Hitzewelle

Wenn die Regionalbahn zum "Horror-Zug" wird

Eine Fahrt ohne Klimaanlage auf der Strecke von Frankfurt nach Heidelberg

25.07.2018 UPDATE: 26.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Die Regionalbahn 68 ist im Heidelberger Hauptbahnhof angekommen. In keinem Waggon dieses Zuges funktionierte gestern die Klimaanlage. Foto: Kreutzer

Von Stefan Hagen

Rhein-Neckar. Auf Bahnsteig 3 im Weinheimer Hauptbahnhof steht gegen 13.15 Uhr die Luft - kein Windhauch ist zu spüren. Bei gefühlten 40 Grad beschränken auch die Fahrgäste, die auf die Regionalbahn 68 aus Frankfurt warten, ihre Bewegungen auf das Nötigste. Jemand wedelt mit einer Zeitung, ein paar Meter weiter wird mit einem lauten Zischen eine Mineralwasserflasche geöffnet.

Immerhin: Der Zug in Richtung Heidelberg ist pünktlich, gleich hat die Leidenszeit ein Ende - in den Gesichtern der Wartenden kann man eine gewisse Vorfreude ablesen. Schließlich verkehrt auf dieser Strecke seit einigen Monaten der sogenannte Main-Neckar-Ried-Express mit ultramodernen Twin-Dexx-Doppelstockzügen, die mit leistungsfähigen Klimaanlagen die Luft auf angenehme "Nordsee-Atmosphäre" herunterkühlen.

Besonders ein Geschäftsmann im schicken Business-Anzug kann es kaum erwarten hineinzukommen - den Krawattenknoten hat er schon mal gelockert. Und dann wird das, was man sich noch nicht einmal im Ansatz vorstellen möchte, plötzlich bittere Realität. Drinnen ist es tatsächlich noch heißer als draußen. Die Leute stöhnen, lautstarke Proteste sind zunächst nicht zu vernehmen - Kunden der Deutschen Bahn scheinen besonders leidensfähig zu sein.

Doch halt, denkt man bei sich: Die Klimaanlage ist bestimmt nur in diesem Abteil defekt - und der Zug hat ja fünf Waggons. Einige Minuten später hat sich diese Hoffnung zerschlagen. Nirgendwo herrscht eine auch nur einigermaßen zu ertragende Temperatur. Letzte Rettung ist ein Platz mit einem aufklappbaren "Oberfenster". Durch die schmale Öffnung dringt wenigstens ein bisschen Luft ins Innere.

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Pech nur, dass man dann die Jalousie nicht herunterziehen kann, die das Gesicht vor der prallen Sonne schützt. Jetzt wäre Sonnencreme nicht schlecht, aber wer hat so was in der Regionalbahn dabei? Hat man die Hitze dann mal für einige Augenblicke vergessen, kündigt der Lokführer die nächste Station an.

Der Zug wird langsamer, der Wind, der sich zäh seinen Weg durch den Fensterschlitz bahnt, ist nur noch zu erahnen. Dann ist der Hauch gar nicht mehr zu spüren, der Zug steht. Wie quälend lange solch ein Aufenthalt dauert, ist einem sonst gar nicht so bewusst.

"Ist das hier eine Sauna?", ruft jemand von hinten. "Na wenigstens verlangen die dafür keinen zusätzlichen Obolus", wird mit Galgenhumor erwidert. Fünf Mal wiederholt sich diese Prozedur zwischen Weinheim und Heidelberg, dann hat das Leiden für einen Großteil der Fahrgäste ein Ende.

Als sich die Türen im Heidelberger Hauptbahnhof öffnen, ist es draußen tatsächlich "kühler" als im Abteil - ein Armutszeugnis für die Bahn. Das sei eine Reise in einem Horror-Zug gewesen, merkt noch jemand an und eilt davon.

Die frische Luft genießt jetzt auch die Zugbegleiterin, die den Aufenthalt für eine kleine Flucht ins Freie nutzt. Drei Waggons hätten gar keine Klimaanlage, klärt die freundliche Dame auf. Und was ist mit den Klimaanlagen in den beiden anderen? Achselzucken. Ist das Ganze nicht eine Zumutung für die Fahrgäste? "Mir geht es doch genauso", antwortet sie mit gequältem Lächeln. Dann setzt sich die Regionalbahn wieder in Bewegung - für die Fahrgäste die nach Wiesloch/Walldorf wollen, geht die Horror-Fahrt weiter.

Bleibt die Frage an die Deutsche Bahn, warum bei diesen Temperaturen solche Züge überhaupt eingesetzt werden. "Auf der Main-Neckar-Ried-Bahn kommen neben den klimatisierten Doppelstockwagen derzeit auch teilweise Wagen ohne Klimatisierung zum Einsatz", erläuterte ein Bahnsprecher. "Wir bedauern daher den Ausfall der Klimaanlage und bitten die Fahrgäste um Entschuldigung." Grundsätzlich gebe es aber keine Häufungen hitzebedingter Störungen, auch wenn bei den aktuell konstant hohen Temperaturen immer mal wieder einzelne Klimaanlagen in den Zügen ausfallen würden.

Weitere "Bahn-Geschichten" lesen sie hier: www.rnz.de/bahnerlebnisse

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