Schulwege in Heidelberg

Die Bergheimer Straße ist die gefährlichste der Stadt

Sicherheitsauditor legt Zwischenergebnis vor - Bergheimer Straße "funktioniert nicht" - Letztes Jahr 750 Schulweg-Unfälle in der ganzen Stadt

12.12.2017 UPDATE: 13.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Auf der Bergheimer Straße passiere einfach zu viel gleichzeitig, bemängeln die beiden Experten Jens und Tanja Leven: schnelle Straßenbahnen, fehlende Abbiegemöglichkeiten für Radler, Tempo 30, das oft nicht eingehalten wird, und viele kreuzende Fußgänger. Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Fünf Stadtteile sind komplett ausgewertet - und zwei Straßen fallen besonders negativ auf: die Bergheimer Straße und die Plöck. Das sind für Sicherheitsauditor Jens Leven vom Büro für Forschung, Entwicklung und Evaluation (Bueffee) die gefährlichsten Strecken für Kinder und Senioren in der Innenstadt. In der Kantine der Stadtwerke stellte Leven den Kinderbeauftragten und Elternvertretern einen Zwischenbericht vor. Ein Ergebnis der Untersuchung: Während die Polizei jährlich in der ganzen Stadt nur 50 Unfälle auf Schulwegen registriert, sind es in Wahrheit mindestens 750. So viele Schüler gaben nämlich bei der Befragung an, dass sie in den letzten zwölf Monaten nach einem Unfall einen Arzt aufsuchen mussten.

"Wir sind sehr stolz, dass wir das Sicherheitsaudit machen dürfen", sagt Verkehrsmanager Alexander Thewalt, als er zusammen mit Leven die Ergebnisse vorstellt. Auch der Gutachter betont, dass die umfassende Untersuchung bundesweit einmalig sei. Thewalt hofft nun, dass die Laufzeit für das Projekt verlängert wird. Der Gemeinderat stellte bislang Geld für zwei Jahre zur Verfügung, doch allen Beteiligten ist klar: Die Zeit reicht nicht. Das liegt auch daran, dass Leven in aktuelle Planungen eingebunden wird. Und nun wurden am gestrigen Dienstag auch noch zwei Kinder in Kirchheim angefahren.

Hintergrund

Das Sicherheitsaudit ist auf zwei Jahre ausgelegt. Der Gemeinderat gab im Herbst 2016 dafür grünes Licht. Bei dem Gutachten des Wuppertaler Büros für Forschung, Entwicklung und Evaluation (Bueffee) geht es um die Verkehrssicherheit von Kindern und Senioren -

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Das Sicherheitsaudit ist auf zwei Jahre ausgelegt. Der Gemeinderat gab im Herbst 2016 dafür grünes Licht. Bei dem Gutachten des Wuppertaler Büros für Forschung, Entwicklung und Evaluation (Bueffee) geht es um die Verkehrssicherheit von Kindern und Senioren - konkret also um Schulwege sowie die Situation vor Kindergärten und Einrichtungen für Ältere.

Um schwierige Stellen zu finden, wurden alle Eltern von Heidelberger Grundschulen aufgefordert, Schwachstellen aufzuzeigen; die Kinder und Jugendlichen an weiterführenden Schulen wurden direkt befragt. Diese Phase der Untersuchung ist fast abgeschlossen: Nur die neue Graf-von-Galen-Schule in der Bahnstadt fehlt noch. Dort startet die Befragung voraussichtlich im Januar.

In einem zweiten Schritt gibt es Begehungen mit Betroffenen. Jens und Tanja Leven werten aber auch die Unfallstatistiken aus und machen sich selbst vor Ort ein Bild. Schon während der Laufzeit des Audits werden Verbesserungsvorschläge sofort umgesetzt. Ein Schwerpunkt ist dabei, das Gehwegparken zu verhindern. hob

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> Der aktuelle Stand: Die Elternbefragung an den Grundschulen ist fast abgeschlossen. Der Rücklauf bei den Fragebogen liegt zwischen 50 und 60 Prozent. Das sei der Durchschnitt auch bei ähnlichen Untersuchungen. Allerdings waren Nico Rathmann, der beim Amt für Verkehrsmanagement für das Audit zuständig ist, und Leven von der Qualität der Antworten überrascht. Die Eltern schickten viele Fotos und Anhänge mit. In fünf Stadtteilen ist das Audit bereits abgeschlossen: Altstadt, Weststadt, Bergheim, Neuenheim und Handschuhsheim. Von dort gingen knapp 2000 Hinweise von Eltern ein.

> Das Mobilitätsverhalten in Heidelberg ist sensationell: Während Wuppertal, Levens Heimatstadt, zum Beispiel eine Elterntaxi-Rate von rund 40 Prozent hat, bringen in Heidelberg nur 16,8 Prozent der Mütter und Väter im Sommer ihren Nachwuchs mit dem Pkw zur Grundschule. Im Winter sind es 20,7 Prozent. An der Ebert-Grundschule liegt die Quote sogar unter fünf Prozent, die meisten Grundschüler gehen zu Fuß. An weiterführenden Schulen ist hingegen das beliebteste Verkehrsmittel das Fahrrad: 31,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen steigen im Sommer in den Sattel, 25,8 Prozent setzen sich in die Straßenbahn, 22,8 Prozent in den Bus. Für Leven heißt das: Um die Verkehrssicherheit für Grundschüler zu verbessern, müssen die Fußwege optimiert werden, für Gymnasiasten, Real- und Hauptschüler die Radwege.

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: Ist die Bergheimer Straße gefährlich?

> Levens Unfallstatistik bestätigt diese These. Bei 750 verletzten Kindern passierten die meisten Unfälle mit dem Rad: 65 Prozent. Fast 30 Prozent davon stürzten ohne Fremdeinwirkung. Aber in 35 Prozent waren Autos beteiligt.

> 1200 Defizite hat Leven in den bisher untersuchten Stadtteilen entdeckt. Vieles lässt sich schnell verbessern. So müssen zugewachsene Schilder freigelegt oder Straßenmarkierungen angebracht werden, um Autofahrern deutlich zu zeigen, dass sie im Kreuzungsbereich oder in der Nähe von Zebrastreifen nicht parken dürfen. 60 bis 70 Prozent der vorgeschlagenen Maßnahmen seien Kleinigkeiten, schätzt Leven.

> Der objektiv gefährlichste Stadtteil ist für Leven Bergheim. Obwohl die Eltern dort nur sieben Problemstellen identifizierten, geschehen dort die meisten Unfälle. "Die Bergheimer Straße ist ein Straßenraum, der einfach nicht funktioniert", so der Auditor. Dort passiere zu viel auf einmal: beschleunigte Straßenbahn, fehlende Abbiegemöglichkeiten für Radler, Tempo-30-Zone, viele Fußgänger, die die Straße kreuzen.

> Viel zu viel los sei auch in der Plöck, so Leven. Sie sollte vom Verkehr entlastet werden. Er begrüßt die Pläne der Stadt für einen Radweg in der Ebert-Anlage.

> Wie geht es weiter? Als Nächstes nimmt Bueffee den Pfaffengrund unter die Lupe, weil dort derzeit gebaut wird. Nächstes Jahr startet auch die Befragung an den Seniorenzentren. Zudem soll eine Prioritätenliste erstellt werden, die nach Zustimmung des Gemeinderats sukzessive abgearbeitet werden kann. Leven schlägt eine Priorisierung nach Unfallhäufigkeit vor, Schulwege sollten Vorrang haben vor Nebenstrecken.

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