Warum Geschäftsführer Schnellbach die Buga erst Ende Juli genießen konnte
Die RNZ sprach mit Michael Schnellbach über den Kampf mit der Zeit, Lernprozesse bei Besuchern und warum der Spinelli-Park für andere Städte beispielhaft sein könnte.



Geschäftsführer der Mannheimer Buga
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Nach knapp 180 Tagen öffnet die Bundesgartenschau an diesem Sonntag zum letzten Mal ihre Pforten – für Geschäftsführer Michael Schnellbach ist damit die Arbeit aber noch nicht beendet. Er muss sich in den kommenden Monaten um den Rückbau kümmern. Im Interview blickt Schnellbach auf die Buga zurück und sagt, was ihn gefreut und worüber er sich geärgert hat.
Herr Schnellbach, wenn wir uns hier in Ihrem Besprechungsraum treffen, tanzt gleichzeitig das Awo-Ballett zum letzten Mal auf der Hauptbühne. Wie war das damals für Sie, als das Kostümverbot gleich zu Beginn der Buga für einen heftigen Streit um kulturelle Aneignung sorgte?
Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir eine andere Bundesgartenschau sind und gesellschaftspolitische Fragen diskutieren wollen. Dieses Thema haben wir sicherlich nicht freiwillig debattiert. Aber es war gut, dass wir es gemacht haben. Was mich jedoch erschüttert hat, waren zum einen die unreflektierten Reaktionen vieler Menschen, die einfach nur die Überschrift gelesen haben oder uns Worte in den Mund legten, die wir niemals so gesagt haben.
Und was mich ebenfalls erschüttert hat, dass es nullkommanull Sensibilität bei den Awo-Damen gab. Sie hätten nichts dabei empfunden, mit schwarzen Perücken, Kimonos und aufgemalter Augenpartie vor dem chinesischen Generalkonsul oder Botschafter zu tanzen. Da fehlt mir ein bisschen Verständnis.
Auch interessant
Andererseits wollen wir genau das erreichen: die Menschen auf mehreren Ebenen zu sensibilisieren, aufzuklären und zu informieren. Im Nachhinein war es eine schöne Publicity. So hat ganz Deutschland erfahren, dass wir in Mannheim eine Bundesgartenschau haben. Und wir sind unserer Linie treu geblieben.
Sie haben nie befürchtet, dass ein nachhaltig schlechtes Image für die Buga entstehen könnte?
Dass die positive Stimmung den Bach runter geht, habe ich nie gedacht, dafür war das Thema zu klein und das Interesse des Publikums zu gering. Es hat aber den einen oder anderen in unserem Team verunsichert. Das ging ja so weit, dass Mitarbeiter beleidigt und Strafverfahren eingeleitet wurden.
Was hätte denn mit Blick auf das große Ganze besser laufen können?
Wir sind mit uns im Reinen. Klar mussten wir am Anfang viel nachbessern, weil wir das Spinelli-Gelände zweieinhalb Jahre später als geplant vom Bund übernommen haben. Und wir waren froh, dass wir aufmachen konnten. Sicher hing noch nicht jedes Schild und war nicht jede barrierefreie Rampe so sauber wie gewünscht. Wenn ich mir was gewünscht hätte, wären es 14 Tage mehr Zeit vor der Eröffnung gewesen. Zeit zum Beispiel, um auf Tafeln zu erklären, weshalb das Wildbienenhabitat oder die Magerwiese so aussehen. Das war ein Lernprozess, aber ansonsten würde ich auch bei einem neuen Projekt nicht viel anders machen.
Sie haben manchmal auf mich den Eindruck gemacht, ständig unter Strom zu sein. Wie groß war der Druck, die Erwartungen zu erfüllen?
Von Druck würde ich nicht sprechen. Es waren eher die vielen Gedanken, die ich im Kopf hatte, dass man gleichzeitig auf mehreren Hochzeiten tanzte. Am Wochenende erzählte eine Pastorin im Gottesdienst davon, wie sie in einer Winzerfamilie groß wurde, die im Frühjahr nie wusste, ob sie im Herbst die Ernte einfahren kann. Wir wussten auch nicht im Januar, Februar und März, ob unsere Idee, die wir gesät haben, Erfolg hat. Das können wir jetzt sagen, wo wir deutlich mehr als 2,1 Millionen Besucher empfangen haben. In den ersten Monaten war die Anspannung bei mir noch da. Ungefähr ab Ende Juli konnte ich die Buga genießen. Da haben sich die Prozesse eingespielt und entwickelten sich die Zahlen so, dass es am Ende passen wird.
