Johannes Berentelg wechselt in die Geschäftsführung
Der 66-jährige Chef der Inneren Medizin und Ärztlicher Klinik-Leiter geht im Juli in den Teil-Ruhestand. Ein Rück- und Ausblick auf fast 20 Jahre GRN Sinsheim.

Die GRN-Klinik in Sinsheim. Foto: Privat


Chef der Inneren Medizin und Ärztlicher Leiter der GRN-Klinik Sinsheim
Von Christiane Barth
Sinsheim. Der Kardiologe und Intensivmediziner Dr. Johannes Berentelg begann am 1. Juni 2006 seinen Dienst an der GRN-Klinik Sinsheim als Chef der Inneren Medizin. Damals standen zwei Krankenhäuser unter seiner Leitung, da noch die GRN-Klinik Eberbach angegliedert war.
Die Innere Medizin in Sinsheim ist mit 90 Betten die größte Abteilung der GRN. Der 66-Jährige, der sich bisweilen einen "Internisten vom alten Schlag" nennt, bleibt gelassen, trotz des Arbeitspensums von bis zu zwölf Stunden täglich. Im Juli geht er in den Teil-Ruhestand.
Herr Dr. Berentelg, wie schaffen Sie es, gelassen zu bleiben?
Ich bin kein aufgeregter Mensch. Man muss sich darüber bewusst sein, dass man nicht alles ändern kann. In der Medizin gibt es ein ständiges Auf und Ab. Es gibt Krisen und Aufregungen, aber es ist klar: Das entspannt sich auch wieder. Das Schiff fährt weiter. Man ist ein Teil des Ganzen und versucht, das Beste daraus zu machen. Mit der wachsenden Erfahrung wird man ruhiger. Außerdem bin ich Westfale, als solcher habe ich sowieso eher ein ruhiges Gemüt.
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Wie laden Sie ihren Akku wieder auf?
Ich habe viele Hobbys, spiele in einer Band Akkordeon und Keyboard. Zu meinen Hobbys gehören auch Gärtnern, Skifahren, Paddeln, Fahrradfahren, Tauchen, Wandern, Lesen und Segeln.
Was hat sich im Klinikalltag in den vergangenen 17 Jahren verändert?
Das Tempo. Früher lagen die Patienten sechs Wochen im Krankenhaus. Heute gehen sie meistens nach wenigen Tagen nach Hause. Das ist prinzipiell eine gute Tendenz. Medizin ist schneller geworden, aber das heißt nicht, dass sie weniger gründlich ist.
Was hat Sie an Ihrem Beruf am meisten fasziniert?
Mein Herz schlägt für die Medizin. Die Vielfältigkeit ist das Spannende an diesem Beruf. Ich war immer schon naturwissenschaftlich interessiert und wollte mit Menschen arbeiten. Hier müssen wir medizinisch am Puls der Zeit sein, wir müssen mit Menschenführung vertraut sein, den Zugang finden zum Patienten: Dieses Potpourri macht mir einfach Spaß.
Werden Sie die Arbeit vermissen?
Den Druck und den Stress natürlich nicht. Ich bin froh, dass ich jetzt auch einfach mal entspannen kann. Aber ich werde halbtags noch in der Geschäftsführung tätig sein. So fahre ich also nicht von 150 auf Null runter, das ist ganz gut so.
Was waren die größten Herausforderungen in ihrer Amtszeit?
Die Covid-Pandemie sicherlich. Das war ein regelrechter Paradigmenwechsel. Schlimm ist natürlich auch, wenn man als Arzt Todesnachrichten überbringen muss. Schwierig war in der Pandemie-Zeit, als die sterbenden Patienten nicht von ihren Angehörigen besucht werden durften. Auch gutes Personal zu bekommen ist eine ständige Herausforderung.
Wie bewerten Sie die drei Jahre Pandemie im Rückblick?
Wir haben vieles richtig gemacht. Die Kooperation zwischen Universität, Landratsamt, Kommune und den Krankenhäusern habe ich sehr geschätzt. Das war ein Zusammenhalt, wie ich ihn vorher noch nie erlebt habe. Auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen im Krankenhaus war außergewöhnlich. Ich hatte gehofft, dass man diese enge Kooperation auch über die Pandemie hinaus mitnehmen kann. Leider war das nicht so. Sicher aber ist: Wenn eine solche Krisensituation wieder auftreten sollte, sind diese Strukturen sofort wieder da. Zu Beginn der Pandemie waren wir medizinisch etwas zu streng. Doch das war der Wucht der Pandemie geschuldet.
