Breitbandausbau im Neckar-Odenwald-Kreis

Fünf Prozent tuckern nur über die Datenautobahn

95 Prozent der 65.000 Hausanschlüsse sind aufgerüstet – Ärger in Schwarzach

17.01.2018 UPDATE: 18.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Von Heiko Schattauer

Neckar-Odenwald-Kreis. Überlebenswichtig, Quantensprung, Alleinstellungsmerkmal - der Breitbandausbau im Neckar-Odenwald-Kreis kennt viele Beschreibungen. Die sind in aller Regel positiv besetzt und würdigen das zweifelsohne lobenswerte Vorhaben, in einer strukturschwachen Region auf eigene Faust und mit der gebotenen Geschwindigkeit möglichst flächendeckend für schnelles Internet zu sorgen.

Rund 36 Millionen Euro haben in den vergangenen zwei Jahren Kreis (mit 9,6 Mio. Euro beteiligt) und die Telekom investiert, um 95 Prozent der rund 65.000 Hausanschlüsse im Kreis so aufzurüsten, dass mindestens 30 MBit/ Sekunde im Datendownload möglich sind. Mit einer großen Sause feierte man dieser Tage in Buchen den termingerechten Abschluss (heute auch nicht mehr selbstverständlich) des Mammutprojekts, zeigte sich - durchaus zurecht - stolz auf das, was man in den vergangenen 24 Monaten gemeinsam geleistet hat.

Die angestrebte Quote von 95 Prozent hat man den Bekundungen von Telekom und Landratsamt zufolge tatsächlich geschafft. Johannes Biste, von Landrat Achim Brötel immer wieder gerne als "Mr. Breitband" des Landratsamtes bezeichnet, bekräftigt, dass man die vertraglich mit der Telekom vereinbarten 95 Prozent auch kontrolliert. Das heißt, Anschlüsse und Verbindungsgeschwindigkeiten werden - gemeinsam mit einem unabhängigen, externen Fachbüro - überprüft. Darauf, wo wie viel MBit an Datenübertragungsgeschwindigkeit anliegen. Und die vertraglich genau festgehaltenen Leistungen, vor Abschluss von einer auf Telekommunikationsrecht spezialisierten Anwaltskanzlei mit ausformuliert, habe der Partner Telekom auch erbracht, erklärt Biste auf RNZ-Nachfrage.

In Bezug auf den flächendeckenden Ausbau, die Prozentzahlen und die konkreten Aufträge und Intentionen besteht aber bei aller Freude über den selbst auf den Weg gebrachten Fortschritt Aufklärungsbedarf. Die knapp zehn Millionen Euro, mit der sich der Kreis beteiligt hat, sind nämlich dafür geflossen, dass die Telekom auch die rund 20.000 "unrentablen" Hausanschlüsse in der Region aufrüstet. Also die Anschlüsse, die ein Netzbetreiber aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nie von sich aus erschlossen hätte.

Auch interessant
Breitbandausbau Neckar-Odenwald-Kreis: Der Kreis feiert seinen "Quantensprung"
Breitbandausbau schreitet voran: Im Ausbaugebiet acht sind jetzt über 97 Prozent am schnellen Internet
Breitbandausbau im Neckar-Odenwald-Kreis: Mit Vollgas auf die Datenautobahn
Breitbandausbau im Neckar-Odenwald-Kreis: Weiterer großer Schritt in digitale Zukunft
Breitbandausbau: Walldürn, Höpfingen und Hardheim profitieren vom flächendeckenden Ausbau
: Schnelles Internet: Die Hälfte aller Kreishaushalte kann jetzt Tempo machen

"Wir sind auf dem Land, haben große Distanzen, große Kabelstrecken", schildert Biste das grundsätzliche Problem in einem Flächenlandkreis wie dem NOK. Begrifflich unterscheidet sich das Gesamtprojekt demnach in einen kooperativen (also die unrentablen) und einen Eigenausbau-Teil. Die 45.000 weiteren Haushalte hat die Telekom also praktisch in Eigenregie ausgebaut. Bis auf wenige, technisch bedingte Fälle sei im Eigenausbau die 30-MBit-Grenze zu nahezu 100 Prozent erreicht worden, so Biste.

Ausnahmefälle gibt es aber - das liegt schon in den fünf Prozent begründet - dennoch: Dieter Just aus Schwarzach ist einer davon. In dem Teil der Panoramastraße in Schwarzach, in dem der 65-Jährige zu Hause ist, lässt sich der Datentransfer nämlich nicht mit dem prophezeiten Tempo von 30 MBit/Sekunde vollziehen. Mehr als 23 MBit sind bei Just wie auch bei einigen seiner Nachbarn offenbar nicht drin. Verärgert ist er auch deshalb, weil ihm bei der Infoveranstaltung der Telekom vor dem Start des Ausbaus vermittelt worden sei, dass er in einem 50-MBit-Gebiet liege.

Um den Hausanschluss von Just auf über 30 MBit zu bringen, müsste ein weiteres Multifunktionsgehäuse in der Nähe installiert werden. Das kostet rund 35.000 Euro, für die Telekom ist das nicht wirtschaftlich. Der Schwarzacher schätzt, dass in der Panoramastraße rund 40 Häuser nach dem Infrastrukturausbau unter der magischen MBit-Grenze liegen.

Solange die Quote stimmt, sei die Telekom zu Nachbesserungen nicht verpflichtet. Die habe man in manchen Fällen dennoch hinbekommen, versichert Johannes Biste, im Fall Panoramastraße allerdings nicht. "Ich kann den Ärger im Einzelfall verstehen", sagt der Verantwortliche beim Landratsamt, der in jedem Einzelfall individuell nach Lösungen sucht. Mitunter ist die recht simpel, da etwa einfach nur ein neuer Vertrag abgeschlossen werden muss. "Die Alternative zu unserem Weg wäre gewesen, gar nichts zu machen", ruft Biste in Erinnerung, dass ein (zudem nahezu) flächendeckender Breitbandausbau keine originäre Aufgabe des Landkreises sei.

Immerhin: Für Dieter Just und die anderen "Prozentopfer" gibt es Aussicht auf Besserung. Die EU hat zwischenzeitlich das "Vectoring" genehmigt, mit dem bei bestehender Infrastruktur die Übertragungsgeschwindigkeit noch einmal deutlich gesteigert werden kann. Für Just und seine Nachbarn wären dann um die 50 Mbit/Sekunde drin. Die von der Bundesnetzagentur gesteuerte Freischaltung soll im Kreis bis Ende April 2018 erfolgen. "Das werden wir abwarten müssen", bleibt Just skeptisch, ob mit der "alten Technik" über Vectoring dann tatsächlich 50 MBit zu erreichen sind.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.