Das Buch "Mannheim – Mittelpunkt der Welt"
Robert Patrick Martin veröffentlicht ein Buch über seine Heimatstadt.

Von Harald Berlinghof
Mannheim. Die moderne Mobilität ist eine Mannheimer Erfindung. Carl und Bertha Benz, Heinrich Lanz und Erwin Huber, Julius Hatry und sein Pilot Fritz von Opel. Nicht zu vergessen: Werner von Siemens. Namen, die eng verbunden sind mit dem ersten Auto, der ersten Fernfahrt mit der Benz-Benzinkutsche, dem Traktor, dem Raketenflugzeug oder dem ersten elektrischen Aufzug. Aber das alleine reicht noch nicht, um Mannheim zum Mittelpunkt der Welt zu erklären. Auch Namen wie Mozart, Schiller und Goethe reichen dazu nicht aus. Trotzdem versucht es Robert Patrick Martin in seiner Neuveröffentlichung "Mannheim – Mittelpunkt der Welt".
Das weitgespannte Panorama über die Quadratestadt, das sich historisch, sozialkritisch und tagesaktuell mit der Heimat des Buchautors auseinandersetzt, kommt augenzwinkernd und kurzweilig daher. Jeder mag in seiner Heimatstadt, die er besser kennt als viele "Noigeplackte", die Wurzeln seiner Existenz ergründen. Zum Anspruch, der Mittelpunkt der Welt zu sein, muss man dabei nicht zwangsläufig greifen. Aber man darf.
Wo das Spaghetti-Eis erfunden wurde, kann man durchaus einen besonderen Platz vermuten. Die Mannheimer Schule, der Mozart viel verdankte, war im Zeitalter des Spätbarock tatsächlich etwas ganz Besonderes. Wo ein politisch Verfolgter wie Friedrich Schiller in einem großen Theater seine "Räuber" uraufführen durfte, muss ein gewisser Freigeist zu Hause sein, der jedem Mittelpunkt der Welt gut zu Gesicht stünde. Und wo ein alter "Waldhofbu" namens Seppl Herberger 1954 die Fußballwelt in Erstaunen versetzte, als er mit der deutschen Nationalmannschaft in der Nachkriegszeit sensationell Fußball-Weltmeister wurde, da muss der Äther einen ganz besonderen Stoff enthalten.
Bars und Kneipen wie die "Onkel Otto Bar" oder "Zum Freistoß" spiegeln ein Rotlichtmilieu wieder, das in vielen Städten dieser Erde ebenfalls seinen Platz hat. Oft im Dunklen und Verborgenen. Die Filsbach und der Jungbusch in Mannheim sind heute angesagt und "in". Tiefpunkte im "Nabel der Welt", wie Martin Mannheim bezeichnet, gibt es woanders zu suchen: Im Fleischversorgungszentrum mit seiner alltäglichen Grausamkeit, im Müll, der überall – nicht nur in Mannheim – herumliegt, und im Nazitaumel, der sich während der Hitlerdiktatur auch in Mannheim austobte.
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Doch zwei Straßen in Mannheim heißen "Frischer Mut" und "Neues Leben". Diesem Motto folgt Martin nur zu gern. Der Mannheimer Charakter und die Kurpfälzer Mentalität lassen sich seit einiger Zeit auch im Privatfernsehen in einer Sozialdoku-Serie namens "Hartz und herzlich" erkennen, die im berüchtigten Stadtteil Waldhof gedreht wird. Elvis, einer der Hauptakteure des gezeigten Lebens in den Benz-Baracken, wurde zur Fernsehrbekanntheit. Aber er hat den "Mittelpunkt der Welt" verlassen. Wie schrullig muss man dafür eigentlich sein? "Monnem vorne", heißt es doch. Aber nicht, wenn man in den Mannheimer Benz-Baracken lebt. Doch auch das gehört zum "Nabel der Welt" dazu, dem modernen Mesopotamien.
"Mesopotamien bedeutet Zweistromland", sagt der Autor Martin. Mannheim ist auch ein kultureller Schmelztiegel mit hohem Migrationsanteil in der Bevölkerung und einem guten Integrationserfolg. Diese Toleranz gegenüber jedermann zeigt sich auch darin, dass die Stadt außer dem Dichter Schiller und dem Reichskanzler Bismarck auch der Kultfigur des behinderten "Blumepeters" und den im Hafen arbeitenden mittellosen Sackträgern des letzten Jahrhunderts Denkmäler in Bronze gestiftet hat.
Carl Benz gibt es dagegen nur in Muschelkalk. Im Quellenverzeichnis des Buchs zitiert Martin unter anderem auch aus Artikeln, die in der RNZ erschienen sind.