Ums Alte Schlachthaus gab's immer wieder Ärger (plus Fotogalerie)
Vom Schlachthof zum Musentempel: Einst als Teestube und Bauhof-Lager genutzt, ist es heute ein begehrter Kunststandort.

Von Peter Lahr
Mosbach. Es liegt heute etwas abseits im Stadtpark, doch einst war der Standort in der Nachbarschaft von Mühlen und der Bleichwiese bewusst gewählt – und ziemlich belebt. 1821 wurde das Alte Schlachthaus errichtet, wie ein Abschlussstein mit der Jahreszahl oberhalb des großen Eingangstores verrät. Die Spurensuche nach der wechselvollen Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes gestaltete sich zeitaufwendiger als zunächst erwartet.
Nach Errichtung eines neuen Schlachthofs stand das Gebäude in den 1970er-Jahren zunächst leer. Es wurde übergangsweise als Jugendtreff, Teestube und Bauhof-Lager genutzt. Als Abrisspläne am Widerspruch des Denkmalschutzes scheiterten, vollzog sich die Wiedergeburt im Umfeld der Landesgartenschau. Damals gestaltete man das Haus zum Info-Pavillon mit kleiner Gastronomie um. Im Anschluss übernahm der Kunstverein Neckar-Odenwald das Alte Schlachthaus, nutzt es seitdem über das Sommerhalbjahr als Galerie auf Zeit. Doch auch zu Workshops und Vorträgen, Theaterstücken und Filmvorführungen, ja sogar zu einer kleinen Kunstmesse trafen sich hier bereits Kulturschaffende und interessierte Bürger.
"Die Mosbacher machten einen großen Bogen um das Gebäude", heißt es in einem anderthalb Seiten langen historischen Abriss des Alten Schlachthauses, der wohl Anfang der 1970er-Jahre in kommunalem Kontext erstellt wurde. Das nicht namentlich gezeichnete Dokument befindet sich im Archiv des Kunstvereins. Tatsächlich ist die Geschichte des Alten Schlachthofs überraschend schlecht dokumentiert. Weder im Stadtmuseum noch im Landratsamt findet sich hierzu etwas. Im Stadtarchiv gibt es immerhin einige Fotos sowie eine Hausordnung von 1903 und ein Einschätzungsverzeichnis von 1938, das als Versicherungssumme 16.500 Goldmark nennt. Auch im Technischen Rathaus wird man fündig: Zwei historische Stadtpläne sowie einige Aktennotizen vervollkommnen das Puzzle.
Das Schlachthausareal, das heute etwas abseits im Park liegt, entstand 1821 neben der damaligen Bleichwiese. Wie alte Fotografien des Quartiers zeigen, war es gut an die Innenstadt angeschlossen und verfügte vor der neuen Trassierung der Bundesstraße 27 über eine gute Zufahrt. In der direkten Nachbarschaft standen weitere Gebäude, das alte Schießhaus der Mosbacher Schützengilde – später als Küferei und Mühle genutzt – sowie eine weitere Mühle. Um eine Wasserzufuhr zu ermöglichen, wurde das Alte Schlachthaus an einen Gewerbekanal gebaut.
Die Wiese hinter dem Gebäude nutzten die Mosbacher Frauen der Vor-Waschmaschinen-Ära zum Bleichen der Wäsche. Wohl schon vor der Errichtung des Schlachthauses diente ein Sandsteinsteg zum Wäschewaschen. Später siedelten sich in der Nachbarschaft eine Diamantschleiferei und ein Sägewerk an; ein benachbartes Gebäude soll als Pension und später als Jugendherberge genutzt worden sein.
Außer dem Schlussstein mit der Jahreszahl 1821 weiß man wenig zum Ursprungsbau; nicht einmal der Name eines Architekten ist überliefert. Zunächst errichtete man wohl ein einfaches, einstöckiges Gebäude, erstmals zu erkennen auf einem Stadtplan von 1840. Ein erster Anbau erfolgte 1855. Darin wurde ein Büro untergebracht. Über dem Anbau und dem ersten Gebäudeteil setzte man ein weiteres Stockwerk, in dem die Wohnung des Schlachthofaufsehers lag; es wurde bis in die 1960er-Jahre bewohnt und verfügte, wie historische Aufnahmen zeigen, über eine hölzerne Außentreppe.
