Ausgleich für GRN-Defizit beträgt 10 Millionen Euro
Wie ein Biss in den sauren Apfel. Am Dienstag wird der Kreistag dem Ausgleich des GRN-Jahresdefizits 2022 zustimmen.

Von Stefan Hagen
Rhein-Neckar. Das Gesundheitswesen im Allgemeinen und die Krankenhäuser beziehungsweise Kliniken im Speziellen sind derzeit in aller Munde – auch und ganz besonders im Rhein-Neckar-Kreis. Hauptproblem ist eine geradezu desaströse Finanzlage. Die Kliniken hängen am Tropf, sind quasi selbst zu Patienten geworden.
Werfen wir zunächst einen Blick zurück in den Dezember des vergangenen Jahres. In Sinsheim wird der Kreishaushalt 2023 verabschiedet, die Fraktionen sind in heller Aufregung: "Dramatische Situation", "Unverschuldet zum Pflegefall geworden", "Finanzielles Sorgenkind", "Das treibt einem den Schweiß auf die Stirn".
Man ahnt es, es ging um die finanzielle Situation der vier GRN-Kliniken mit Standorten in Weinheim, Sinsheim, Eberbach und Schwetzingen. Damals betrug das Defizit 3,9 Millionen Euro für 2021, für das Jahr 2022 wurden gar Verluste in Höhe von rund zwölf Millionen Euro befürchtet.

Wie man heute weiß, sind daraus geradezu unfassbare 17,3 Millionen Euro "Miese" geworden. Diese Summe muss der Rhein-Neckar-Kreis jetzt aus dem laufenden Haushalt abdecken. Tropfen auf den heißen Stein: Es gibt noch eine Gewinnrücklage in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro, sodass sich der Jahresfehlbetrag der GRN-Gesundheitszentren auf 15,5 Millionen Euro reduziert. Zudem hatte man in weiser Voraussicht bereits im Vorfeld 5,5 Millionen Euro als Verlustabdeckung veranschlagt – nach Adam Riese bleiben also zehn Millionen Euro Defizit übrig. Schuld an dieser vertrackten Finanzsituation sind laut Verwaltung "massive Kostensteigerungen in nahezu allen Bereichen". Als Beispiele werden hohe Mehraufwendungen für Wasser, Energie, Brennstoffe und Lebensmittel genannt.
Auch interessant
Hinzu komme der Einsatz von Leasing-Kräften, die zur Aufrechterhaltung und aufgrund gesetzlicher Vorgaben für personelle Mindestbesetzungen unabdingbar gewesen seien. Demnach lagen die Kosten für diese externen Mitarbeitenden bei fast 11,5 Millionen Euro, was rund 5,8 Millionen Mehrkosten gegenüber 2021 bedeutet. Aber auch die Aufwendungen für das eigene Personal – Stichwort Tarifabschlüsse – hätten zu den gestiegenen Kosten beigetragen.
Nun muss sich der Kreistag in seiner heutigen Sitzung in Dielheim mit diesem Dilemma befassen. Und auch wenn es sich wie der Biss in den berühmten sauren Apfel anfühlt, werden die Kreisrätinnen und Kreisräte dem "überplanmäßigen Aufwand" in Höhe von zehn Millionen Euro zustimmen. Das haben die im Kreistag vertreten Fraktionen bereits im Vorfeld überaus deutlich signalisiert (RNZ vom 30. 6.). Schließlich ist die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitseinrichtungen Konsens quer durch alle politischen Strömungen.
"Wir kämpfen für unsere Gesundheitseinrichtungen", sagt Claudia Felden, Vorsitzende der FDP-Fraktion im Kreistag des Rhein-Neckar-Kreises, im Gespräch mit der RNZ. Ihre Kollegen Frank Werner (CDU), Ralf Göck (SPD), Stefan Geißler (Grüne), und John Ehret (Freie Wähler) nicken zustimmend. Die Botschaft ist klar: Selbst dieses Rekorddefizit lässt die Solidarität mit den Gesundheitseinrichtungen im Rhein-Neckar-Kreis nicht bröckeln.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich der Rhein-Neckar-Kreis diesen Luxus auch deshalb (noch) leisten kann, weil sich die Gesamtsituation 2022 wesentlich positiver entwickelt hat, als zunächst angenommen. So schließt man das vergangene Haushaltsjahr mit einem ordentlichen Ergebnis von 12,2 Millionen Euro auf der Habenseite ab – ursprünglich hatte der Kämmerer ein Minus von 16,2 Millionen Euro eingeplant.
Dafür "verantwortlich" sind unter anderem Mehrerträge bei den Schlüsselzuweisungen (plus 9,3 Millionen Euro) und die nicht eingeplante Beteiligung des Landes Baden-Württemberg an den rechtskreiswechselbedingten Mehrbelastungen der Kommunen für die Ukraine-Flüchtlinge (Mehrerträge in Höhe von 14,1 Millionen Euro). Da lässt sich das Defizit bei den Kliniken wohl gerade noch so verkraften.
Aber wie geht es in Zukunft weiter? "Wir stehen in Kontakt mit Berlin", sagt Sozialdemokrat Ralf Göck, dessen Partei bekanntlich den amtierenden Gesundheitsminister stellt. In der Bundeshauptstadt habe die SPD-Kreistagsfraktion bereits auf die besondere Bedeutung einer wohnortnahen Erstversorgung hingewiesen, die in Kliniken der Maximalversorgung überhaupt nicht geleistet werden könne.
Und man hat erste Erfolge vorzuweisen. Demnach hat die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, bestätigt, dass die Kliniken in Weinheim und Schwetzingen für den künftigen Wettbewerb gut aufgestellt seien.
Um die beiden Häuser hatte es jüngst im Zuge der Diskussionen um die Krankenhausreform Spekulationen gegeben. Weil sowohl von Schwetzingen als auch von Weinheim aus in knapp 30 Minuten Fahrtzeit mit dem Auto ein Maximalversorger, nämlich die Uniklinik Heidelberg, erreichbar ist, "wackeln die beiden Standorte, es sei denn, das Land sieht hier einen besonderen Versorgungsauftrag", wie die GRN-Geschäftsführerinnen Judith Masuch und Katharina Elbs betont hatten.
Einen interessanten Aspekt bringen John Ehret (Freie Wähler) und CDU-Fraktionschef Frank Werner ins Spiel: Man habe als Kreis durchaus die Möglichkeit, Geld woanders "abzuzwacken" (Ehret) und "Mittel, um das länger durchzuhalten" (Werner) als etwa private Träger von Krankenhäusern.