Die Unterwasserwelt im Luisenpark ist immer noch nicht fertig. Wie sind Sie mit solchen Rückschlägen umgegangen?
Es war schon mein Ziel, dass sie fertig wird. Wenn man aber zum dritten Mal einen Fehler behoben hat und es dann wieder am gleichen Material scheitert, dann sind die Dinge eben so, wie sie sind und man wird gelassener.
Wie ist denn der aktuelle Stand bei der Unterwasserwelt?
Wir setzen uns gerade mit unterschiedlichen Gutachtern auseinander. Es gibt einen Streit zwischen dem Hersteller der Beschichtung für die Aquarien, der ausführenden Firma und dem Planer, wer einen Fehler gemacht hat. Es gibt andere Beispiele in Deutschland, wo die Materialien wie bei uns zusammengesetzt wurden und es zu keinen Problemen kam. Hört sich eindeutig an, ist es aber nicht. In diesen Tagen kommt ein weiteres Gutachten, und dann müssen wir uns alle an einen Tisch setzen. Wir brauchen eine Lösung! Es ist einfach nervig, wenn nun in zwei Becken die Beschichtung abblättert und im Wasser schwimmt.
Was hat Sie denn am meisten gefreut?
Natürlich die Zahlen, dass wir mehr Besucher hatten als prognostiziert. Aber was mich tatsächlich noch mehr gefreut hat, war, was man zurückbekam. Dass sich die Leute beim Rausgehen bedankt haben – auch solche, die vorher gegen die Buga waren. Da hat bei manchen ein riesiger Umdenkungsprozess stattgefunden, das erfüllt einen mit Stolz.
Hatten Sie manchmal wegen Spinelli etwas Bammel, das ist ja doch ein sehr weitläufiges Gelände und ein brutaler Kontrast zum Luisenpark.
Spinelli muss man erklären. Ich bin mittlerweile auch davon überzeugt, dass es eine Art von Park ist, wie er künftig in Städten entstehen wird. Der Luisenpark wird nicht mehr funktionieren. Diese Dichte an wachsenden Gehölzen, Gebüschen, Sträuchern, Rasen und Bäumen können sie für viel Geld gar nicht mehr anlegen, weil es der Boden nicht mehr hergibt. Der Pflegeaufwand für den Luisenpark ist fast zehn Mal so hoch, wie er auf Dauer auf Spinelli sein wird.
Gab es auch etwas, das Sie persönlich überrascht hat?
Ja, die extrem vielen Menschen, die vorher noch nie Seilbahn gefahren sind. Oder auch, wie die Kirchen die Plattform Buga unter freiem Himmel angenommen haben. Ich habe mich zu der Aussage hinreißen lassen: Wenn die beiden christlichen Kirchen immer so wären, hätten sie wahrscheinlich keine Probleme. Alle Plätze waren besetzt, viele Menschen standen noch außen herum.
Angenommen, wir sitzen in einem Jahr wieder zusammen. Was würden Sie sich wünschen von Buga-Gästen, was soll hängen bleiben?
Bei jeder Führung sage ich: Wir sind mehr als eine Gartenschau, mehr als ein Sommerfest, mehr als Stadtentwicklung. Wir wollen die Menschen rund um das Thema Nachhaltigkeit inspirieren und motivieren. Wenn es gelungen ist, dass jeder Gast nur einen kleinen Baustein mitgenommen und umgesetzt hat, dann haben wir, glaube ich, einen Riesenschritt gemacht. Ich merke das bei uns im Haus, was das bei den Mitarbeitern bewirkt hat. Essgewohnheiten haben sich verändert oder es entstand mehr Achtsamkeit fürs Licht ausmachen.
Am Sonntag endet die Gartenschau, anschließend beginnt auf Spinelli der Rückbau. Wie kann man sich das vorstellen?