Um die Jahrhundertwende entstanden weitere Holzschuppen und Baracken. Zudem vermerken Akten für das Jahr 1922 den Bau eines Schweinestalls, dem weitere "kleinere Nutzgebäude" folgten. Alle Nebengebäude wurden von der Stadt im Jahr 1966 abgerissen. Ende der 1980er-Jahre verhinderte dann das Veto des Denkmalschutzamtes den Abriss des Hauptgebäudes – somit verschwanden nur die Anbauten.
Ärger um den Schlachthof soll es immer wieder gegeben haben, wie Gemeinderatsprotokolle nahelegen. So befand sich das Gebäude nach der Jahrhundertwende in derart schlechtem Zustand, dass der Gemeinderat sich am 13. Juli 1913 zu einem Ortstermin versammelte, um den neuen Außenputz zu besichtigen. Ende der 1920er-Jahre beschloss man weitere Renovierungsmaßnahmen: Für Gerüst, einen neuen Außenputz, Streichen, neue Türen und Tore wurden 2400 Reichsmark bewilligt.
Nachdem der badische Bezirksarzt die Hygiene bemängelte, sanierte man auch bald die Innenräume. 1939 plante die Stadt eine "Vergrößerung und Verbesserung", so sollten ein Raum für die Darmreinigung, ein Raum für den Tierarzt, ein Freibankraum, ein Waschraum, zwei Aborte und ein Stall entstehen. Doch 1940 stellte der Landrat das Bauvorhaben zurück: "Nach Erlass des Reichsarbeitsministers dürfen nur noch kriegswichtige oder lebensnotwendige Bauten genehmigt werden." Erst Ende der 1940er-Jahre wurde die Baumaßnahme dann umgesetzt.
Rückschlüsse über den Alltag erlaubt ein Blick in die Hausordnung von 1903. Darin wird der "Schlachthauszwang" für gewerbliche Kunden beschrieben – Ausnahmen bilden Not- und Hausschlachtungen für den Eigenbedarf. Ausdrücklich wurde zudem die "Vermeidung jeglicher Quälerei" gefordert. "Schlachtvieh, das erhitzt oder ermüdet beigeführt wird, ist so lange im Stall zu lassen, bis es gehörig ausgeruht hat." So weit zumindest die Theorie. Verboten war damals zudem das Rauchen sowie "das Mitbringen von Hunden und geistigen Getränken".
Immerhin über eine Personalie berichten die Dokumente. "Ab Februar 1930 wird Georg Nelius als Aufseher beschäftigt. Er erhält 150 RM im Monat." Auf Nachfrage der RNZ erläutert der aktuelle Namensvetter die Identität des Vorfahren: "Der Schlachtaufseher Georg Nelius ist 1971 verstorben. Dessen einziger Sohn Emil Nelius ist im Zweiten Weltkrieg gestorben. Allerdings ist der oben Genannte nicht mein Vater, der ebenfalls Georg Nelius hieß, geb. 1914, gestorben 1969. Der Vater des Schlachthaus-Schorsch hieß Johann Nelius und war ein Cousin zu meinem Großvater Fritz Nelius."
Bis in die späten 1960er-Jahre wurde der Schlachthausbetrieb fortgeführt, dann übernahm der neue Schlachthof. In den 1970er-Jahren nutzte man das Gebäude vorübergehend als Teestube und Jugendtreff, danach diente es als Lager für den städtischen Bauhof. Mehrere Anbauten, Nebengebäude und Ställe wurden abgerissen, die neue Bundesstraße und die Fußgängerbrücke im Kontext der Landesgartenschau 1996 veränderten die Topografie des Quartiers nachhaltig. Für das Schlachthaus begann ein zweites Leben – über das in einem zweiten Artikelteil berichtet wird.