Stehen GRN-Kliniken Schwetzingen und Weinheim auf der Kippe?
GRN-Klinikverbund meldet 17,3 Millionen Euro Verlust. Krankenhausreform als Damoklesschwert?

Von Stefan Hagen
Rhein-Neckar. Bereits Anfang März hatten Katharina Elbs und Judith Masuch, die Geschäftsführerinnen der Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH (GRN) mit Kliniken in Weinheim, Sinsheim, Eberbach und Schwetzingen, ein wahres Horror-Szenario vorhergesagt. Drohende Klinik-Schließungen, massenweise Job-Verluste und das Aussterben der wohnortnahen Versorgung bei gleichzeitiger Zentralisierung medizinischer Leistungen in den Großstädten waren die Schlagworte. Wahrhaft düstere Aussichten. Rund vier Monate später sind die SOS-Rufe nicht verstummt – ganz im Gegenteil: Sie werden immer lauter.
Man kämpft bei den Gesundheitszentren quasi an zwei Fronten. Da sind zum einen die massiven Kostensteigerungen für die Kliniken. Tariferhöhungen für eine faire Bezahlung der Mitarbeitenden, in die Höhe schnellende Kosten für Energie und medizinische Materialien, explodierende Leasingkosten und fehlende Gelder für dringend notwendige bauliche Investitionen, zählen die Geschäftsführerinnen auf.
Dazu passt, dass der Klinikverbund jetzt das Defizit für 2022 konkretisiert hat. War bislang immer von einem Defizit "im unteren zweistelligen Millionenbereich" die Rede, liegt die tatsächliche Summe nun auf dem Tisch. Demnach hat die GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH das vergangene Jahr mit einem Rekorddefizit von 17,3 Millionen Euro abgeschlossen. Im vergangenen Dezember war man noch von einem Minus von bis zu zwölf Millionen Euro ausgegangen. 2021 waren es übrigens "nur" 3,8 Millionen "Miese" gewesen.
Die "gute Nachricht": Der Rhein-Neckar-Kreis wird als alleiniger Träger des GRN-Verbundes das dicke Minus komplett übernehmen (siehe unten).
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Zu allem Überfluss hängt nun aber auch noch die geplante Krankenhausreform wie ein Damoklesschwert über den Kliniken im Rhein-Neckar-Kreis. Diese Reform solle ja angeblich Erleichterung verschaffen, merken Elbs und Masuch in einer Mitteilung ironisch an. Allerdings fehle es bisher gänzlich an Finanzierungsvorschlägen. Ganz besonders bitter stößt den GRN-Chefinnen die geplante Einteilung in Level mit Mindestanforderungen an die Kliniken auf. Gemeint sind damit die Einteilungen des Kliniknetzes in Stufen mit einheitlichen Mindestanforderungen – von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis hin zu Maximalversorgern wie den Unikliniken beispielsweise in Heidelberg.
Die GRN-Kliniken würden nach erster Einschätzung von Elbs und Masuch vermutlich allesamt in "Level In" eingruppiert, also Kliniken mit einer reinen internistischen und chirurgischen Basisnotfallversorgung. Die GRN-Klinik in Sinsheim könnte aufgrund ihrer Stroke Unit, eine auf die schnelle Behandlung von Patienten mit Schlaganfall spezialisierte Abteilung, mit etwas Anstrengung auch "Level II" zugeteilt werden, ergänzen die Geschäftsführerinnen.
Und im schlimmsten Fall würden zwei GRN-Kliniken gar auf der Kippe stehen: Weil sowohl von Schwetzingen als auch von Weinheim aus in knapp 30 Minuten Fahrtzeit mit dem Auto ein Maximalversorger, nämlich die Uniklinik Heidelberg, erreichbar ist, "wackeln die beiden Standorte, außer, das Land sieht hier einen besonderen Versorgungsauftrag", teilen die Geschäftsführerinnen weiter mit. "Darauf hoffen wir und setzen darauf, dass die Regierung den Ländern das notwendige Mitspracherecht einräumt und die Standorte in Schwetzingen und Weinheim erhalten bleiben", betont Katharina Elbs.
Noch möchte man nicht an einen gesundheitspolitischen Super-GAU denken: Und so hoffen die Verantwortlichen, dass die Regierungskommission noch nachbessert. "Unsere Kliniken bieten eine wohnortnahe Versorgung auf höchstem medizinischen Niveau an. Das Patientenaufkommen kann die Uniklinik in Heidelberg allein unmöglich abfangen", ist sich Katharina Elbs sicher.
