auf Sicht. Die Krise wird auch nicht spurlos an uns vorübergehen. Wir werden eben noch stärker als bisher abwägen müssen. Manches wird man vielleicht auch zeitlich schieben müssen. Und zukünftig werden wir eben noch stärker nach Zuschuss- und Fördermöglichkeiten schauen müssen. Das war bisher schon so, viele Projekte wurden nur durch eine gute Bezuschussung möglich. Waldbrunn hängt an diesem "Tropf", daher braucht man als Bürgermeister dafür einen (Weit)Blick.
Koestner: Ich glaube nicht. Dennoch müssen wir die nächste Zeit angemessenen und mit Augenmaß die aktuelle Haushaltssituation beobachten und notfalls reagieren. Waldbrunn hat, soweit ich das sehe, eine gute Mix-Struktur und es geht deshalb wieder nach vorn.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist das Thema Nachhaltigkeit in aller Munde. Wie kann die Gemeinde Waldbrunn aus Ihrer Sicht nachhaltiger werden?
Haas: Das ist ein stetiger Prozess. So haben wir in der Vergangenheit die Straßenbeleuchtung auf LED Lampen umgestellt. Therme und Schule werden durch Holzhackschnitzel beheizt. Im Rathaus wurde nun eine Wärmepumpe eingebaut. Auf vielen gemeindeeigenen Gebäuden befinden sich Photovoltaikanlagen. Der ÖPNV wurde durch verbesserte Anbindungen nach Eberbach, weiteren Ruftaxi-Linien und unseren gemeindlichen Fahrdienst "WaldbrunnExpress" ausgebaut. Zukünftig wird die E-Mobilität in den Fokus rücken, hier werden mit den Energieversorgern tragfähige Konzepte zu erarbeiten sein.
Koestner: Prinzipiell ist das ein Thema, das alle angeht. E-Mobilität steht sowieso auf meiner Agenda #2030, auch in Bezug für zukünftige kommunale Anschaffung von Fahrzeugen. Doch ist das nicht alles – diesbezüglich wäre ein gemeinsames Konzept zum Vorteil, ob so eines bereits besteht, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch das Thema Ausbau öffentlicher Nahverkehr/Bürgerbus ist für mich eine Maßnahme. Einige Projekte wurden bereits umgesetzt wie LED-Straßenbeleuchtung und Sanierung Rathaus-Gebäude, ich denke da sollte man mit gutem Beispiel voran gehen. Ich bleibe auf jeden Fall am Ball.
Waldbrunn – das ist Mülben, Oberdielbach, Schollbrunn, Strümpfelbrunn, Waldkatzenbach und Weisbach. Wie kann man allen Ortsteilen gerecht werden, ohne das große und gemeinsame Ganze aus den Augen zu verlieren?
Haas: Die Entwicklung einer Gemeinde ist immer ein Gemeinschaftsprojekt von Bürgerschaft, Gemeinderat, Ortschaftsräten und Bürgermeister. Sicherlich gibt es in Zukunft eine ganze Reihe von Aufgaben, wie beispielsweise die gemeindliche Abwasserbeseitigung und vieles, vieles mehr, was wir sukzessive angehen müssen. Der Gemeinschaftsgeist ist in Waldbrunn vorhanden, wir sind zusammengewachsen und Waldbrunn ist mehr als die Summe seiner Ortsteile. Wir halten an einer steten Weiterentwicklung aller Ortsteile fest, das habe ich zusammen mit dem Gemeinderat immer fest im Blick.
Koestner: Ich habe tatsächlich eine Vision. Ich erwäge, in den nächsten acht Jahren immer einem Ortsteil den Ratsvorsitz für ein Jahr zu überlassen (vergleichbar wie EU), so dass in Verbindung mit mir und den Gemeinderat an sich diese Interessen im Vordergrund stehen. Könnte gut funktionieren, ich benötige dazu natürlich das Einverständnis aller Gemeinderats- Mitglieder. Unabhängig davon ist aber sehr wichtig individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Für mich sind die Ortsteile als Gesamtgemeinschaft ein Hauptbestandteil meiner Arbeit und diese haben alle einen eigenen Charme & Charakter inklusive der Vereine.
Welche Schlagzeile würden Sie am Montagmorgen nach der Wahl gerne über die Wahl in Waldbrunn lesen?
Haas: Hohe Wahlbeteiligung in Waldbrunn - Markus Haas im Amt bestätigt.
Koestner: Herausforderer J. Peter Koestner gewinnt souverän den Wahlkampf in Waldbrunn.



