So erlebte ein 67-Jähriger seinen schweren Corona-Krankheitsverlauf
Ex-Patient sprach mit der RNZ - Für den Weg zurück braucht es mitunter einen langen Atem

Von Noemi Girgla
Neckar-Odenwald-Kreis. Derzeit gelten fast 400 Personen im Neckar-Odenwald-Kreis als "vom Coronavirus genesen", sprich: das Virus ist bei ihnen nicht mehr nachweisbar. Während viele nur wenige bis gar keine Symptome hatten, kann die Krankheit aber ebenso einen anderen, schweren Verlauf nehmen – auch ohne vorherige Erkrankungen. Warum das so ist, konnte bislang nicht geklärt werden. Diese Menschen haben mitunter noch Wochen nach der Genesung mit den Nachwirkungen der Erkrankung zu kämpfen, hin und wieder sogar im sozialen Bereich.
Die Verunsicherung in der Bevölkerung und die Angst vor einer Ansteckung ist in Corona-Zeiten groß. Daher gehen einige lieber auch dann auf Distanz, wenn sie wissen, dass ein Mitmensch infiziert war. Selbst wenn er inzwischen mehrfach negativ getestet wurde. Das hat auch ein 67-jähriger Mann aus dem Neckar-Odenwald-Kreis erlebt, der sich Anfang März mit Covid-19 angesteckt hatte. Eine "soziale Ausgrenzung" von der beispielsweise die FDP-Politikerin Karoline Preisler aus Mecklenburg-Vorpommern kürzlich dem ZDF in einer Reportage berichtete, hat er zwar nicht erlebt, dennoch möchte er lieber anonym bleiben.
Welchen Verlauf die Krankheit bei ihm nahm, und mit welchen Folgen er derzeit noch zu kämpfen hat, berichtete er der RNZ ganz sachlich und präzise: "Die Menschen sollten Corona nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es ist nicht so einfach, wie manche denken. Auch sollten die Leute nicht auf Verschwörungstheoretiker hören, die das Ganze verharmlosen oder sogar leugnen. Wenn ich sehe, wie die Leute bei Demonstrationen nah beieinander stehen, zum Teil ohne Mundschutz, dann macht mich das traurig. Sie werden leichtsinnig. Aber das Virus ist noch da."
Bei einer Trauerfeier in Italien hatte er sich zu Beginn der Pandemie angesteckt. Wie genau, ist nicht nachvollziehbar. Wenige Tage nach seiner Rückkehr traten die ersten Symptome auf. "Ich hatte hohes Fieber, Gliederschmerzen und Durchfall, verlor Geruchs- und Geschmackssinn – ich hatte das ganze Paket." Sein Arzt ahnte schnell, womit er es zu tun hatte und überwies seinen Patienten an die Neckar-Odenwald-Kliniken nach Buchen.
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"Ich hatte einen schweren Verlauf und bekam Sauerstoff, musste aber nicht auf die Intensivstation", berichtet der Betroffene. "Ich habe es fast nicht mehr vom Bett bis ins Bad geschafft, war schwach und hatte starke Atemprobleme." Die ersten acht Tage in der Klinik habe er wie in einem Nebel erlebt. Danach verschwand das Fieber, und er fühlte sich wieder "stabiler". Was blieb, waren die Atemprobleme.
Nach 16 Tagen auf der Buchener Isolierstation wurde er nach Löwenstein in die Lungenklinik verlegt und dort erneut isoliert. Inzwischen war er zweimal negativ auf das Virus getestet worden. "Dort konnte ich mich dann erholen", berichtet der Mann im Gespräch mit der RNZ weiter: "Mir wurde weitere zehn Tage Sauerstoff zugeführt." Seine Untersuchung ergab, dass die Lunge nach wie vor entzündet war. Bereits beim Sprechen geriet er in Atemnot. "Die letzten beiden Tage in Löwenstein bekam ich keinen Sauerstoff mehr, aber die Schmerzen in der Brust blieben."
Wieder zu Hause, nahm er die Behandlung bei einen Lungenfacharzt auf und erhielt entzündungshemmende Medikamente, denn die Lungenentzündung war noch immer nicht ausgeheilt – und bis dato können eben nur die Symptome einer Covid-19-Erkrankung behandelt werden, nicht aber das Virus selbst.
Wie wichtig daher eine interdisziplinäre medizinische Betreuung von (genesenen) Corona-Patienten ist, stellt der behandelnde Physiotherapeut des Mannes, Dirk Lederer aus Mosbach, heraus: "Um die individuellen Symptome gerade bei schweren Krankheitsverläufen bestmöglich zu behandeln, sollte sich – unter der Federführung des behandelnden Arztes – jeder auf das fokussieren, was er auch wirklich kann und nicht darüber hinausgehen", sagt der Mosbacher Physiotherapeut und Osteopath.
"Für uns Physiotherapeuten bedeutet das, den Patienten körperlich wiederaufzubauen. Manche verlieren während solchen Krankheitsverläufen bis zu 20 Prozent ihres Körpergewichtes, überwiegend Muskelmasse. Kraft- und Ausdauerleistungsfähigkeiten müssen wieder verbessert werden. Aber besonders wichtig sind bei Covid-19-Patienten die Mobilisierung des Brustkorbs sowie atemtherapeutische Techniken. Da schon tiefes Einatmen bei diesen Patienten starke Schmerzen verursacht, atmen sie zu flach. Was wiederum eine erneute Lungenentzündung begünstigen kann. Unsere Aufgabe ist nun, die tiefe Atmung zu stabilisieren, damit der Betroffene einfach wieder schmerzfrei atmen kann."
Stichwort Schmerzen: Erst Mitte Mai waren die Beschwerden des 67-Jährigen tatsächlich wieder verschwunden. Sechs Wochen nachdem das Virus erstmals nicht mehr nachweisbar war. Voraussichtlich bis Juli wird der inzwischen vierfach negativ Getestete dennoch weiterhin bei seinem Lungenfacharzt in Behandlung sein. "Die Phase nach den ersten acht Tagen im Krankenhaus habe ich als fast noch schlimmer empfunden, als diese selbst", zieht er gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung Bilanz. Ohne Freunde, Familie und Nachbarn, die sich immer wieder nach ihm erkundigten, so meint er, hätte er diese Zeit der kompletten Isolierung nicht überstanden. Dafür ist er seinen Wegbegleitern dankbar. Und mittlerweile trauen die sich auch wieder näher an ihn heran ...