Welche waren denn Ihre schönsten Erlebnisse?
Wenn Heilung stattfand und die Menschen einfach glücklich waren, dass es ihnen wieder gut ging. Daraus schöpfe ich auch viel Kraft. Wenn das Team gut zusammenarbeitet und die Atmosphäre stimmt, ist das eine sehr befriedigende Arbeit. Hier befinden wir uns in einem Eldorado der Medizin: Man sieht hier wirklich alle Arten von Krankheiten, doch nicht immer findet Heilung statt. Somit muss ein Arzt auch Demut haben. Und ich bin dankbar, dass ich so ein tolles Team habe.
Was lag Ihnen besonders am Herzen?
Die Ausbildung der Studenten und Assistenten. Mir war es wichtig, das Feuer für die Medizin zu entfachen und den detektivischen Spürsinn zu fördern. Für die Medizin zu brennen: Das ist die Lehre, die man als Mediziner weitergibt. Wichtig war mir auch immer, den sozialen Kontakt zu den Patienten aufzubauen, auch wenn es oftmals nur kurz war. Dafür habe ich gerne mal die Interessen des Patienten aufgegriffen und das Gespräch mit ihm gesucht, indem ich seine Sprache gesprochen habe. Bei einem Patienten, der sich für Autos interessiert, habe ich beispielsweise dann von Ventilen und Pumpe gesprochen, um die Behandlung verständlich zu machen und eine Brücke zu bauen.
Was war die größte Errungenschaft in den zurückliegenden Jahren?
Medizinisch sind in den letzten Jahren bahnbrechende Fortschritte gemacht worden, zum Beispiel die Klappentherapie in der Kardiologie oder die Therapie bei Tumoren. Was technisch machbar und für den Patienten gut ist mit der ganzheitlichen Medizin in Deckung zu bringen: Das ist für mich die spannendste Herausforderung.
Was wünschen Sie sich für die Medizin in der Zukunft?
Ich wünsche mir eine bessere Vernetzung der ambulanten und stationären Medizin. Wir haben in Deutschland ein modernes und hoch qualifiziertes Gesundheitswesen. Aber was fehlt, ist eine Digitalisierung. Es passieren noch zu viele Fehler, weil die Patienten ihre Anamnese und ihre Therapiepläne nicht parat haben. All das läuft noch auf Fax-Ebene. Wenn diese Informationen auf einer Gesundheitskarte gespeichert wären, würde uns das die Diagnose und Behandlung wesentlich erleichtern. Eine Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft muss meines Erachtens sein, etwa indem eine bessere Spezialisierung stattfindet. Auch der Aufbau von Gesundheitszentren, die eine effektive ambulante oder kurzzeitstationäre Behandlung ermöglichen, ohne dass dabei auf die teuren stationären Ressourcen zurückgegriffen werden muss, ergibt Sinn. Es ist nicht gut, dass Patienten wegen Bagatellen mehrere Tage im Krankenhaus liegen. Das kann man so nicht weiterführen. Andere Länder wie Dänemark und die Niederlande sind da viel weiter als wir. Die Hoffnung verliere ich jedenfalls nicht.
Was wird dabei die größte Herausforderung sein?
Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem. Und natürlich die Finanzierung.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Abteilung wird geteilt. Für die Kardiologie kommt Prof. Eberhard Scholz aus Schwetzingen. Hier spiegelt sich auch der Verbundgedanke wieder, den wir als GRN künftig verstärkt leben wollen. Wir sind eben nicht mehr das Kreiskrankenhaus, sondern ein Kompetenzzentrum – als Gegenpol zur Uni. Für die Gastroenterologie kommt Dr. Erik-Sebastian Fuchs aus Ludwigshafen. Denn Dr. Stephan Klug, der bisherige Leitende Oberarzt der Inneren Medizin in Sinsheim, verlässt das GRN jetzt ebenfalls.
Welche Botschaft geben Sie den Menschen hinsichtlich deren Herzgesundheit mit?
Man sollte ein ausgeglichenes Leben mit ausreichend Sport, guter Ernährung und Ruhephasen führen. Außerdem: Das Rauchen bleiben lassen und das Cholesterin in den Griff bekommen.