Uniklinik Mannheim spricht bei Fusion auf Augenhöhe mit
Selbstbewusst im "rechten Augenblick" - Aus der Not eine Tugend gemacht

Rote Zahlen. Die Hoffnungen vom Jahresbeginn erfüllen sich nicht. Die Mannheimer Uniklinik schreibt tief rote Zahlen. Eine Folge des Hygieneskandals. Der Gemeinderat der Quadratestadt beschließt in einer Sitzung eine zusätzliche Finanzspritze von 58 Millionen Euro bis 2019 (5. Dezember). Archivfoto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Während im Rosengarten große Worte über das große Ganze gemacht werden, zeigt sich das neue Miteinander in einer kleinen Geste. Das Mikrofon von Peter Kurz streikt, die Stimme des Mannheimer Oberbürgermeisters ist kaum zu hören. "Nehmen Sie meins", sagt der Heidelberger Unirektor Bernhard Eitel. Und schiebt lächelnd sein Mikro zum Nebensitzer rüber.
Zuvor hat Eitel skizziert, wie sich die geplante Fusion der beiden Universitätsklinika Heidelberg und Mannheim mitten im Lockdown anbahnte. In einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann beklagten sich die Unterzeichner, darunter der Rektor und OB Kurz, dass das Land nicht gedenke, den Corona-Rettungsschirm über dem ohnehin schon finanziell schwer gebeutelten Krankenhaus in der Quadratestadt aufzuspannen.
Vier Universitätsklinika in Baden-Württemberg erhielten eine millionenschwere Soforthilfe. Mannheim ging leer aus. Weil das Haus von der Stadt getragen wird, lediglich die Fakultät mit Lehre und Forschung vom Land. Eine in Deutschland einzigartige wie umstrittene Konstruktion – die Kurz, zugleich Aufsichtsratschef der Klinik, lange energisch verteidigt hat. Vor sechs Jahren geißelte er die Forderung des damaligen Mannheimer Dekans Uwe Bicker nach Strukturreformen als "einmaligen Vorgang der Selbstgefährdung der Fakultät". Das Tischtuch war zerschnitten.
Heute kann es Kurz mit der Eheschließung nicht mehr schnell genug gehen. Der belesene Oberbürgermeister erweist sich als Kenner der griechischen Mythologie und nimmt Bezug auf Kairós, den Gott des "rechten Augenblicks", des "passenden Moments". Und der sei jetzt gekommen. Seit Juli haben sich die Beteiligten mit viel Herzblut daran gemacht, den in der Antwort von Kretschmann und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer formulierten "Auftrag" abzuarbeiten und die Möglichkeiten eines Zusammenschlusses auszuloten. Und aus der Not eine vielversprechende Tugend gemacht.
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Was Kurz nicht sagt: Das Mannheimer Uniklinikum (Fehlbetrag 2019: 40 Millionen Euro) schiebt nach einer Hygieneaffäre, einem finanziellen Desaster bei der Übernahme von drei hochdefizitären Krankenhäusern in Südhessen, sinkenden Patientenzahlen und Corona einen riesigen Schuldenberg vor sich her. Der Gemeinderat musste regelmäßig einspringen und Bürgschaften bewilligen, um den Betrieb am Laufen zu halten.
Ohne die Fusionsoption hätte sich wohl irgendwann die Frage nach einer Privatisierung des Hauses gestellt. Auch deshalb freuen sich die Mannheimer Kommunalpolitiker in seltener Eintracht über den Rettungsweg. Das "Städtische", wie viele Bürger die Uniklinik nach wie vor trotzig nennen, steckt zudem in einem gewaltigen Investitionsstau, den Experten auf mehrere Hundert Millionen Euro schätzen. Das "Labyrinth" mit vielen kleinen Häusern und – in Zeiten der interdisziplinären Medizin – viel zu langen Wegen, ist aus Sicht des Ärztlichen Direktors Hans-Jürgen Hennes das größte Problem in Mannheim.
Mit dem Mega-Zukunftsprojekt "Neue Mitte" sollen die teilweise maroden Gebäude durch einige zentrale, höhere Neubauten ersetzt werden und sich Betriebs- wie Personalkosten senken lassen. Hennes will das Vorhaben "etwas losgelöst" von der Fusion weiter vorantreiben. Doch auch hier geht es um die Finanzen und muss das Land viel Geld in die Hand nehmen. Hennes bezifferte die Gesamtkosten im Februar auf mehr als die 360 Millionen Euro, die einmal im Raum standen. Bei den weiteren Verhandlungen wolle "Mannheim" selbstbewusst auftreten. Immerhin kann Hennes ein entscheidendes Wörtchen mitreden und hat damit eine viel bessere Ausgangsposition als Eckart Würzner. Der Heidelberger Oberbürgermeister sah sich vor vollendete Tatsachen gestellt, als das Land der Stadt "ihr" Polizeipräsidium wegnahm, das mit dem Präsidium in Mannheim – zudem Hauptsitz der Großbehörde – verschmolz.
Bei der Klinikfusion schlägt das Pendel eher in Richtung Heidelberg aus. Und auch wenn alle Beteiligten diesen Punkt im laufenden Prozess als nebensächlich abzutun versuchen, beginnt demnächst das Gerangel um Posten und Führungsjobs. Mannheim kann mit seiner wirtschaftlichen Stärke punkten und damit, bei Neugründungen bundesweit Platz vier zu belegen. Ein starkes Argument, sollen sich doch Start-ups im Umfeld der Klinika etablieren. "Es geht auch um Strukturpolitik", sagt Kurz beinahe kämpferisch und verweist auf digitale Gesundheitsinnovationen. Mit rund 1,5 Millionen Euro bezuschusst das Landeswirtschaftsministerium den Aufbau eines Anwendungszentrums für intelligente Maschinen in der Medizintechnik.