Krankenhaus-Strukturreform ist Horrorszenario für GRN-Kliniken
Die beiden Geschäftsführerinnen der GRN-Gesundheitszentren schlagen Alarm.

Rhein-Neckar. (sha/zg) Die Geschäftsführerinnen der Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH mit Kliniken in Weinheim, Sinsheim, Eberbach und Schwetzingen schlagen Alarm. Drohende Klinik-Schließungen, massenweise Job-Verluste und das Aussterben der wohnortnahen Versorgung bei gleichzeitiger Zentralisierung medizinischer Leistungen in den Großstädten – Schlagworte wie aus einem Horrorbuch der Gesundheitspolitik.
Das alles könne passieren, wenn die Krankenhaus-Strukturreform durchgeführt werde, wie die Regierung sie plane. So könne das Reformwerk aus Sicht von Katharina Elbs und Judith Masuch unmöglich umgesetzt werden. Dies geht aus einer Mitteilung des Klinikverbundes hervor. Darin zeigen die Geschäftsführerinnen auf, was ihrer Meinung nach die derzeit in Berlin geplanten Vorhaben schlimmstenfalls für die Gesundheitsversorgung im Rhein-Neckar-Kreis und die GRN-Kliniken bedeuten würden und warum sie mit den Reformvorschlägen nicht einverstanden sind.

Dass eine Reform "notwendig ist", sei unbestritten, wird Katharina Elbs zitiert. Das aktuelle, mengenabhängige Finanzierungssystem über Fallpauschalen, das zu einer systematischen Unterfinanzierung der Betriebskosten führe, habe laut einer Umfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft für 75 Prozent aller Krankenhäuser im Jahr 2022 ein deutlich negatives Jahresergebnis zur Folge gehabt. "Aus diesem Hamsterrad wollen wir raus", betont Elbs.
> Folgen für die GRN-Kliniken: Die Ideen der Regierungskommission hätten für Entsetzen gesorgt, heißt es in der Mitteilung. "Die Einteilung der Krankenhäuser in unterschiedliche Level bei gleichzeitiger Zuordnung der Leistungen, die je Level erbracht werden dürfen, führt zu einer radikalen Veränderung der Krankenhauslandschaft, die durch Zentralisierung der Versorgung in großen Kliniken eine beängstigend hohe Zahl der heutigen Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung entbehrlich machen soll", fürchtet Elbs.
Konkret bedeute dies: Einer von der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft beauftragten Studie zufolge, die kürzlich veröffentlicht wurde, würden von 186 untersuchten Krankenhäusern 51 geschlossen werden. Das würde auch die GRN-Kliniken Weinheim und Schwetzingen treffen, die keine Daseinsberechtigung mehr hätten, weil innerhalb 30 Minuten Fahrzeit große Maximalversorger in Heidelberg und Mannheim erreichbar wären.
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Die GRN-Kliniken in Eberbach und Sinsheim dürften nur noch minimale Gesundheitsversorgung anbieten mit reiner internistischer und chirurgischer Basisversorgung – ohne Geburtshilfe, ohne Kardiologie, ohne Gastroenterologie und ohne Viszeralchirurgie.
> Folgen für die Patienten: Die GRN-Kliniken behandeln jährlich 40.000 Patienten stationär und ähnlich viele ambulant, erläutert Elbs. Man spiele somit für die medizinische Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum eine große Rolle. Die medizinischen Leistungen, die die GRN-Kliniken anbieten, gingen schon jetzt über die reine Grund- und Regelversorgung hinaus. Das würden zahlreiche Zertifizierungen durch externe Institute belegen, "die uns höchste medizinische Qualität für unsere Leistungen bestätigen", sagt die Geschäftsführerin.
Als Beispiele nennt sie die Zertifizierung der Geburtshilfen als "babyfreundlich", die Zertifizierung als Diabetes freundliche Klinik, das Kompetenzzentrum für Minimalinvasive Chirurgie, das Darmkrebszentrum oder die Endoprothetikzentren. "Diese Leistungen dürften wir künftig nicht mehr anbieten und müssten unsere heutigen Patienten in große Zentren wie die beiden Uniklinika in Heidelberg oder Mannheim verweisen", nennt sie ihre Befürchtungen. "Ärzte aus unseren Einrichtungen sind bei diesen Szenarien fassungslos", ergänzt Elbs.
