Bye Bye BEA
Die landesweit größte Notunterkunft für Flüchtlinge wird bald geschlossen - Helfer blickten bei Fest zurück

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Peter Vonwald hat in den vergangenen knapp drei Jahren Tausende Flüchtlinge kommen und gehen gesehen. Und er kann so viele Geschichte darüber erzählen. Kuriose, traurige, lustige. Vonwald, ein Österreicher von 64 Jahren, hat ein gewinnendes Lächeln und ist schon wegen seines Wiener Schmähs ein Sympathieträger.
Ende September hat er seinen letzten Arbeitstag an einem Ort mit vielen gleichförmigen Riegelbauten und nicht minder schmucklosen Hallen und Funktionsbauten. Im sperrigen Amtsdeutsch heißt dieser Ort "Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle für Geflüchtete", kurz: BEA. Es ist die größte ihrer Art in Baden-Württemberg.
Früher haben hier, im Benjamin Franklin Village, die US-Soldaten gelebt. Im Herbst 2015 ist das Gelände im Mannheimer Stadtteil Käfertal quasi über Nacht zur Notunterkunft geworden. Zu Hochzeiten fanden hier mehr als 6500 Menschen aus 50 Nationen gleichzeitig Obhut.
Vonwald arbeitete für das Rote Kreuz im alten Infozentrum, half bei der Essens- und der Geldausgabe. Vor allem aber sorgt er dafür, dass die Geflüchteten nach ihrem Aufenthalt in die richtigen Busse steigen, die sie im Rahmen der sogenannten Anschlussunterbringung in eine andere Kommune fahren.
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"Jeder Tag ein Erlebnis - für mich war das ein Superjob", sagt Vonwald und nimmt einen kräftigen Schluck aus einer Wasserflasche. Und dann sprudelt es auch aus ihm heraus. Der Wiener berichtet, wie er einmal irritiert war, als ein Sicherheitsmitarbeiter mit langem Bart seinen Fuß ins Waschbecken setzte. Weil er sich vor dem Beten die Füße waschen wollte.
Oder der Afrikaner, der Vonwald auf der Straße anschrie: "That’s not a paradise". Dem Mann war in seiner Heimat von einem Medizinmann gesagt worden, dass in Deutschland nicht Wasser aus den Hähnen komme, sondern Milch. Und die Straßen seien aus Gold. Eine wahrlich paradiesische Vorstellung.
Menschen, die sich nach falschen Versprechungen auf eine lange Reise gemacht haben - davon hat Vonwald viele in der BEA getroffen. "Ein Afghane hat mir mal erzählt, dass er seinem Schlepper 3000 Euro bezahlt hat. Der hatte ihm zuvor gesagt, dass er diesen Betrag in Deutschland in der Woche erhält", erinnert sich der hauptamtliche DRK-Helfer.
Und auch daran, als sich lange Menschenschlangen vor der medizinischen Untersuchung bildeten, was zu massiven Problemen geführt habe. Auch bei der Essensausgabe und beim Thema Geld habe es manchmal "gerappelt". Streit, Schlägereien, größere Polizeieinsätze.
Die Beamten mussten auch anrücken, als ein Dutzend Flüchtlinge einen Bus aufhielten, der sie in eine andere Stadt bringen sollte. "Das ging aber nicht, weil die Leute noch nicht registriert waren." Nicht aus dem Kopf geht ihm auch der weinende Syrer, der wochenlang warten musste, bis er seine ebenfalls nach Deutschland geflüchtete Frau und die Kinder wieder in die Arme schließen konnte.

Vonwald kramt sein Handy heraus und zeigt sichtlich stolz Bilder von Ahmad. Den Afghanen hat der DRKler auf Franklin beim Laufen kennengelernt. Die beiden sind Freunde geworden. Vonwalds Sohn hat Ahmad sogar einen Job besorgt. Der Österreicher deutet auf ein weiteres Bild mit bergeweise gebratenem Fleisch und verschiedenen Reissorten. "Da habe ich Ahmad in Stuttgart besucht. Das war alles für mich und meine zwei Buben", sagt Vonwald. "So viel Herzlichkeit findest du in Deutschland nicht."
Vielleicht stimmt das. Richtig ist auf alle Fälle: Das DRK als Betreiber der BEA hat zusammen mit unzähligen "nicht gebundenen" Helfern Großartiges geleistet. Oder wie Mannheims Erster Bürgermeister Christian Specht sagt: ",Wir schaffen das’ - ohne Sie wäre der Satz der Kanzlerin nicht in Erfüllung gegangen", ruft er beim Abschiedsfest "Bye, bye BEA" Unterstützern, Förderern und einem Teil der aktuell noch 256 auf dem Franklin-Gelände lebenden Geflüchteten zu. Um eine Kleinstadt zu entwickeln, brauche man normalerweise einige Jahren. "Wir haben das hier in wenigen Wochen hinbekommen", lobt Specht.
Als "Gesicht der BEA" bezeichnet der Bürgermeisterin Christiane Springer. Die Kreisgeschäftsführerin des DRK und ihr Team seien in der Anfangszeit an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gegangen und hätten viele Nächte auf Franklin verbracht. Springer sagt, diese harten Wochen und Monate seien für sie die prägendsten in ihrem Berufsleben gewesen, getreu.
Ihr Motto: "Helfe in der Not, egal wem." In wenigen Wochen ist die BEA Geschichte. Weil immer weniger Menschen in die Erstaufnahmestellen des Landes kommen und die Stadt das inzwischen vom Bund erworbene Gelände weiterentwickeln will, wird die Einrichtung geschlossen.



