BI bemängelt fehlende Transparenz und Bürgerbeteiligung
Vertreter der Bürgerinitiative "Menschen helfen Menschen, Mosbach" im RNZ-Gespräch

Von Alexander Rechner
Mosbach. Quo vadis, Pfalzgrafenstift? Diese Frage stellen sich (noch immer) viele Bürger der Großen Kreisstadt. Auch die Vertreter der Bürgerinitiative (BI) "Menschen helfen Menschen, Mosbach" treibt die Thematik um. Ein Jahr nach der Ablehnung des Einwohnerantrags sowie nach dem Zusammentreffen des "Runden Tisches" sprachen wir mit Viktor Reiter, Dr. Peter Klingner und Michael Müller von der BI darüber, wie sie die Stimmung am "Runden Tisch" einschätzen, welches Ziel sie nun verfolgen und ob sie auch ein Jahr nach dem Einwohnerantrag noch den Rückhalt in der Bevölkerung spüren.
Haben Sie in der Bürgerinitiative einen Vorsatz fürs neue Jahr gefasst?
Viktor Reiter: Ja, wir halten weiter daran fest, sachlich und konstruktiv den Erhalt des Pfalzgrafenstiftes am derzeitigen Standort als Altenzentrum mit vollstationärer Pflege bis Pflegegrad fünf voran zu treiben und das bisher Erreichte abzusichern. Wir glauben, gute Argumente im Köcher zu haben. Zudem gehen wir jetzt daran, die öffentlich zugesagte Transparenz und Bürgerbeteiligung von OB Jann und der Verwaltung einzufordern.
Die Johannes-Diakonie Mosbach errichtet nun in Eigenregie ein Seniorenzentrum auf ihrem Areal. Wie beurteilen Sie die eingetretene Entwicklung?
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Peter Klingner: Ein weiteres Pflegeheim zum Pfalzgrafenstift in der Altstadt ist bei dem zusätzlichen Bedarf an Pflegebetten nur zu begrüßen. Der Seniorenbericht 2018 zeigt diese Notwendigkeit dringlich auf. Das neue Pflegeheim der Johannes-Diakonie stellt deshalb eine notwendige Ergänzung zur "Pflege im Pfalzgrafenstift" im bisherigen Umfang dar.
Was soll nun mit der Liegenschaft in der Schlossgasse geschehen?
Klingner: Hier kommt für die BI derzeit nur ein Altenzentrum mit der bereits angeführten vollstationären Pflege in Frage. Verkauf, Umbau nach den gesetzlichen Vorgaben und die Einbindung der Stiftung gilt es umzusetzen. Eine andere Nutzung würde nicht mehr dem Stiftungszweck beziehungsweise dem Stiftungsgedanken aus dem Jahre 1421 entsprechen und somit mit der Satzung nicht mehr konform gehen.
Die Genossenschaft Familienheim Mosbach entschied sich gegen eine Beteiligung am Interessenbekundungsverfahren. Denn dort hält man die seinerzeit geforderte starke Einschränkung auf betreutes Wohnen für falsch. Soll das Quartier künftig generationsübergreifend genutzt werden?
Michael Müller: Für eine weitere Ausgestaltung gibt es mehrere Möglichkeiten. Primär stehen Tages- und Kurzzeitpflege, vollstationäre Pflege, Bereiche für Demente, betreutes Wohnen, Begegnungsstätte und Café im Vordergrund. Bietet sich danach noch eine Fläche für eine anderweitige Nutzung, wäre es durchaus sinnvoll, über die Möglichkeit einer generationsübergreifenden Nutzung nachzudenken. Wie bereits erwähnt, wäre das durchaus eine sinnvolle Möglichkeit der Teilnutzung. Die von Herrn Dr. Roos (Anm. d. Red.: Geschäftsführer der Baugenossenschaft Familienheim Mosbach) befürchtete "eingleisige" Nutzung wäre mit den Interessen der Bürgerinitiative nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Setzen Sie sich denn beim "Runden Tisch Pfalzgrafenstift" dafür ein?