Wie solle eine Notfallversorgung gelingen, ohne entsprechende Leistungen wie eine Kardiologie oder Intensivmedizin in den Einrichtungen vorzuhalten. "Das ist absurd", spricht sie Klartext. Und auch die Vorstellung, Geburten wären nur noch an wenigen Häusern möglich, sei bei näherer Betrachtung völlig unrealistisch.
In den GRN-Kliniken in Weinheim und Schwetzingen kommen zusammen im Jahr rund 1600 Babys zur Welt. Werdende Eltern müssten künftig sehr viel weitere Wege in Kauf nehmen, und dann ist die Frage, ob die übrig bleibenden Kliniken die höheren Auslastungen überhaupt bewältigen könnten.
Hintergrund
> Die Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH (GRN) ist ein Verbund von vier Kliniken mit angeschlossener Apotheke, drei geriatrischen Rehabilitationskliniken sowie einem Seniorenzentrum und zwei Betreuungszentren. Diese Einrichtungen verteilen sich auf die Standorte
> Die Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH (GRN) ist ein Verbund von vier Kliniken mit angeschlossener Apotheke, drei geriatrischen Rehabilitationskliniken sowie einem Seniorenzentrum und zwei Betreuungszentren. Diese Einrichtungen verteilen sich auf die Standorte Eberbach, Schwetzingen, Sinsheim und Weinheim. Alle Kliniken sind Häuser der Grund- und Regelversorgung. Das heißt, sie gewährleisten eine Versorgung für die innere Medizin und die allgemeine Chirurgie, darüber hinaus bieten sie weitere Fachabteilungen an.
> GRN-Klinik Eberbach: Das Krankenhaus verfügt über insgesamt 130 Betten. Medizinische Fachabteilungen: Innere Medizin, Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Urologie sowie Anästhesie mit interdisziplinärer Intensivstation. Daneben gibt es eine proktologische und eine HNO-Belegabteilung. Etwa 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versorgen im Jahr in Eberbach über 6000 stationäre Patienten. Hinzu kommen knapp 7000 ambulante Notfälle und über 1000 ambulante Operationen.
> GRN-Klinik Schwetzingen: Das Krankenhaus verfügt über 277 Betten. Die medizinischen Fachabteilungen sind: Anästhesie und Intensivmedizin, Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Wirbelsäulenchirurgie, Innere Medizin I (Kardiologie und Angiologie), Innere Medizin II (Gastroenterologie und Onkologie), Altersmedizin, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie das Palliativmedizinische Konsil. Daneben gibt es eine plastisch-chirurgische sowie eine HNO-Belegabteilung. Knapp 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versorgen im Jahr rund 12.000 stationäre Patienten. Hinzu kommen etwa 14.000 ambulante Notfälle und 2000 ambulante Eingriffe. Rund 900 Babys kommen hier jährlich zur Welt.
> GRN-Klinik Sinsheim: Das Krankenhaus verfügt über 225 Betten. Die Fachabteilungen Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Innere Medizin, Neurologie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Orthopädie und Unfallchirurgie, Anästhesie, Intensivmedizin, Altersmedizin und Palliativstation sowie eine HNO-Belegabteilung stellen mit über 640 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Versorgung von mehr als 12 000 stationären Patienten und rund 14.000 ambulanten Notfällen sicher. Hinzu kommen über 1000 ambulante Operationen. Jährlich kommen in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe rund 1500 Babys zur Welt.
