Unglücke sind hier an der Tagesordnung
Das Trainingscenter Retten und Helfen in der ehemaligen Neckartal-Kaserne bietet spektakuläre Übungsszenarien

Es sieht wüst aus in der ehemaligen Neckartalkaserne: Auf dem 10 000 Quadratmeter großen Trümmerfeld des Trainingscenters Retten und Helfen (TCRH) üben regelmäßig Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Polizei und Rettungshundestaffeln das Vorgehen für den Ernstfall. Fotos: Heiko Schattauer
Von Heiko Schattauer
Mosbach-Neckarelz. Ein verbeulter Linienbus liegt quer über einem ganzen Berg aus Betontrümmern, ein paar Meter weiter findet sich ein ausgebrannter Kompaktwagen im von Armierungen durchzogenen Schutthaufen. Noch ein Stückchen weiter hat ein weiterer Bus seine letzte Fahrt an der Hauswand einer ehemaligen Soldatenunterkunft beendet, die Scheiben sind geborsten, drumherum versperren Betonttrümmerteile den Weg zum havarierten Gefährt. Es sieht wüst aus in der ehemaligen Neckartalkaserne auf dem Hardberg hoch über Neckarelz. Und das ist genau so gewollt: Im Trainingscenter Retten und Helfen (TCRH) hat man inzwischen unzählige Unglücksszenarien "angerichtet", an und in denen der Einsatz im Ernstfall realitätsnah geprobt werden kann. Immer und immer wieder, wenn es sein muss.
In den USA schmückt man derlei Einrichtungen mit Bezeichnungen wie "Desaster Center", hierzulande geht man die Sache ein wenig nüchterner an, verzichtet auf Effektgeheische. Dabei ist das Trainingscenter am Hardberg schon außergewöhnlich. Rund 10.000 Quadratmeter groß ist allein das eingangs beschrieben Trümmerfeld, in dem die allermeisten Szenarien - also angenommene Unglück- und Katastrophenfälle - eingerichtet oder auch versteckt sind. Dafür hat man Teile der zu Kasernenzeiten als Gruppenunterkünfte genutzten Gebäude abgebrochen, darin und dazwischen Gänge und Hohlräume angelegt, weitere Hinder- und Erschwernisse eingebaut. Die potenziellen Retter, die dann etwa verschüttete Personen aus einem nach einer Gasexplosion eingestürzten Haus holen sollen, kann man so immer wieder vor neue Herausforderungen stellen.
So wie die angehenden Feuerwehrmänner der Berufsfeuerwehr Heilbronn zum Beispiel: Für die stehen bei unserem Vor-Ort-Besuch auf dem durchaus beeindruckenden Trainingsgelände "Gebäudesicherungsmaßnahmen" auf dem Ausbildungsplan. Was eher harmlos klingt, ist mit viel Arbeit und Verantwortung verbunden, im Ernstfall gilt jede Sekunde. Und um für den möglichst gut gerüstet zu sein, probt die Feuerwehr (nicht nur mit Abteilungen aus Heilbronn) regelmäßig im TCRH. Ebenso wie das Technische Hilfswerk, das bei der Gebäudesicherung den jungen Feuerwehrkräften in Form des Ortsverbandes Heilbronn mit Rat zur Seite steht. Die Tat überlässt man diesmal tatsächlich den Auszubildenden, die sollen schließlich möglichst viel lernen und mitnehmen beim bzw. vom Training unter realitätsnahen Bedingungen.
"Da lässt sich natürlich nicht bei uns auf dem Feuerwehrhof machen", skizziert Ausbildungsleiter Jürgen Vogt, warum man (immer wieder) mit dem eigenen Nachwuchs auf dem ehemaligen Kasernengelände aktiv ist. "Das ist hier ein ideales Trainingsgelände", bestätigt Ausbilder Matthias Raum, ehe er "seine" Feuerwehr-Azubis beim Bau der hölzernen Sicherungskonstruktion für die einsturzgefährdete Außenwand der Truppenunterkunft zu ein bisschen mehr Sorgfalt anmahnt.
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Dank (informeller) Unterstützung von THW-Baufachberater Andreas Haberer und dessen Team steht die Holzbalkenstütze in kurzer Zeit da, wo sie hin soll. Auf der Rückseite des Gebäudes ist die zweite Azubigruppe der Feuerwehr bereits beim Abbau des Einsatzgerüstsystems, das in diesem Fall aus Stahlelementen und Verbindungsteilen besteht und sich entsprechend schneller verarbeiten lässt als die Holzbalken auf der anderen "Rettungsbaustelle". Ob Holz oder Stahl, den jungen Rettungskräften der Feuerwehr scheint der realitätsnahe Einsatz Freude zu bereiten, mit Feuereifer arbeiten sie am jeweiligen Außenauftrag.
"Wir üben hier natürlich auch die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und Technischem Hilfswerk oder zwischen Feuerwehr und Rettungshundestaffel", schildert Jürgen Vogt die vielfältigen Möglichkeiten im Neckarelzer Trainingscenter. Überhaupt sind die Rettungshunde wohl am häufigsten im Trümmerfeld und anderen Übungsszenarien aktiv. Schließlich betreibt der Bundesverband Rettungshunde (BRH) das Trainingscenter Retten und Helfen. "Das Angebot wird angenommen", berichten TCRH-Geschäftsführer Jürgen Weinreuter und Prokurist Anton Niggl, neben den (meist am Wochenende laufenden) Schulungen von Rettungshundestaffeln aus ganz Deutschland, fänden sich auch Feuerwehren, THW-Gruppen oder die Polizei regelmäßig zum Üben vor Ort ein. Und die Einrichtung ist ja noch längst nicht fertig: "Es sind noch weitere Szenarien in Arbeit", schildert Weinreuter. So wolle man in Kürze auch ein Unglück mit einer Straßenbahn "einrichten" - Tram und Gleise sollen demnächst angeliefert und ins Trümmerfeld eingebaut werden.
Während beim Mieter BRH mit seinem Trainingscenter der Betrieb schon seit Sommer 2016 läuft, ist der Eigentümer der ehemaligen Kaserne noch nicht ganz angekommen in seinem neuen "Zuhause". Beim Mosbacher Entsorgungsunternehmen Inast laufen nach wie vor die Vorbereitungs- und Hintergrundarbeiten für den Umzug auf den Hardberg. In Bälde will auch der eigentliche Hauptnutzer mit seinen verschiedenen Entsorgungs- und Recyclingeinrichtungen auf das rund 27 Hektar große ehemaligen Militärareal (das man 2015 erworben hat) umziehen. Und die Konversion der Neckartalkaserne, die bereits im Jahr 2011 angelaufen ist, endgültig vollziehen.