Wir wollen den Zaun auf Seiten des Klimaparks ganz schnell zurückbauen, und dann können wir diesen Teil schon recht zügig an die Stadt übergeben. Im anderen Feld ist es mehr ein Umbau. Wir müssen zumindest den leeren Kongresssaal herstellen, um im Bild einer Veranstaltung zu bleiben. Wir bauen sämtliche Ausstellungsbeiträge von den Gärtnern und Baumschulen sowie temporäre Bauten ab und zurück und dann geht es daran, den Boden auszutauschen. Das sind künftig keine fetten Böden, die man vielleicht noch bewässern müsste, sondern eher Magerrasen. Dazu wird ein spezielles Saatgut eingesetzt. Die U-Halle wird auf die Tragwerkskonstruktion zurückgebaut, auch der eine oder andere Weg wird noch verschwinden. Wenn wir damit fertig sind – voraussichtlich im nächsten Sommer –, werden wir auch dieses Gelände der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Wann kommen die ersten der gepflanzten Bäume von Spinelli in die Stadt?
Es werden circa 600 bis 800 in diesem Winter sein und dann noch einmal etwa genau so viele in der nächsten Pflanzungsperiode ab September 2024.
Oberbürgermeister Christian Specht sagte, vielleicht könne man das eine oder andere von der Buga noch retten. Wissen Sie da mehr?
Ja. Wir versuchen, einen Lernort für die Mannheimer und die Menschen aus der Region zu erhalten, und denken an eine Fläche, zum Beispiel in der U-Halle, wo wir Veranstaltungen zum Local Green Deal stattfinden lassen können. Und wir überlegen, den Beitrag der Klima-Arena oder einen der Nachhaltigkeitsgärten zu behalten. Wir denken auch darüber nach, die Staudenbeete, die wir in die Wege eingefräst haben, doch nicht zurückzubauen. Dort hatten wir zuvor Beton rausgenommen, und die Stauden sind in der Regel sehr pflegeleicht.
Was machen Sie denn am Montag?
Mich mit meinem Team um 9 Uhr treffen, wahrscheinlich die eine oder andere Träne gemeinsam vergießen. Ansonsten freue ich mich auf das Wochenende darauf und am Freitagmittag mal pünktlich nach Hause zu kommen.
Sie sind seit Frühjahr auch Chef der Parkbetriebe, also des Luisen- und des Herzogenriedparks. Wann legen Sie da richtig los?
Ende Oktober werden wir auch im Luisenpark wieder öffnen. Ich bin gerade daran, mit Blick auf 2025 – dann wird die Anlage 50 Jahre alt – dem Thema Kultur mehr Stellenwert zu verleihen. Bis Ende nächsten Jahres läuft parallel noch mein Vertrag als Geschäftsführer der Bundesgartenschau. In die Zeit fällt der Rück- und Umbau von Spinelli.
Der Streit um das Awo-Ballett: Weder die geschlossene Unterwasserwelt, noch die relativ gehobenen Preise für Speisen und Getränke haben für den Buga-Aufreger gesorgt – nein, es war der Tanz des Awo-Balletts. Eine Gruppe von Seniorinnen wollte auf der Buga eine getanzte Weltreise unternehmen – in ihren Augen für jedes Land passend in Schale geworfen. Ein paar dieser Kostümierungen sorgten bei den Buga-Verantwortlichen jedoch für Alarm, sie erschienen allzu klischeehaft.
Der Begriff "Kulturelle Aneignung" stand im Raum. Man bat die Frauen, das eine oder andere Outfit zu überdenken. Es ging unter anderem um einen Sombrero und einen Kimono nebst Geisha-Perücke. Das wollten sich die Damen nicht gefallen lassen und gingen an die Öffentlichkeit. Laut eigener Aussage hatten sie allerdings nicht mit einer deutschlandweiten Resonanz des "Sombrero-Eklats" gerechnet.
Eine Welle der Entrüstung brach über die Buga herein, bevor sie richtig losging. Die Seniorinnen erhielten viel Zuspruch frei nach dem Motto "Das wird man doch wohl noch machen dürfen!". Am Ende stand ein Kompromiss: Das Awo-Ballett stimmte leicht veränderten Outfits zu, an die Premiere sollte sich eine Diskussionsrunde zu Stereotypen anschließen. Die fand dann aber zu einem späteren Zeitpunkt statt – und erhielt weit weniger Beachtung.




