Mannheimer Wahrzeichen

Wo Mozart in den Himmel blickte

Kurfürst Carl Theodor ließ vor 250 Jahren die Alte Sternwarte errichten.

05.08.2022 UPDATE: 05.08.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden
Heute geht die Alte Sternwarte nahe der Jesuitenkirche (l.) vor den Schornsteinen der Industrieanlagen etwas unter, doch vor 250 Jahren war sie eines der höchsten Gebäude der Stadt.

Von Heike Warlich

Mannheim. Dass die Feier zum 250. Jubiläum der Alten Sternwarte Mannheim am 1. Oktober eine geschlossene Veranstaltung ist, ist ausschließlich dem begrenzten Raumangebot und Corona geschuldet. Denn anders als zu Zeiten von Kurfürst Carl Theodor (1724-1799) und Hofastronom Christian Mayer (1719-1783) kann heute jeder die Lesungen, Führungen und Vorträge dort besuchen. Früher jedoch handelte es sich um einen elitären Treffpunkt für Astronomen und weitere Prominenz aus Kunst, Kultur und Wissenschaft. Die Alte Sternwarte wurde 1772 errichtet und zählt zu den ältesten Gebäuden Mannheims.

Die Alte Sternwarte befindet sich im Quadrat A 4 und war zur Zeit ihrer Erbauung mit 33 Metern ein überaus imposantes Bauwerk. Foto: Alfred Gerold

Mayer selbst empfing häufig und gern noble Gäste, denen sich vom 33 Meter hohen achteckigen Turm der freie Blick über den Rhein hinüber in die Pfalz bot. "Die BASF gab es noch nicht. Man konnte daher bis nach Oggersheim schauen und auch den Speyerer Dom sehen", sagt Kai Budde vom Aktionsbündnis "Alte Sternwarte Mannheim" im Verein "Stadtbild Mannheim". Doch Mayer wollte seiner illustren Gästeschar nicht nur ein besonderes Panorama bieten. Er zeigte ihnen voller Stolz die besten damals verfügbaren Instrumente für Himmelsbeobachtungen, darunter ein neun Zentner schwerer Mauerquadrant.

Wer darauf alles einen Blick darauf geworfen hat, darüber geben zwei Gästebücher Aufschluss. Demnach empfing Mayer nachweislich im Jahr 1778 Wolfgang Amadeus Mozart und 1788 den späteren amerikanische Präsident Thomas Jefferson. Seine bekannten Astronomenkollegen Franz Xaver von Zach und Heinrich Wilhelm Matthias Olbers sind ebenfalls belegt.

Kai Budde vom Aktionsbündnis „Alte Sternwarte Mannheim“ im Verein „Stadtbild Mannheim“. Foto: Alfred Gerold

Auch Benjamin Franklin soll sich während seiner Zeit als Diplomat in Paris die Instrumente angeschaut haben. Schiller und Goethe vielleicht auch, aber das ist nur eine Mutmaßung. Denn die Gästebücher und Reiseaufzeichnungen Mayers sind nicht komplett. Als dieser am 31. Juli 1776 mit seinen Besuchern auf den 220. Todestag von Ignatius von Ivon Loyola, Mitbegründer des Jesuitenordens, dem auch Mayer angehörte, anstieß, schaute man wohl offensichtlich mit italienischem Weißwein ein wenig zu tief ins Glas. Eine Kerze löste ein Feuer aus, das neben Teilen der astronomischen Ausrüstung auch viele Dokumente zerstörte.

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Doch wäre es nicht zutreffend, die Sternwarte auf einen gesellschaftlichen Treffpunkt reduzieren zu wollen. Sie war vor allen Dingen ein Ort der Wissenschaft und Forschung. Mayer entdeckte als Erster, dass Doppelsterne nicht optisch, sondern physikalisch zusammenhängen und ein geschlossenes System bilden. Der Turm mit der Wendeltreppe, die hinauf ins Observatorium führt, diente ihm sozusagen als Homeoffice.

Carl Theodor hatte er da längst für das Himmelsgeschehen begeistert. Schließlich war es der Kurfürst gewesen, der dem Bau einer großen Sternwarte in unmittelbarer Nähe zu Schloss und Jesuitenkolleg zugestimmt hatte, wo alles nach Mayers Vorstellungen und Anweisungen ausgeführt wurde.

 In den Turm führt damals wie heute eine wunderschöne Wendeltreppe. Foto: Alfred Gerold

Am 16. April 1783 erlag der erfolgreiche Hofastronom in Heidelberg seinem Krebsleiden. Seine Nachfolger bekleckerten sich jedoch nicht mit Ruhm. "Der eine war ziemlich faul, wieder andere ‚entdeckten‘ Sternbilder, die es gar nicht gab", erzählt Budde. Ein Astronom wollte gar am Himmel CT, das Monogramm des Kurfürsten, gesehen haben, um diesem zu schmeicheln. Keiner konnte an Mayers Erfolge anknüpfen. 1880 wurde die Hofsternwarte nach Karlsruhe verlegt, bevor sie 1898 als Landessternwarte auf den Königstuhl kam.

Mannheim wollte indessen seine ehemalige Sternwarte als Wasserturm nutzen. Als sich der Plan zerschlug, durften städtische Bedienstete zwei der Geschosse bewohnen. Von 1905 bis 1906 wurde der Turm erstmals gründlich renoviert. Dann zog der Bildhauer Hermann Taglang in das zweite Obergeschoss. 1925 pachtete Franz Schwender den ganzen Turm und betrieb eine Buchhandlung im Erdgeschoss. Der Architekt und Bildhauer Carl Trummer zog 1936 als Leiter der Freien Akademie ein.

Vier Jahre später gab das Land per Pachtvertrag den Turm in die Pflege und Obhut der Stadt Mannheim. Im Dezember 1957 wurden die Wiederinstandsetzung und die Ausgestaltung des Gebäudes zu einem Atelierturm mit einem weiteren Stockwerk beschlossen. 2010 gründete sich das Aktionsbündnis Alte Sternwarte, um den drohenden Verfall des Gebäudes zu stoppen. Dem Bündnis gelang eine Finanzierung von Land, Stadt und Spendenbeiträgen, um mit 1,7 Millionen Euro die Sanierung durchzuführen.

Ort des Geschehens

Info: In der Reihe Lesezeichen findet am 26. August um 18 Uhr eine Lesung mit Torsten Schulz statt. Zum Tag des offenen Denkmals am 11. September ist die Sternwarte ebenfalls geöffnet. Vom 30. September bis 6. November findet dort eine Kunstausstellung in Kooperation mit den Künstlernachlässen Mannheim statt. Weitere Informationen gibt es online unter www.sternwarte-mannheim.de.

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