Neckargeracher Drehermeister muss Taxi fahren
Immer nur Absagen: Hermann Otto findet seit Jahren keinen Job in seiner Branche. Das Wort "Fachkräftemangel" kann er nicht mehr hören.

Neckargerach. (cao) Berufserfahrung hat Hermann Otto reichlich. Auf mehr als 35 Jahre im Metallbereich blickt der gelernte Drehermeister aus Neckargerach zurück. "Aber einen Job in der Brache bekomme ich bei all meinen Bemühungen keinen", berichtet er betrübt im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung.
Hunderte Bewerbungen habe er seit 2016 geschrieben, schätzt er, "bei 300 habe ich aufgehört zu zählen". Die allermeisten davon wurden direkt abgelehnt. Es hätten sich zu viele Bewerber auf die Stelle beworben, andere seien besser geeignet oder passten besser ins Anforderungsprofil, so lautete in der Regel die Begründung.
Zum Teil seien die Absagen mit einem Jahr Verzögerung gekommen, manchmal habe es noch nicht mal eine Eingangsbestätigung gegeben. "Ich kann das Wort Fachkräftemangel einfach nicht mehr hören", klagt der 61-Jährige.
Um über die Runden zu kommen, fährt Otto Taxi und Krankentransporte in Mosbach, ist im ganzen Neckar-Odenwald-Kreis unterwegs. "Dafür gibt’s Mindestlohn mit einem Leistungszuschlag – außer natürlich, ich bin im Urlaub oder krank." Gerne würde Otto wieder in seinem eigentlichen Berufsfeld arbeiten, aber auch für eine Stelle im Qualitätsmanagement oder als Meister in der Produktion sieht er sich qualifiziert. "In den letzten Jahren habe ich viele Fortbildungen in dem Bereich gemacht", erklärt er und präsentiert einen ganzen Stapel an Zertifikaten. Beim Berufsförderungswerk Schömberg etwa machte er eine achtmonatige Weiterbildung zum kaufmännischen Sachbearbeiter Materialwirtschaft, ließ sich außerdem in verschiedenen Bereichen des SAP-Systems schulen, um nur einige Beispiele zu nennen.
"Ich weiß nicht, warum ich immer nur Absagen bekomme", sagt Hermann Otto. Begründungen fänden sich in Schreiben so gut wie nie. "Oft sind die Stellen ein paar Monate später dann wieder ausgeschrieben." In ganz Süddeutschland habe er sich beworben, außerdem in der Schweiz. "Aber dort nimmt man sowieso niemanden mehr Ü 50, da die Unternehmen ein Einjahresgehalt in die Pensionskasse zahlen müssen", erklärt er.
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Sein letztes Arbeitsverhältnis im Metallbereich endete, weil Otto nicht mehr so lange in der Werkshalle stehen konnte. "Ich hatte Probleme mit dem Sprunggelenk." Deshalb strebt er nun einen Job an, bei dem er auch Bürotätigkeiten übernehmen kann. Von den Jobcentern fühlt er sich im Stich gelassen. "Da werden mir immer nur Stellen als Produktionshelfer präsentiert, aber dafür bin ich überqualifiziert." Bei den vereinzelt zustande gekommenen Vorstellungsgesprächen haperte es am Ende meist an unterschiedlichen Vorstellungen zum Gehalt.