Damit zurück zum Problem der Finanzierung: Allein durch inflationsbedingte Kostensteigerungen werden die Krankenhäuser in Deutschland bis Ende des Jahres ein Defizit von rund zehn Milliarden Euro anhäufen, heißt es in der GRN-Mitteilung. Zu den Kostenbelastungen gehöre demnach die nur teilweise gesicherte Refinanzierung der Tarifsteigerungen. Und für 2024 seien nach dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst weitere Kostensteigerungen absehbar. Man fordere die Politik auf, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Anlässlich eines Besuchs der CDU-Abgeordneten Alexander Föhr und Albrecht Schütte in der GRN-Verwaltung in Schwetzingen hatten sich Elbs und Masuch für den Alternativvorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ausgesprochen. Auch hier würden Krankenhäuser nach Leveln unterteilt, jedoch würden bei der Zuordnung die Länder mitentscheiden. Und allem voran, so die Forderung der Krankenhausgesellschaft, müsse eine umfassende Krankenhaus-Akutfinanzierung stehen, um weitere massenhafte Klinik-Insolvenzen zu verhindern. Zudem müsse das gesamte Finanzierungsmodell grundsätzlich überarbeitet werden.
Die im Kreistag vertretenen Parteien stehen felsenfest hinter den vier Klinik-Standorten im Landkreis
17, 3 Millionen Euro Verlust beim GRN-Verbund: Da müssen wohl auch hartgesottene Kreisrätinnen und Kreisräte erst einmal schlucken. Schließlich muss diese Summe ja durch den Kreishaushalt abgedeckt werden. Und der Rhein-Neckar-Kreis wird auch dieses Mal in den sauren Apfel beißen und die Schatulle öffnen. Schließlich ist die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitseinrichtungen quer durch alle Fraktionen unstrittig.
CDU-Fraktionsvorsitzender Frank Werner bringt es stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen auf den Punkt: "Unsere vier Klinikstandorte sind für die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung unverzichtbar." Was sagen die Fraktionen zur aktuellen Lage? Die RNZ hat nachgefragt.
> Die Linke: "Das Defizit kann ohne Weiteres durch eine Erhöhung der Kreisumlage aufgefangen werden, also eine gemeinschaftliche Anstrengung aller Gemeinden des Landkreises", regt Fraktionschef Edgar Wunder an. Wer dazu nicht bereit sei, sollte sich nicht als Verteidiger der Krankenhäuser aufspielen. Die geplante Krankenhausreform der Bundesregierung sei völlig unverantwortlich, "weil sie – politisch gewollt – viele Krankenhäuser in den Ruin führen wird, mit einer deutlichen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung als Folge", sagt Wunder. Die Linke werde unter allen Umständen für den Erhalt der Krankenhäuser kämpfen, "auch wenn es etwas kostet und man sich dadurch in Berlin unbeliebt macht".
> SPD: "Der Landkreis kann die GRN-Defizite für 2022 gerade noch schultern. Wir werden sie mittragen", erklärt SPD-Fraktionschef Ralf Göck. Aber schon in diesem Jahr müssten viele Kliniken vor der Insolvenz bewahrt werden. "Hier ist ein beherztes Eingreifen der Politik nötig, vom Land via besserer Investitionsförderung und vom Bund via Energie-Notprogramm", betont Göck. Ohne ein solches Nothilfeprogramm könne eine Krankenhausreform nicht angepackt werden.
"Wir suchen den Kontakt zur Politik, um auf die besondere Bedeutung einer wohnortnahen Erstversorgung hinzuweisen, die bei Kliniken der Maximalversorgung überhaupt nicht geleistet werden kann." Deswegen sei es für die SPD überhaupt nicht vorstellbar, dass auf mittlere Kliniken wie die Kreiskrankenhäuser Schwetzingen oder Weinheim einfach verzichtet werden könnte.
> CDU: Eine gewachsene Krankenhausstruktur könne nicht innerhalb von wenigen Monaten zwangsvereinheitlicht werden, denn die regionalen Gegebenheiten seien zu unterschiedlich, kritisiert CDU-Fraktionschef Frank Werner die geplante Reform. Wenn beispielsweise sogar die Existenzberechtigung der sehr erfolgreich arbeitenden GRN-Kliniken Weinheim und Schwetzingen in Frage gestellt werde, müssen nach Meinung der CDU-Fraktion eher die Reformsystematik selbst in Frage gestellt werden.
"Mit dem Blick auf den Rhein-Neckar-Kreis hatte niemand bisher den Eindruck, wir hätten mit den vier GRN-Kliniken für die Versorgung unserer Bevölkerung zu viele Krankenhäuser", betont Werner. Grundsätzlich sehe die CDU "unsere vier Klinikstandorte in der Kreisfläche weiterhin für notwendig an, denn sie sind für die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung unverzichtbar".
