Das "Strandbad" ist älter als gedacht
Am Platz der heutigen Anlage gab es bereits 1932 ein Flussbad im Neckar.

Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. So manches Detail in der Eberbacher Stadtgeschichte ist in Vergessenheit geraten oder wurde noch nicht entdeckt. Wenn man aber gezielt nachforscht, finden sich immer wieder Überraschungen. Erst vor Kurzem wurde herausgefunden, dass der erste Eberbacher Sommertagszug nicht wie bislang überliefert, 1923 stattfand, sondern bereits ein Jahr zuvor. 1922 hat es nämlich am ersten festgelegten Veranstaltungstag geregnet, was so auch in der Zeitung stand. Der angesetzte Sommertagszug war also tatsächlich abgesagt worden. Dass es danach unmittelbar aber noch zwei ausgefallene Termine gab und am vierten vorgesehenen Sonntag der Umzug dann doch durchgeführt wurde, war nicht für möglich gehalten worden.
Zufällig entdeckte Fotos mit der Notiz "Sommertagszug 1922" waren eine Spur zum richtigen Datum. Dieser Eintrag konnte nicht falsch sein. Jetzt zeigte sich, dass im Eberbacher Stadtarchiv doch noch so mancher Schatz zu finden ist. Im Protokollbuch des damals federführenden Verkehrsvereins fand Stadtarchivar Dr. Marius Golgath die treffenden Einträge. Zwar hatte man den 100. Jahrestag des ersten Sommertagszuges 2022 versäumt; wegen Corona hatte es jedoch ohnehin keine Veranstaltungen gegeben. Rechtzeitig jedoch konnte die richtige Jahreszahl ins Jubiläumsbuch "150 Jahre Bürger- und Heimatverein" aufgenommen werden.
Zu Beginn der diesjährigen Badesaison gibt es gleich zwei weitere kleine stadtgeschichtliche Überraschungen. Zum einen kommt zutage, dass es ein Schwimmbad in der Au nicht erst seit 1936 gibt, als die jetzige Anlage eingeweiht worden ist. Darüber hinaus gibt es sogar noch einen Jahrestag rund um Schwimmbad und Neckar, der sich ausgerechnet in Kürze wiederholt.
In den nächsten Tagen gibt es ein 90-jähriges Jubiläum auf dem Neckar. Mit Datum 28. Juni 1933 wurden zwei Fährverbindungen neu eingerichtet. Zwischen zwei Anlegestegen auf der Stadtseite und einer auf der anderen Neckarseite etwa bei der Stelle des Anlegers nahe der heutigen DLRG-Station. Losgefahren wurde damals am rechten Neckarufer in der Verlängerung der Friedrichstraße, die zweite Route startete etwa bei der Einmündung der Hirschhorner Landstraße. Eine Fähre wurde mit Motor betrieben, eine war ein Rudernachen. Fährmänner waren die Brüder Karl und Friedrich Kappes.
Was im Zusammenhang mit diesem Jubiläum Fragen aufwarf und die neue Erkenntnis zu einem Neckarbad in der Au brachte: Das Ziel der beiden Fähren war laut Eintrag in den Regesten ein "neues Strandbad". 1933 konnte das jedoch noch nicht das erst später gebaute Quellwasserschwimmbad sein, das bei den Eberbachern über viele Jahrzehnte "Strandbad" hieß. Das war im Sommer 1936 eingeweiht worden. Es ersetzte ein Pontonbad, das in Sommermonaten oberhalb der Brücke lag. Es hatte sich im Februar 1935 bei einem Hochwasser aus dem Winterlager im Hafen losgerissen und wurde auf der Neckarstrecke bis zur Schleuse Heidelberg-Karlstor vollständig zerstört.
Im Eberbacher Geschichtsblatt von 2007 ist zwar die Geschichte des heutigen Freibades in der Au ausführlich beschrieben. Fast beiläufig wird dabei ein "Strandbad" erwähnt, ohne dass jedoch nähere Hinweise auf seine Anlage und seinen Standort nachzulesen sind. Gab es also 1933 bereits ein "Strandbad" in der Au? Die Antwort hat Stadtarchivar Golgath in seinen Archivalien entdeckt. Zufällig wird damit auch geklärt, warum die Eberbacher früher immer vom "Strandbad" sprachen, wenn sie das heutige Freibad meinten.
Die Überraschung: Ab 1932 hatte Eberbach nicht nur ein, sondern zwei Bäder im Neckar. Neben der oft beschriebenen "Städtischen Badeanstalt" mit Pontons und Hütten oberhalb der Neckarbrücke gab es auch noch ein "Strandbad" in der Au. Dort, wo heute das Freibad gelegen ist.
