Was müssen die Kommunen ans Landratsamt überweisen?
Dallinger will "toxische Lage" entgiften: Der Landrat brachte den Haushalt ein. Um die Höhe der Kreisumlage wird hinter verschlossenen Türen gerungen.

Von Alexander Albrecht
Mauer/Rhein-Neckar. Es ist ein Novum in der Amtszeit von Stefan Dallinger und vielleicht sogar in der Geschichte des Rhein-Neckar-Kreises. Bei seiner Haushaltsrede am Dienstagnachmittag im Kreistag nennt der Landrat angesichts der dramatischen finanziellen Situation keine konkrete Zahl, was die Kämmerer der 54 Kommunen im nächsten Jahr an das Landratsamt überweisen müssen.
Dallinger setzt zwar einen Rahmen und im Haushaltsentwurf die Kreisumlage mit einem Hebesatz von 30,25 Prozent an. Das wären dann sage und schreibe 5,75 Prozentpunkte mehr. "Aber wohlwissend", so schiebt der Landrat zur – mäßigen – Erleichterung der vielen Bürgermeister in der Kultur- und Sporthalle in Mauer hinterher, "dass es so nicht kommen wird".
Vielmehr will Dallinger bis zur Verabschiedung des Etats am 12. Dezember in Sinsheim mit den Fraktionen in mehreren nicht-öffentlichen Sitzungen ringen und ausloten, wo noch Einsparungen möglich sind und welche Investitionen "möglicherweise stärker als bisher" über Kredite finanziert werden müssen. Der CDU-Politiker spricht von einer "toxische Lage", die nur durch einen kommunalen Kraftakt entgiftet werden könne.
Die Verwaltung selbst habe in mehreren internen Runden versucht, die Einzelposten des Haushalts 2024 nach Kürzungsmöglichkeiten zu durchforsten. Man wolle zudem versuchen, noch im laufenden Jahr gegenzusteuern, und die laufenden Ausgaben auf das Notwendigste reduzieren. Der Kreis rechnet gegenwärtig mit einem Defizit von mehr als 60 Millionen Euro für 2023.
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Dallinger skizziert noch einmal die Ursachen der Misere, angefangen von einer hohen Inflationsrate sowie steigenden Investitions- und Energiekosten infolge des Ukraine-Kriegs, über höhere Zinsen am Kapitalmarkt und als Konsequenz daraus rückläufige Grunderwerbsteuereinnahmen. Und natürlich kommt der Landrat auch nicht an den GRN-Kliniken vorbei. Diese schreiben in diesem Jahr voraussichtlich ein Minus von insgesamt über 20 Millionen Euro, und für 2024 sieht es wohl nicht viel rosiger aus.
Der Landrat begrüßt die kurzfristige Finanzspritze von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne), die 126 Millionen Euro für alle Kliniken im Südwesten "sind aber für uns wohl erst mal nur ein Tropfen auf den heißen Stein". Das kann es jedoch noch nicht endgültig gewesen sein, hofft Dallinger auf weitere Zuschüsse aus Stuttgart.
Die Bundesregierung fordert der Landrat dazu auf, ein "Vorschaltgesetz" vor der Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg zu bringen, das ungeplante Schließungen von Standorten vermeidet und den "unverzichtbaren Transferprozess" in die neuen Strukturen – Spezialisierung, Konzentration und Digitalisierung – abmildert. Stolz ist Dallinger auf die Städte und Gemeinden, denen seit 2015 knapp 17.000 Geflüchtete in der kommunalen Anschlussunterbringung zugewiesen worden sind, einschließlich mehrerer Tausend Ukrainerinnen und Ukrainer in privaten Wohnungen.
"Das ist ein eindrucksvoller Nachweis der Leistungsfähigkeit und des Gemeinwesens im Rhein-Neckar-Kreis. Ablehnung und Hass, Aggression und Gewalt haben hier ebenso wenig Platz wie populistische braune Propaganda und Hetze", sagt Dallinger unter viel Applaus. Gleichwohl sei klar, dass es in der Migrationsfrage kein "Weiter so" geben dürfe. Nicht rütteln will der Landrat am Klimaschutz, der mit 7,7 Millionen Euro im Haushaltsentwurf ausgewiesen ist. Und es bleibt beim Ziel: eine klimaneutrale Verwaltung bis 2035. Der Eigenbetrieb Bau, Vermögen und Informationstechnik lässt hier Photovoltaik-Anlagen installieren, stellt die Heiztechnik um und baut E-Ladestationen aus.
Größter Batzen auf der Ausgabenseite ist traditionell der Sozialetat, die im Entwurf dafür angesetzten 355 Millionen Euro verschlingen fast die Hälfte des gesamten Haushaltsvolumens. Darunter fallen Unterstützungen wie Hilfe zur Pflege und zum Lebensunterhalt, Eingliederungshilfen, Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie Wohngeld. Alles zusammengerechnet muss der Kreis im nächsten Jahr fast 40 Millionen Euro mehr aufbringen.
Dazu kommen Investitionen, die bereits am Laufen sind, zum Beispiel für die Sanierung und Erweiterung des Landratsamts, der Renovierung beruflicher Schulen in Sinsheim und oder der neue Funktionsbau am Sinsheimer Krankenhaus. Auf der Einnahmenseite steht im Haushalt vor allem die Kreisumlage. Jetzt geht es ans Eingemachte.