Mannheimer Stadtteile

Neckarstadt-Ost - Schmucke Klinkerhäuser und Kulturtempel

Der Bezirk bietet tolle Altbausubstanz und hat sich zum hippen Viertel à la Prenzlauer Berg gemausert.

06.01.2021 UPDATE: 07.01.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
Die Neckarpromenade. Foto: Gerold

Von Marco Partner

Mannheim. Es ist mit 33.000 Bewohnern Mannheims bevölkerungsstärkster Stadtbezirk, und gliedert sich doch in ganz unterschiedliche Bereiche. Von der Alten Feuerwache bis zur neuen Turley-Siedlung, vom Capitol bis zum Universitätsklinikum erstreckt sich die Neckarstadt-Ost. Nimmt man die inhärenten Stadtteile Wohlgelegen und Herzogenried beiseite, umfasst das circa 94 Hektar große Quartier am Neckarufer immer noch fast 16.000 Bewohner. Und kann nicht nur architektonisch auf viel Mannheimer Geschichte blicken.

Als Herzstück der Neckarstadt-Ost ist mit Sicherheit das Viertel rund um die Lange Rötterstraße zu bezeichnen. Mit einem eigenen Geschäftsleben von Boutique bis Fahrradläden, Cafés und Restaurants, einem urbanen Lebensgefühl und Bäumen als Schattenspendern. Als Vorzeigestraße gilt wohl die Max-Joseph-Straße, die aufgrund ihres Baumbestands fast schon "Allee" heißen müsste. In den letzten Jahren aber versprüht vor allem der Clignetplatz ein Flair, das an den hippen Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg erinnert. Mit Klinkergebäuden und kinderfreundlichen Cafés wie "Kaffee auf Hawaii" ist das Viertel bei jungen Familien sehr beliebt. Dementsprechend schießen auch die Mietpreise in Mannheims Hipster-Kiez nach oben.

Roswitha Henz-Best kennt die Neckarstadt-Ost wie ihre Westentasche. Foto: Gerold

Roswitha Henz-Best kennt die schönen und weniger schönen Ecken der Neckarstadt-Ost in- und auswendig. Die Rechtsanwältin ist hier geboren und aufgewachsen. Und auch, wenn es sie ab und an fortzog, kam sie doch immer wieder zurück. "Man wohnt im Grünen, wir haben den Herzogenriedpark und das Neckarufer, die Innenstadt ist nicht weit weg, aber der Stadtteil selbst hat auch viel zu bieten", sagt die Bezirksbeiratssprecherin der Christdemokraten.

Vor allem das Freizeitangebot kann sich auch abseits von Park, Fluss und Cafés sehen lassen: Der Alte Messplatz ist seit seiner großen, offenen Umgestaltung samt Wasser- und Lichtinstallationen nicht nur bei Skatern beliebt. Der mittlerweile deutlich älter wirkende Neue Messplatz ist dagegen wandelbarer Aufschlagsplatz für Zirkus, Flohmarkt oder Volksfest. Mit dem Eissportzentrum und dem Freibad werden im benachbarten Herzogenried freizeittechnisch alle Jahreszeiten abgedeckt. Kulturell punktet die Neckarstadt-Ost gleich mit zwei Veranstaltungshochburgen: dem Capitol und der Alten Feuerwache.

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Fast wäre die einstige Hütte der Brandschützer aber einem anderen Neckarstädter Wahrzeichen zum Opfer gefallen: Die drei Hochhäuser am Neckarufer, die von der Kurpfalzbrücke kommenden das Entree markieren, sollten in den ursprünglichen Plänen eigentlich um einen vierten Betonturm anstelle der Feuerwache ergänzt werden. "Das konnte zum Glück verhindert werden. Es gibt hier gewachsene Strukturen, aber auch typische Reißbrett-Entwürfe", sagt Henz-Best mit Blick auf den Bauhaus-Brutalismus der 1970er-Jahren.

Die Max-Josef-Straße gilt als schönste Straße der Stadt. Foto: Gerold

Am Neckarufer erstreckt sich neben den braunen Klotzriesen ein labyrinthartiges Berufsschulzentrum, wo auch das Jugendkulturzentrum "Forum" angesiedelt ist. Architektonisch reizvoll, aber auch nach fast einem halben Jahrhundert immer noch gewöhnungsbedürftig. "Schön sind die Gebäude nicht", sagt die CDU-Sprecherin über die sich stetig wiederholende Modulbauweise, die sich auf der anderen Neckarseite mit dem Collini-Center spiegelt. "Schachtel auf Schachtel, auf Dauer ist das langweilig, ich hätte mir ein modernes Berufsschulzentrum auf einer Konversionsfläche gewünscht", so Roswitha Henz-Best.

Stattdessen wird ab 2022 an der Schafweide gebaut. Über 100 (durchaus auch bezahlbare) Wohneinheiten in modularer Holz-Hybridbauweise sollen auf einer Brachfläche errichtet werden. Auch der SWR möchte sich dort ansiedeln. Henz-Best betrachtet das Vorhaben mit gemischten Gefühlen: "Es geht wieder einmal Grünfläche verloren, auf Dauer wird es eng, man sollte etwas Luft lassen und nicht zu stark verdichten."

Immer dichter geht es auch auf den Neckarstädter Straßen zu. Dass sich mit der B38 eine Bundesstraße durch den Stadtteil quält, ist vor allem zur Rush-Hour spürbar. Dabei nahm ein paar Blöcke entfernt, am Grenzgebiet zwischen dem östlichen und westlichen Teil der Neckarstadt, die Produktion des Automobils zum Ausgang des 19. Jahrhunderts ihren Lauf. Nachdem ihm die Werkstatt in T6 zu klein wurde, brachte Carl Benz ab 1887 in der Waldhofstraße die Motorenproduktion ins Rollen. Kurz darauf entstanden auf der anderen Straßenseite drei Produktionshallen.

Die Carl-Benz-Straße, wo sich die Motoren Werke Mannheim befinden. Foto: Gerold

Noch heute ist die Carl-Benz-Straße 1 die Adresse der Motoren Werke Mannheim, ihr heutiger Besitzer ist der US-Baumaschinen-Hersteller Caterpillar. Eine noch ältere Mannheimer Fortbewegungserfindung könnte aber die von Carl Benz ausbremsen: Aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens soll die Lange Rötter in eine Fahrradstraße umgewidmet werden. Henz-Best gibt zu bedenken: "Die Geschäftstreibenden müssen weiterhin bedient werden können, es muss ein Branchenmix bewahrt werden."

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