Gundolf Scheuermann ist ein Wanderer zwischen Tradition und Moderne
Seit 27 Jahren führt er den Heimatverein Hettingen. Heute wird der kreative Ehrenamtliche und Postzusteller 60 Jahre alt – und denkt noch lange nicht ans Aufhören.

Hettingen. (rüb) "Die Ideen für neue Projekte werden ihm auch mit 50 nicht ausgehen – zum Glück!" So endete vor zehn Jahren der Artikel zum 50. Geburtstag von Gundolf Scheuermann. Heute, auf den Tag genau zehn Jahre später, lässt sich festhalten, dass diese Aussage sogar leicht untertrieben war: Mit unerschöpflicher Kreativität und nie endendem Elan gestaltet der Vorsitzende des Heimatvereins Hettingen sein Lebensumfeld mit, bringt Menschen zusammen und setzt Akzente, von denen letztendlich die gesamte Gesellschaft profitiert. Gundolf Scheuermann definiert sich aber nicht nur über das Ehrenamt: Auch durch seine berufliche Tätigkeit als Postzusteller ist er in der Region bestens bekannt. Am heutigen Dienstag feiert er 60. Geburtstag.
60? Kaum zu glauben! Die sechs Lebensjahrzehnte sieht man ihm ebenso wenig an, wie die Tatsache, dass er bereits seit 27 Jahren (!) an der Spitze eines Vereins steht, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Erbe unserer Vorfahren zu bewahren. Als Vorsitzender des Heimatvereins gelingt Gundolf Scheuermann die Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne vortrefflich. Bewährtes wird fortgeführt, und mit neuen Ideen und Aktivitäten hält er den Verein jung und sorgt dafür, dass immer wieder auch junge Familien von den Angeboten und Aktivitäten angesprochen werden.
Auf die Welt gekommen ist Gundolf Scheuermann am 9. September 1965 zwar in Waibstadt – doch der Sohn von Artur und Gerdi Scheuermann ist nichtsdestotrotz ein Heddemer durch und durch.
Seine berufliche Erfüllung hat er bei der Post gefunden: Nach der Ausbildung von 1981 bis 1984 in Osterburken arbeitete er unter anderem in Karlsruhe und Mannheim, ehe es den Postbeamten zurück in die Region zog, wo er 14 Jahre lang in Hardheim, Höpfingen und Walldürn Pakete auslieferte. Seit 20 Jahren ist er auch beruflich zu Hause angekommen: Er fährt in Hettingen, Rinschheim und Buchen die Post aus.
"Zusteller ist mein Traumberuf, da ich dabei viel Kontakt mit Menschen habe und Ansprechpartner für die unterschiedlichsten Anliegen bin." Auch wenn auf Grund des stetig zunehmenden Zeitdrucks immer weniger Zeit für den kurzen Plausch an der Haustüre und das nette Wort im Vorbeigehen bleibt, so ist ihm dieser persönliche, menschliche Kontakt ebenso wichtig wie den Postempfängern.
Auch abseits des Berufs ist Scheuermann rastlos. Zehn Jahre lang engagierte er sich im Hettinger Ortschaftsrat. Sein Interesse an der Vergangenheit zeigt sich an seiner Leidenschaft für alte Sportbücher und für Biografien historischer Persönlichkeiten. Einen großen Teil seiner Freizeit widmet der bekennende KSC-Fan aber dem Heimatverein. Als der damalige Vorsitzende Hans-Eberhard Müller 1998 einen Nachfolger suchte, rückte Scheuermann ins Visier. "Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt!"
Dennoch sagte er zu und trat somit in die Fußstapfen seines Onkels Karl Kirchgeßner, einst Gründungsvorsitzender des Vereins. Die bewährten Tätigkeitsbereiche des rührigen Vereins wurden um neue ergänzt, wobei Scheuermann bei Angeboten wie dem "Tod austragen" vor allem den Blick auf die Jugend legte und weiterhin legt. Mit Erfolg, denn es gelang, immer wieder junge Familien als Mitglieder zu gewinnen.
Neues wagen und Traditionen bewahren – mit diesem Erfolgsrezept haben der Vorsitzende und seine engagierten Mitstreiter beim Heimatverein für einen enormen Mitgliederzuwachs auf heute knapp 700 gesorgt. Dazu zählen auch viele auswärtige Hettinger, die Scheuermann als Schriftleiter des Heimatbriefs alljährlich über die Geschehnisse im Maurerdorf auf dem Laufenden hält.
Viele davon waren übrigens bei der 1250-Jahr-Feier Scheuermanns Einladung zum XXL-Jahrgangstreffen gefolgt, das in die Geschichtsbücher des Ortes eingehen dürfte. Und das eine Wiederholung finden soll: "Idealerweise bieten wir ein solches Treffen aller Hettinger Jahrgänge alle zehn Jahre an." Nicht nur mit dieser bemerkenswerten Aktion bereicherte der heutige Jubilar das Dorfjubiläum, sondern auch mit drei vom Heimatverein herausgegebenen Büchern. Als Herausgeber und als Autor hat Scheuermann dabei wertvolle Akzente gesetzt.
Ein völlig neues Feld für den Verein erschloss der Vorsitzende, der ein Fan elektronischer Musik ist, vor 15 Jahren mit der ersten heimatkundlichen Zwölf- Stunden-Wanderung. "Das ist mein Lieblingsprojekt", gesteht Scheuermann, "und ich bin immer auf der Suche nach neuen, interessanten Strecken, die auch links und rechts des Weges Besonderes bieten." Das Thema Wandern möchte er weiter forcieren: Seine Frau Sabine hatte die Idee für unterschiedlich lange Familienwanderungen in der Heimatregion. In Kooperation mit den Fördervereinen des Kindergartens St. Odilia und der Baulandschule sollen diese im kommenden Jahr angeboten werden. Der Arbeitstitel: "Expedition Heimat".
Dass Heimatliebe und Fernweh nicht im Widerspruch zueinander stehen müssen, dafür ist der Jubilar ein erstklassiges Beispiel. Außergewöhnliches zu erleben, war ihm bei seinen Reisen seit Jugendtagen wichtig. So fuhr er mit 20 mit der Transsibirischen Eisenbahn, er ist den Jakobsweg gelaufen und seine Hochzeitsreise führte nach Island.
Apropos Hochzeitsreise: Seit 1994 ist er mit seiner Sabine verheiratet. Die Töchter Inka und Svenja komplettieren dass Familienglück. Beide wohnen inzwischen in Hamburg. Wie es der Zufall so will, plant er für 2026 eine Wanderung von Aschaffenburg in die Hansestadt. Wie einst Abenteurer Rüdiger Nehberg möchte auch Gundolf Scheuermann einmal durch ganz Deutschland wandern. Die Leidenschaft, Neues zu entdecken, wird ihm auch mit 60 noch bleiben. Garantiert! Davon bürgt schon der Leitsatz, der sein Leben prägt: "Im Wind von gestern kann man nicht segeln – deshalb gilt es, immer wieder Neues zu erfinden ..."