Mosbach

Die 70er verwandelten die Stadt

Vor 50 Jahren begann der prägende Umbau der Hauptstraße zur Fußgängerzone. "Ruinöse" Auswirkungen blieben aus.

27.04.2024 UPDATE: 28.04.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
So sah das damals aus: Der lange recht wasserreichen Marktplatz. Foto: Stadt Mosbach

Von Heiko Schattauer

Mosbach. Doch dann kam das Automobil. In der Sanierungsbroschüre zur Mosbacher Altstadt nimmt der Handlungsstrang zur Geschichte und Entwicklung der Hauptstraße plötzlich eine ganz neue Richtung. Über Jahrhunderte hatte sich das Leben der Mosbacher Bürgerinnen und Bürger im Bereich der heutigen Fußgängerzone abgespielt, bis der Autoverkehr sich in dieses Leben drängte.

"Durch die Hauptstraße und die angrenzenden Gassen zwängte sich die rollende Blechschlange, der Markt- wurde Parkplatz, der Brunnen umgesiedelt, die Fußgänger auf teilweise erbärmlich schmale Bürgersteige verwiesen", heißt es in der Sanierungsbroschüre weiter. Mit den Siebzigern machte Mosbach dann den "Schritt zurück nach vorn". Die Autos mussten erst probeweise und dann irgendwann doch ganz raus aus der Altstadt – seit 1976 hat die Große Kreisstadt auch eine große Fußgängerzone.

So sah das damals aus: Der Durchgangsverkehr wurde bereits Mitte der Siebzigerjahre von der Mosbacher Hauptstraße verbannt. Foto: Stadt Mosbach

Damals wie heute half ein städtebauliches Förderprogramm mit bei der Erneuerung. Mosbach sollte schöner werden, da war man sich einig. Und das hatte auch eine große Bürger-Fragebogenaktion zu Beginn der 70er-Jahre ergeben; viele sprachen sich dabei für die Einrichtung einer Fußgängerzone aus. Den Verkehr aus der Altstadt zu verbannen und beruhigte Bereiche einzurichten, der Fußgängern vorbehalten ist – darüber wurde allerdings lange und kontrovers diskutiert. Bei manchen löste die Idee einer Fußgängerzone heftige Proteste aus, einige Geschäftsleute sahen laut Broschüre "den eigenen Ruin" voraus.

Im März 1974 fasste der Gemeinderat den Beschluss, zunächst das obere Teilstück der Hauptstraße (von der Carl-Theodor-Straße bis zum Marktplatz) zu einem verkehrsberuhigten Bereich umzubauen. Die Fußgängerzone auf Probe bewährte sich, die Resonanz der Bürger war gut, und auch die Geschäfte liefen weiter. Bis zum Frühjahr 1976 folgten weitere tiefgreifende Umbaumaßnahmen vom Marktplatz aus in Richtung Unterer Graben.

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Auf einer Länge von insgesamt 440 Metern wurde aus der zuvor mit Autos und Lastern verstopften Hauptstraße eine beruhigte Flaniermeile. Schon bei der Einweihung des ersten Abschnitts "verstopften" laut RNZ-Bericht aus dem Frühjahr 1975 unzählige Besucher – zu Fuß unterwegs – die "neue" Altstadt.

"Bald schon erwies sich die Fußgängerzone als der attraktivste Bereich der Innenstadt, für die Geschäftswelt und die Besucher", hält die genannte Broschüre die Entwicklungen fest. Der Schritt zurück erwies sich – auch wenn er mit großen Kosten verbunden war – tatsächlich als einer nach vorn. "Nur durch die Aufnahme der Stadt in die Förderprogramme von Bund und Ländern zur Altstadtsanierung war es möglich, dies alles anzugehen", rekapitulierte man 1996 nach 20 Jahren Fußgängerzone.

Auf den großen Umbau folgten später noch weitere kleinere Schritte. Bemerkenswerterweise blieb der Marktplatz allerdings lange außen vor. Erst im Herbst 1981 nämlich schloss sich dann der Kreis, und auch der umgebaute Mittelpunkt konnte seiner (neuen) Bestimmung übergeben werden.

Bis Anfang der 1980er-Jahre, als sich die Fußgängerzone in Richtung Bankenviertel und Carl-Theodor-Straße längst etabliert hatte, parkten also noch "Blechkarossen an den berühmten Groschengräbern und holperten übers grobe Kopfsteinpflaster". Mit der Umgestaltung wurde der Marktplatz zu jenem öffentlichen Treff- und Austauschpunkt, der er bis heute mit und bei Märkten, Festen und anderen Veranstaltungen ist.

So sah das damals aus: Am Marktplatz parkten die Autos bis Anfang der Achtziger. Foto: Stadt Mosbach

Dass Innenstädte aber immer einem Wandel unterliegen, sich immer weiter entwickeln müssen, wird nicht nur beim Blick auf die sich stetig verändernde Geschäftswelt deutlich. Eben jener Marktplatz ist (neben anderen Bereichen) zuletzt wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Etwa durch den Austausch mit den Innenstadtberatern, die sich mit Geschäftstreibenden und Verantwortlichen der Stadt um eine Steigerung – oder zumindest den Erhalt – der Attraktivität der Altstadt mühen.

Interessant ist auch hier wieder der Blick zurück – und auf eine Aufnahme aus dem Jahr 1975. Da plätschert nämlich das Wasser, das unter anderem Mosbachs Bürgermeister Patrick Rickenbrot gerne ein wenig präsenter fließen lassen würde, munter an ganz zentraler Stelle, am Rande des Marktplatzes in einem lang gestreckten Brunnen.

Ob dessen himmelblaue Fliesen und Waschbetonelemente heute noch gern gesehen wären, darüber lässt sich sicher diskutieren. In guter Erinnerung ist der erfrischende Marktplatz manchem Kind der Siebzigerjahre, das sich im heißen Sommer dann gerne noch mit einem Eis vom "Dolomiti" abkühlte, aber durchaus.

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