Klingner: Zu den unter den zuvor genannten Bedingungen ein uneingeschränktes "Ja". Die BI hat sich von Anfang an dieser Möglichkeit nicht verschlossen. Dies konnte man bei der Veranstaltung der BI am 3. Mai vergangenen Jahres in St. Cäcilia in Mosbach sehen. Damals wurde eine solche Konzeption von einem der Bewerber im Interessenbekundungsverfahren der Öffentlichkeit vorgestellt, ein generationsübergreifendes Quartier.
Wie bewerten Sie die Stimmung am "Runden Tisch Pfalzgrafenstift"?
Müller: Verwaltung und OB agieren bisher sowohl im Alleingang als auch im Verborgenen. Der "Runde Tisch Pfalzgrafenstift" bildet bisher ein Placebo für die versprochene, aber nicht vorhandene Transparenz und Bürgerbeteiligung!
Wie schätzen Sie die Zusammenstellung des "Runden Tisches" ein?
Müller: Wir empfinden es als eine "Ehre", für die Vertreter der BI Gesprächspartner einer zahlenmäßig dominanten Gesprächsrunde mit Repräsentanten der Verwaltung und der Parteien sein zu dürfen. Die Zusammensetzung, die vorgegebene Aufgabenstellung und das bisherige Vorgehen von Verwaltung und OB am ersten "Runden Tisch Pfalzgrafenstift" sind nicht wirklich dazu geeignet, ein kreatives und zielorientiertes Arbeiten auch nur im Ansatz zu ermöglichen. Die angesprochene Zusammenstellung des "Runden Tisches" ist nicht unbedingt zielführend. Die Teilnehmer kommen fast ausschließlich von Verwaltung und Gemeinderat. Wir hätten uns auch Heimleiter, Pflegekräfte, Heimbewohner, Angehörige, Heimaufsicht, Architekt oder auch einen Vertreter aus der Genossenschaft Familienheim Mosbach, welche sich ja leider nicht am Interessenbekundungsverfahren beteiligt hat, gewünscht.
Wenn der Gemeinderat als Stiftungsorgan eine andere Entscheidung treffen sollte als Sie sich wünschen - was machen Sie dann?
Reiter: Das Unverständnis wäre groß, für uns unerwartet. Eine Reaktion zum jetzigen Zeitpunkt wäre noch verfrüht, sie wäre erst in Kenntnis der entstandenen Fakten zu erwarten. Da werden wir uns momentan noch bedeckt halten und bitten dafür um Verständnis. So viel sei aber schon mal vorweg gesagt: Es wird dann die angemessene Reaktion, an das kommunale Gremium gerichtet, geben. Schließlich wurde von OB Jann der BI in die Hand versprochen, dass die vollstationäre Pflege kommen wird.
Angemessene Reaktion? Das heißt Bürgerbegehren?
Reiter: Nun, im Abschnitt III der Gemeindeordnung Baden-Württemberg sind die Instrumente aufgezeigt, denen sich der Bürger bedienen kann, um sein Bürgerrecht einzufordern. Die Aktivierung des auf Eis liegenden Bürgerbegehrens stellt eine dieser Möglichkeiten dar, auf welche die BI für den Bürger zurückgreifen kann. Welches Instrument als das angemessene anzusehen sein wird, hängt einzig und alleine von der Entscheidung des Rates ab.
Mit knapp 1500 Unterschriften hatte die BI eine starke Unterstützung in der Bürgerschaft für ihren Einwohnerantrag erfahren. Hand aufs Herz, glauben Sie, dass die Mosbacher rund ein Jahr später immer noch hinter Ihnen stehen ?
Reiter: Ja, letztlich hat sich die Ausgangssituation seit dem Januar 2018 bis heute nicht verändert. Wir stehen nach wie vor mit dem Bürger in engem Kontakt. In Gesprächen und insbesondere in den häufigen Nachfragen sehen wir nach wie vor ein lebhaftes Interesse an der geforderten Entwicklung des Altenzentrums "Pfalzgrafenstift". Und: Wenn wir die jüngsten Leserbriefe von Herrn Fronz und Herrn Senk richtig lesen, ergeben sich neue Gesichtspunkte der Argumentation der BI.



