GRN-Kliniken

Klinikverbund steuert auf ein Rekorddefizit zu

Intern wird im schlimmsten Fall mit einem Minus von bis zu 30 Millionen Euro gerechnet.

07.11.2023 UPDATE: 07.11.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 29 Sekunden
Der SOS-Hilferuf der Belegschaft der GRN-Klinik in Sinsheim von Mitte Juni ist aktueller denn je. Foto: GRN

Von Stefan Hagen

Rhein-Neckar. "Oh nein", stöhnt Claudia Felden, dann ist es für einen kurzen Moment völlig still in der Leitung. Die Vorsitzende der FDP-Fraktion im Kreistag muss beim Telefonat mit der RNZ erst einmal durchatmen. Auf die Nachricht, dass der GRN-Klinikverbund im laufenden Jahr im schlimmsten Fall bis zu 30 Millionen Euro Verlust machen wird, war die Liberale definitiv nicht gefasst. Felden ist entsetzt.

> Die GRN-Bilanz 2022: Im Juli hatte die RNZ von "unfassbaren" 17,3 Millionen Euro Verlust berichtet, als die GRN-Geschäftsführung die endgültige Bilanz für 2022 vorgelegt hatte. Eine Summe, die im Vergleich zu der nun im Raum stehenden Horrorzahl für das laufende Jahr fast "niedlich" anmutet. Schuld an der schlechten Bilanz 2022 waren laut Verwaltung "massive Kostensteigerungen in nahezu allen Bereichen". Als Beispiele wurden hohe Mehrausgaben für Wasser, Energie, Brennstoffe und Lebensmittel angeführt. Hinzu sei der Einsatz von Leasing-Kräften gekommen, die zur Aufrechterhaltung und aufgrund gesetzlicher Vorgaben für personelle Mindestbesetzungen unabdingbar gewesen seien. Demnach hätten die Kosten für diese externen Mitarbeitenden bei fast 11,5 Millionen Euro gelegen und damit rund 5,8 Millionen Euro mehr gegenüber 2021. Aber auch die Ausgaben für das eigene Personal – Stichwort Tarifabschlüsse – hätten zu den gestiegenen Kosten beigetragen.

> Die aktuelle Situation: Die Lage hat sich 2023 nicht gebessert, im Gegenteil: Das Defizit wird wohl massiv steigen und muss wie stets über den Kreishaushalt ausgeglichen werden. Doch die Zeiten, in denen der Kämmerer mit einem Lächeln ins Portemonnaie gegriffen hat, sind auch im Rhein-Neckar-Kreis Geschichte. Und das werden die 54 Städte und Gemeinden im Kreis zu spüren bekommen. Denn 30 Millionen Euro GRN-Verlust würden drei Prozentpunkte mehr an Kreisumlage bedeuten, die die Kommunen zu zahlen haben. Im Raum steht gar eine Erhöhung um 5,75 Prozentpunkte, denn finanziell brennt es an allen Ecken und Enden.

> Das sagt der Landrat zur GRN-Finanzlage: Den möglichen Verlust in Höhe von 30 Millionen Euro, mit dem nach gesicherten Informationen der RNZ intern gerechnet wird, möchte Landrat Stefan Dallinger gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung nicht bestätigen. Tatsächlich müsse die GRN gGmbH für das Jahr 2023 mit einer weiteren deutlichen Verschlechterung ihres Jahresergebnisses rechnen, teilt Dallinger mit. "Eine konkrete Zahl können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen", gibt er sich zugeknöpft. Aktuell würden die Hochrechnung für das Jahresergebnis 2023 sowie der Wirtschaftsplan 2024 für die Sitzung des GRN-Aufsichtsrats Ende November finalisiert. Im Arbeitsentwurf des Haushaltsplans 2024 seien insgesamt 15 Millionen Euro für einen Verlustausgleich an die GRN gGmbH für das Jahr 2023 vorgesehen. Über die tatsächliche Höhe des Verlustausgleiches könne derzeit noch keine abschließende Aussage getroffen werden. Im Übrigen müsse zudem erst einmal die weitere wirtschaftliche Entwicklung der GRN gGmbH im Jahr 2023 abgewartet werden.