> GRN-Klinik Weinheim:Mit 220 Planbetten verfügt die Klinik in Weinheim über die Fachdisziplinen Altersmedizin, Anästhesie und Intensivmedizin, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Innere Medizin, Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Wirbelsäulenchirurgie. Darüber hinaus gibt es eine HNO-Belegabteilung und eine Kooperation im Fachbereich Proktologie. Knapp 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versorgen hier im Jahr über 11.000 stationäre Patienten und rund 14.500 ambulante Notfälle. Hinzu kommen noch etwa 1500 ambulante Operationen. Jährlich erblicken in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe rund 850 Babys das Licht der Welt.Quelle: GRN
> Folgen für ältere Menschen: "Auch unsere Pflegekräfte sind angesichts der Reformgedanken sprachlos", wettert Elbs weiter. "In unseren Kliniken pflegen wir viele ältere Patienten jenseits der 80, die bewusst ein kleines, regionales Krankenhaus in der Nähe ihres Wohnortes suchen", sagt sie.
Nur so könnten auch Angehörige sie regelmäßig besuchen, was für die Genesung extrem wichtig sei. "Und jetzt stelle man sich einen 80-Jährigen vor, der mit Rollator versucht, eigenständig über das Neuenheimer Feld zu rollen – vom Parkhaus bis in die Kopfklinik. Das wird kaum möglich sein."
Verlierer der Reform seien aus GRN-Sicht insbesondere ältere, multimorbide Patienten in ländlichen Regionen, die auf eine wohnortnahe Versorgung und familiäre Strukturen mit festen Ansprechpartnern angewiesen seien. Auch deren Hausärzte würden sich feste Ansprechpartner wünschen. "Dies steht aus meiner Sicht im krassen Widerspruch zu unserer demografischen Entwicklung und den aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen unserer Bevölkerung."
> Folgen für die Mitarbeiter und die Ausbildung: "Aktuell sind unsere Mitarbeitenden vor allem schockiert und sehen sich mit einem Vorschlag der Politik konfrontiert, der die täglichen Herausforderungen in den Kliniken vor Ort überhaupt nicht wahrnimmt oder aufgreift", schildert Judith Masuch. Sie seien verunsichert und fürchteten um den Verlust von Arbeitsplatzattraktivität, wenn viele Leistungen nicht mehr angeboten werden dürfen.
Neben der täglichen Versorgung von Patienten seien die vier GRN-Kliniken auch für die Ausbildung von jungen Ärzten und Pflegenden im Kreis nicht wegzudenken. "Wir bilden jährlich circa 120 Assistenzärzte und weitere 100 PJ-Studenten im medizinischen Bereich aus. Außerdem 70 Pflegefachfrauen und -männer sowie 20 Auszubildende im Bereich der Krankenpflegehilfe", zählt Masuch auf.
"Wo soll denn diese Ausbildung alternativ stattfinden?" Von der Dankbarkeit während der Corona-Pandemie, bei der insbesondere die kleinen Krankenhäuser eine herausragende Rolle in der Versorgung der Bevölkerung in der Fläche gespielt hätten, sei leider nichts mehr zu spüren.
> Die Gegenvorschläge: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft habe einen sehr guten Gegenvorschlag erarbeitet, ebenfalls mit gestufter Krankenhausstruktur, die sich aber an der schon bestehenden Einteilung zur Notfallversorgung orientiere, erläutert Masuch. Laut DKG sollen die Länder entscheiden, welches Versorgungslevel welche Klinik erhalte. "Das ist auch aus unserer Sicht extrem wichtig, weil die Länder für die Krankenhausversorgung zuständig sind und die besonderen Gegebenheiten vor Ort kennen und einschätzen können", ergänzt Masuch.
Auch das Thema Krankenhaus-Finanzierung sei sehr viel detaillierter, praxisnaher und realistischer aufgeschlüsselt. "Darin sind auch die aktuellen Kostensteigerungen für die Kliniken berücksichtigt und sinnvolle Vorschläge für eine Finanzierung unterbreitet." Vor allem sollen im ersten Schritt, bevor eine Reform überhaupt an die Umsetzung gehen kann, die Krankenhäuser finanziell stabilisiert werden.
Nach dem Reform-Entwurf der Deutschen Krankenhausgesellschaft würden allein durch die Einteilung nach bestehender Notfallversorgung des Gemeinsamen Bundesausschusses deutlich mehr Kliniken am Netz bleiben als nach Einteilung der Kommission. Auch der bürokratische Aufwand wäre sehr viel geringer.