Sperrzeiten in Heidelberg

Zur Geisterstunde soll der Spuk in den Kneipen enden

31 Anwohner strengen Normerlassklage an - Am Wochenende wäre um 1 Uhr Schluss

21.09.2018 UPDATE: 22.09.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden

Der "Reichsapfel" in der Unteren Straße liegt mitten in dem Bereich der Altstadt, über dessen Sperrzeiten seit Jahren gestritten wird. Aktuell dürfen die Kneipen hier werktags bis 1 Uhr öffnen. Bald könnte eine Stunde früher Schluss sein. Foto: Hoene

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Die Kneipen in der östlichen Altstadt sollen künftig unter der Woche bereits um Mitternacht und am Wochenende um 1 Uhr schließen. So sieht es eine Normerlassklage vor, die Rechtsanwalt Werner Finger am Donnerstag für 31 Anwohner zum Verwaltungsgericht Karlsruhe eingereicht hat.

Dass die Klage kommen wird, war klar, seitdem der Gemeinderat am 24. Juli dieses Jahres neue Sperrzeiten beschlossen hat. Seitdem dürfen die Wirte ihre Gäste in den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ihre Gäste bis 1 Uhr bewirten, in der Nacht auf Freitag bis 3 Uhr und am Wochenende bis 4 Uhr.

"Ziel unserer Klage ist es, Sperrzeiten zu erwirken, die eine angemessene Nachtruhe in der Altstadt gewährleisten", so Finger. Mit den beantragten Uhrzeiten sei aber auch eine gelebte Gaststätten- und Kneipenkultur in der dicht bewohnten Altstadt möglich. Finger: "Es werden wieder Sperrzeiten gelten, wie es bereits über mehrere Jahrzehnte in der Heidelberger Altstadt der Fall war, wie etwa zwischen 1970 und 2000."

Die aktuell geltende Satzung verstoße in der Sichtweise der Kläger hingegen gegen das Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, der im Frühjahr die bis dahin geltende Regelung - von 2 Uhr werktags (außer donnerstags), 4 Uhr in den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag - für rechtswidrig erklärt hatte. Da es in der Altstadt nachts zu laut sei, sei die Gesundheit der Anwohner gefährdet, so die Begründung.

Auch interessant
Sperrzeiten in Heidelberg: So müssen die Kneipen in der Altstadt demnächst schließen (Update)
Sperrzeiten in Heidelberg: Lärmgeplagte Heidelberger Bürger ziehen erneut vor Gericht
Nachtleben: Heidelberg verzichtet auf Nachtbürgermeister
Sperrzeiten in Heidelberg: Anwohner sind entsetzt über Entscheidung
Sperrzeiten in Heidelberg: Jetzt drohen auch die Wirte mit dem Anwalt
Heidelberger Altstadt: Kneipenwirte wollen die Öffnungszeiten nicht ausreizen

"Die von uns vertretenen Altstadtbewohner hatten gehofft, dass sich der Gemeinderat an die klaren Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim hält", betont Finger. Seine Mandanten repräsentierten einen Querschnitt der Gesellschaft.

Zu ihnen gehörten Handwerker, Musiker, Hochschullehrer, Freiberufler, Beamte sowie Studenten, "die allesamt seit vielen Jahren und Jahrzehnten die Altstadt als lebenswerten Stadtteil und Lebensraum mitgestalten". Ihnen ginge es nicht darum, junge Menschen am Feiern zu hindern. "Ein Recht darauf, jede Nacht bis in die frühen Morgenstunden vor den Fenstern der Schlafzimmer unserer Mandanten mit unvergleichbarer Rücksichtslosigkeit zu feiern, gibt es jedoch nicht."

Begrüßenswert sei es aus Sicht der Altstadtbewohner, dass mit neuen Sperrzeiten möglicherweise wieder Clubs und Diskotheken außerhalb der Altstadt in lärmunempfindlichen Bereichen entstehen, die in den letzten Jahren mit der Partymeile in der Altstadt nicht mehr konkurrieren konnten.

Dem Rechtsamt der Stadt Heidelberg kommt nun die undankbare Aufgabe zu, die vom Gemeinderat beschlossene Sperrzeitsatzung vor Gericht zu verteidigen. Dabei hatte die Verwaltung den Stadträten viel strengere Kneipenöffnungszeiten vorgeschlagen: werktags bis 1 Uhr und am Wochenende bis 3 Uhr.

Die Mehrheit hatte sich aber darüber hinweggesetzt und dafür andere Maßnahmen, die den nächtlichen Lärm mindern sollen, beschlossen. Demnach soll unter anderem ein Lärmbeauftragter eingesetzt werden, der sich um die Belange von Wirten, Anwohnern und der Verwaltung kümmert. "Wer diese Aufgabe übernimmt, beziehungsweise wo sie organisatorisch angesiedelt sein wird, steht aber noch nicht fest", so eine Stadtsprecherin.

Die Stadt hat nach Eingang des Schriftsatzes vier bis sechs Wochen Zeit, um die Klage zu erwidern. "Ich gehe davon aus, dass wir darauf noch einmal antworten müssen", erklärt Rechtsanwalt Finger das weitere Prozedere. Danach werde das Verwaltungsgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung ansetzen. Noch habe er keinen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, so Finger weiter.

Mit solch einem Antrag könnte er das Verwaltungsgericht auffordern, bis zur endgültigen Entscheidung die von den Klägern geforderten Sperrzeiten jetzt schon festzusetzen. Ob die 31 Anwohner so weit gehen wollen, hänge davon ab, wann mit einem Termin zur mündlichen Verhandlung gerechnet werden könne.

Letztendlich werde in Karlsruhe nur über den konkreten Antrag der Kläger entschieden, so Finger weiter. "Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen von den Anträgen abweichenden Vorschlag unterbreiten könnte, dem dann aber die Kläger zustimmen müssten."

Die von der RNZ befragten Altstadtwirte halten die Forderung der Kläger für völlig überzogen. Sie wollen ihr weiteres Vorgehen nun aber erst einmal besprechen und dann in der kommenden Woche eine Stellungnahme abgeben.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.