> Grüne: "Wir begrüßen die Krankenhausreform, und unsere Kliniken mit allen vier Standorten sind gut aufgestellt dafür", sagt Grünen-Fraktionschef Ralf Frühwirt. Die Bewertung nach Leistungsgruppen und damit nach vorgehaltener Qualität sei unabdingbar. Dies hätten die Berichte der Expertenkommission über vermeidbare Todesfälle in deutschen Krankenhäusern gezeigt. Die aktuell dargebotene Leistungsqualität der GRN-Kliniken werde den geforderten Kriterien der Leistungsgruppen mehr als gerecht, ist sich Frühwirt sicher. "Wir als Grüne stehen zur Finanzierung des Defizits der Kliniken in diesen schwierigen Zeiten. Die Kliniken sichern den Bürgern des Kreises damit eine Krankenhausversorgung auf hohem Niveau."
> AfD: Die vier Kliniken sichern schon seit Jahrzehnten die stationäre und Notfallversorgung des Rhein-Neckar-Kreises, lobt Fraktionschef Malte Kaufmann. Gerade in der Coronazeit habe sich gezeigt, "wie wichtig unsere Kliniken für die medizinische Versorgung sind". Geschäftsführung und Mitarbeiter der GRN-Kliniken würden hervorragende Arbeit leisten. "Die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung im Kreis hat für uns Priorität." Die AfD-Fraktion stehe also weiter felsenfest zu den GRN-Kliniken.
> Freie Wähler: "Wir setzen uns mit allen Kräften dafür ein, auch in Zukunft vier starke Krankenhausstandorte im Rhein-Neckar-Kreis zu haben", versichert John Ehret. Die "Patientenorientierung" und die "wohnortnahe Versorgung" würden für die Freien Wähler weiterhin an erster Stelle stehen. "Die Versorgungssicherheit mit traditionell hoher medizinischer Qualität darf im Rhein-Neckar-Kreis – gerade auch im ländlichen Raum – keinen Schaden nehmen", fordert Ehret. Schwetzingen und Weinheim seien zudem "in unserem Verbund nicht die großen Kostentreiber".
Man sei strikt gegen eine vom Bund "von oben herab" zentral verordnete Stilllegung von medizinischen Leistungsbereichen (beispielsweise Geburtshilfe oder Kardiologie). Bei der notwendigen Krankenhausreform sollten richtigerweise die zuständigen einzelnen Bundesländer das Sagen haben und nicht der Bund, so Ehret.
> FDP: "Wir sehen ein, dass Kostendisziplin im Krankenhaussystem notwendig ist, sagt Hartmut Kowalinski. Der Rhein-Neckar-Kreis habe aber mit der Zusammenfassung der ehemaligen Stadtkrankenhäuser rechtzeitig die flächendeckende, fachliche und kosteneffiziente stationäre Krankenversorgung vorangetrieben. Die FDP-Fraktion habe in der Vergangenheit dem Defizitausgleich stets zugestimmt. "Im Rahmen der künftigen gesetzlichen Konditionen werden der Kreistag und die Verwaltung versuchen, den Zuschuss wieder in erträgliche Bereiche zu drücken, was in der Vergangenheit durchaus der Fall war", betont Kowalinski.
In kleinen Häusern müsse das Ergebnis von Behandlungen nicht schlechter sein als in den großen Unikliniken. "Deshalb hoffen wir auf eine faire und dem Patientenbedarf entsprechende Beurteilung unserer GRN-Kliniken, wenn die medizinische Qualität das wichtigste Auswahlkriterium für den Weiterbestand von Kliniken sein sollte."
Die von der Regierungskommission geplante Einteilung der Krankenhäuser in Level in der Übersicht:
> Level Ii: integrierte ambulant/stationäre Grundversorgung; Akutpflegebetten, in denen Patienten zur Beobachtung und Basistherapie oder nach Verlegung aus einer anderen Klinik stationär überwacht und gepflegt werden; auch als regionales Gesundheitszentrum mit ambulanten Behandlungsmöglichkeiten denkbar; keine Notaufnahme, keine Intensivmedizin, keine 24-Stunden-Arztpräsenz.
> Level In: stationäre internistische und chirurgische Basisversorgung sowie Notfälle. Stationäre internistische und chirurgische Basisversorgung sowie Geburtshilfe; Basisnotfallversorgung; nach Bedarf auch Geriatrie oder Palliativmedizin; nächstgelegenes Krankenhaus der Regel- und Schwerpunktversorgung beziehungsweise Maximalversorgung weiter als 30 Minuten Pkw-Fahrzeit entfernt oder das Bundesland sieht besonderen Versorgungsauftrag.
> Level II: weitere Leistungen wie Stroke Unit, Intensivmedizin und erweiterte Notfallmedizin möglich.
> Level III: breites medizinisches Spektrum, nicht universitär.
> Level IIIU: Universitätsmedizin.