Der Neckar war durch die Kanalisation inzwischen ausreichend gestaut, um auch Schwimmern Gelegenheit zum Baden zu geben. Zur Sicherheit war der Bereich im Fluss mit Holzbalken abgegrenzt. Auch Nichtschwimmer konnten sicher sein. Das Bad hatte keine festen Öffnungszeiten, der Eintritt war kostenlos.
Man sprach offiziell sogar von einem Licht-, Luft- und Sonnenbad. Denn angrenzend an das Ufer gab es bereits die heute genutzte Liegewiese. Das "Strandbad" sollte wohl auch kein Provisorium sein, sondern eine weitere Freizeit-Gelegenheit, zusätzlich zum Pontonbad. So wurde noch einiges in das "Strandbad" in der Au investiert. Die Stadt kaufte Kies vom Bau der Schleuse Guttenbach und ließ ihn in den Neckar schütten, um eine sichere Höhe für die Nichtschwimmer zu gewährleisten. 1933 wurden sogar Duschen und Umkleidekabinen aufgestellt.
Gedanken machte man sich um die Kanalisation, vornehmlich aus dem größer werdenden Stadtteil Neckarwimmersbach, die aus hygienischen Gründen unterhalb des "Strandbades" in den Neckar eingeleitet werden sollte. Das Abwasser der Stadt selbst schien am Lauer in ausreichendem Abstand zum Badeplatz in den Fluss einzufließen, meinten die Stadtverantwortlichen.
Von Anfang an hatte sich ein gewisses Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Neckarbädern ergeben. Der städtische Bäderausschuss präferierte das alte Pontonbad bei der Neckarbrücke und wollte das "Strandbad" verlegen, nach unmittelbar unterhalb der Brücke. Das wäre jedoch wegen verschiedener Untiefen zu gefährlich gewesen.
Wenngleich das "Strandbad" in den städtischen Archiven nur bei einer gezielten Nachforschung in alten Karten gefunden werden kann, legt ein Foto mit der Aufschrift "1935" eigentlich eine eindeutige Spur zum damaligen "Strandbad". Das Bild zeigt den damaligen Bademeister Franz Veith mit einigen Badegästen, und zwar in der Au, beim Ufer des Neckars, auf der großen Wiese mit Blickrichtung Stadt. Eigentlich hätte man schon früher erkennen müssen, dass die Jahreszahl auf dem Foto nichts mit dem großen neuen Freibad zu tun haben kann.
Plausibel wird die Jahreszahl also nur, wenn man weiß, dass es bereits vor dem 1936 eröffneten großen Freibad dort eine Schwimmgelegenheit gegeben hat. Veith hatte drei Jahre lang die Aufsicht sowohl in der Städtischen Badeanstalt als auch im "Strandbad". Geholfen hat ihm dabei seine Frau, die 50 Mark im Jahr dafür bekam. Veith war dann der erste Bademeister im neuen Freibad.
Nach der Zerstörung der Flussbadeanstalt im Winter 1935 wurde das Freibad mit Schwimmbecken projektiert, das 1936 eröffnet worden ist. Inzwischen war Dr. Hermann Schmeißer Bürgermeister geworden. Im Gemeinderat wurden die Standorte Bleichwiese bei den heutigen Berufsschulen und der heutige Platz in der Au diskutiert. Der Gemeinderat favorisierte die rechte Neckarseite. Die herausragende Position der Anlage in der Au und die längere Besonnung waren ausschlaggebend für die Entscheidung, die Schmeißer zu jener Zeit selbstherrlich treffen konnte.
In der Nachkriegszeit war das Freibad mit dem heute noch angelegten großen 50-Meter-Becken und den damals hölzernen Umkleidekabinen für die Eberbacher nichts anderes als "das Strandbad". Den Namen hatte man vom vorherigen Bad übernommen, sogar ganz offiziell, wie Werbung aus jener Zeit belegt. Gleichzeitig beschrieb man damit die herrliche Lage am Fluss.
Eberbachs Freibad zählt heute als das schönste im ganzen Neckartal. Anfangs hatten andere Städte noch Badegelegenheiten im Neckar. Sonderbusse von bis Mannheim rollten die Badegäste in Scharen nach Eberbach. Nach der Eröffnung 1936 kamen so viele Besucher, dass die Anlage im Folgejahr erweitert werden musste.
Info: Historisches Material: Stadtarchiv Eberbach.