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> Dallinger fordert Unterstützung durch Land und Bund: Dann wirft Dallinger noch einen Blick auf die allgemeine Lage. Die aktuelle finanzielle Situation vieler Kliniken in Deutschland sei dramatisch. Ohne ein Vorschaltgesetz im Sinne einer weiteren finanziellen Unterstützung durch Bund oder Land würden weitere Krankenhäuser ohne finanzstarke Träger insolvent gehen, malt der Landrat ein düsteres Bild.

> Das sagen die Fraktionen: Trotz der prekären finanziellen Situation stehen die Kreistagsfraktionen weiterhin felsenfest zu den vier Klinikstandorten in Weinheim, Sinsheim, Eberbach und Schwetzingen. Aber Ralf Frühwirt, Fraktionschef der Grünen, zieht schon mal vorsichtshalber eine Grenze. Die GRN-Verluste für dieses Jahr seien natürlich dramatisch. Sein Fazit: "Damit werden wir auf Dauer nicht leben können." Um die Zukunftsfähigkeit der Standorte zu gewährleisten, müssten sich die Gesundheitszentren weiter entwickeln. Dazu gehören Kooperationen und Spezialisierungen, verdeutlicht der Grüne.

Die Überschrift der sogenannten Krankenhausreform müsste in "Hunger Games" geändert werden, lästert CDU-Fraktionschef Frank Werner. Denn die derzeitige Lage für die Krankenhäuser komme statt einer Reform eher einer Strategie des finanziellen Aushungerns gleich. Tatsächlich werde nun die Kreisumlage allein mit dem Blick auf das GRN-Defizit um drei Prozentpunkte erhöht werden müssen, weist Werner darauf hin, dass auch die Kommunen einen Teil der Zeche zahlen werden. Das Zukunftskonzept seiner Fraktion: "Mit Spezialisierung, Ambulantisierung und Digitalisierung wollen wir Potenziale heben und ein gutes Konzept für unsere vier Klinikstandorte entwickeln."

Die Freien Wähler würden sich mit allen Kräften dafür einsetzen, auch in Zukunft vier starke Krankenhausstandorte im Rhein-Neckar-Kreis zu haben, betont Fraktionsvize John Ehret. Man sei strikt gegen eine vom Bund "von oben herab" zentral verordnete Stilllegung von medizinischen Leistungsbereichen. Als Beispiele nennt Ehret die Geburtshilfe oder die Kardiologie. Bei der notwendigen Krankenhausreform sollten die zuständigen Bundesländer das Sagen haben und nicht der Bund. Das mengenabhängige Finanzierungssystem über "Fallpauschalen" sei überholt, decke bei Weitem nicht mehr die gestiegenen Kosten und treibe die Kliniken derzeit in finanzielle Turbulenzen. Man werde sich zukunftsfähigen Konzepten zur Neuausrichtung der Krankenhäuser nicht verschließen.

Die vier GRN-Kliniken haben als wohnortnahe Gesundheitsversorgung aus Sicht der SPD ihre volle Berechtigung, gerade auch für die Notfallversorgung, betont Fraktionschef Ralf Göck. Allerdings werde nicht alles so bleiben können, wie es im Moment ist. "Wir erwarten von der Geschäftsführung Ideen und Taten zur Zukunftssicherung, beispielsweise wie aus den Stärken der vier Standorte Synergien für den Klinikverbund und mehr Qualität für die Patientinnen und Patienten möglich werden. Oder wie medizinische Versorgungszentren, die im privatärztlichen Bereich sehr erfolgreich laufen, im Klinikbereich ebenso erfolgreich organisiert werden können."

Man stehe weiter zu den Standorten, sagt Malte Kaufmann, Vorsitzender der AfD-Fraktion. Die ländliche medizinische Grundversorgung sei ein hohes Gut und müsse aufrechterhalten werden. Gleichzeitig könne es natürlich mit einem solchen Defizit nicht weitergehen. Man erwarte konkrete Vorschläge, wie die Finanzen der GRN-Kliniken wieder ins Lot kommen können.

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