PHV Heidelberg

Vor allem Familien aus der Türkei kommen im Ankunftszentrum an

Mehr als 200 Neuzugänge täglich sind eine "herausfordernde Situation". Aktuell sind rund 2600 Plätze belegt. Die Verfahren wurden bereits deutlich beschleunigt.

03.11.2023 UPDATE: 03.11.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 27 Sekunden
Derzeit sind rund 2600 Menschen in der Landeseinrichtung in Patrick-Henry-Village untergebracht. Im Durchschnitt bleiben sie dort aber nur noch zwei bis drei Wochen. Foto: Philipp Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Dutzende Menschen sitzen an einem Donnerstagmittag in der Turnhalle der ehemaligen US-Schule in Patrick-Henry-Village auf Holzbänken zwischen Absperrgittern. Auf einem bunten Teppich in einer Ecke spielen eine Handvoll Kinder, die meisten Geflüchteten dort wirken jedoch erschöpft. Sie alle sind in den letzten Stunden oder Tagen neu angekommen im Ankunftszentrum für Geflüchtete des Landes und warten nun darauf, registriert und untersucht zu werden und ihren Asylantrag stellen zu können.

Es herrscht ein geschäftiges Treiben in der Halle, Mitarbeiter und Geflüchtete gehen von Schalter zu Schalter. "Normalerweise ist noch viel mehr los", erklärt Matthias Seeger, der Leiter der Einrichtung. Aber die meisten Anträge würden gleich vormittags bearbeitet. Später sei es etwas leerer.

Die Registrierhalle im Ankunftszentrum am Donnerstag letzte Woche. „Normalerweise ist noch viel mehr los“, erklärt Leiter Matthias Seeger. Foto: Philipp Rothe

Über eine zu geringe Auslastung kann sich in der Landeseinrichtung in der ehemaligen US-Siedlung derzeit niemand beklagen. In jedem einzelnen Monat in diesem Jahr kamen mehr Menschen dort an als im Vergleichsmonat 2022 – und das war bereits ein Jahr mit sehr hohen Zugangszahlen. Über 200 Neuzugänge an einem Tag sind hier im Südwesten Heidelbergs in diesem Herbst keine Seltenheit, landesweit kamen an manchen Tagen mehr als 500 Menschen an.

"Die Registrierungsteams haben zeitweise Wochenendschichten eingelegt, um hinterherzukommen", berichtet auch Katja Hepp, die seit Juni für die Erstaufnahme im Land zuständig ist (siehe unten). Das seien durchaus "herausfordernde Zeiten" für alle. "Man weiß oft nicht, wie man durch die nächsten Wochen kommt. Aber bisher ging es immer gut." Auch weil die Mitarbeiter viele Überstunden gemacht hätten. "So hohe Zahlen sind auf Dauer nicht haltbar."

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Derzeit sind es vor allem Familien aus der Türkei, darunter viele Kurden, die in PHV ankommen. "Die machen aktuell etwa 40 Prozent der Zugänge aus", so Hepp. Deshalb sind auch so viele Kinder im Zentrum. Es folgte mit großem Abstand Syrien und dann erneut mit Abstand Afghanistan, der Balkan und Georgien.

Aus afrikanischen Ländern komme aktuell kaum jemand. Auch Ukrainerinnen und Ukrainer fliehen zwar immer noch in großer Zahl vor dem Krieg in ihrem Heimatland – sie werden jedoch nicht in Heidelberg registriert und aufgenommen.

Trotz der durchgängig hohen Zahl ist die Lage im Ankunftszentrum derzeit vergleichsweise entspannt. "Wir haben es aktuell sehr gut im Griff", zeigt sich Hepp stolz. Das liegt einmal daran, dass das Zentrum im vergangenen Jahr vergrößert wurde und nun bei maximaler Belegung Platz für bis zu 3500 Menschen bietet. Das seien jedoch Notkapazitäten, wie Hepp betont: "Wir haben es bisher immer geschafft, klar drunter zu bleiben."

Vergangene Woche waren dort etwa 2600 Menschen untergebracht. Landesweit seien die Kapazitäten 2022 auch ausgebaut worden – von 6000 auf 13.000 Plätze –, darunter finden sich aber auch temporäre Unterkünfte wie Messehallen, die man nicht dauerhaft nutzen kann und will. "Das war enorm wichtig. Mit 6000 Plätzen wären wir in diesem Jahr in keinem Monat ausgekommen."

Noch wichtiger als die Plätze im Ankunftszentrum ist für Hepp und ihr Team aber die Verweildauer der Menschen dort. Die lag jahrelang durchschnittlich immer bei sechs bis acht Wochen. Heute sind es nur noch zwei bis drei Wochen, bis die Menschen auf die Stadt- und Landkreise verteilt werden, wo sie dann meist in Sammelunterkünften untergebracht werden.

Dass viele Kommunen da keine Plätze mehr frei haben und es auch an Integrationskursen und Personal vor Ort mangelt, ist Hepp bewusst. Sie betont jedoch: "Wir sind darauf angewiesen, dass wir Menschen an die Stadt- und Landkreise abgeben können." Denn bei über 200 Zugängen am Tag laufe die Einrichtung sonst schnell voll.

Es gebe jedoch erste Anzeichen dafür, dass die Zeit der größten Zugänge für dieses Jahr vorbei sein könnte. Vergangene Woche seien die Zugangszahlen mal nicht gestiegen, sondern leicht gesunken, so Hepp. Daraus könne man so früh noch keinen Trend ablesen – schließlich hingen Fluchtbewegungen von ganz vielen Faktoren ab, die sich schnell ändern könnten. "Aber es wäre gut, wenn es so wäre."



Katja Hepp ist seit Sommer für das Ankunftszentrum zuständig

Das Ankunftszentrum in Patrick-Henry-Village hat eine neue Chefin: Katja Hepp hat im Juni die Nachfolge des langjährigen Leiters, Markus Rothfuß, angetreten. Seitdem ist die Juristin für die Aufnahme von Geflüchteten im Land verantwortlich und damit auch für die Heidelberger Einrichtung – und das in einer Zeit mit durchgängig hohen Zugängen. "Das ist eine sehr dynamische Aufgabe", erklärt sie im Gespräch mit der RNZ. "Aber es ist auch sehr spannend, und ich habe ein tolles Team."

Das neue Führungsduo im Ankunftszentrum: Katja Hepp und Matthias Seeger. Foto: Rothe

Die 45-Jährige Hepp stammt aus der Pfalz, lebt jedoch seit zwölf Jahren mit ihrer Familie in Karlsruhe. Nach ihrem Jura-Studium arbeitete sie zunächst als Anwältin, wechselte später in die Verwaltung. Beim Regierungspräsidium Karlsruhe war sie im Umweltschutzbereich tätig. Nach einem Intermezzo im Landesumweltministerium kehrte sie zurück zum RP – nun jedoch in den Bereich Aufnahme, Unterbringung und Verteilung von Geflüchteten. Vor dort war der Wechsel zur Leitung des Referates 93 – "Ankunftszentrum, Aufnahme, Ausländerbehörde" – nicht mehr weit.

Den Schritt vom Wirtschaftsrecht in die Verwaltung hat die Karlsruherin nie bereut: "Ich fühle mich hier viel wohler!" Als Anwältin habe sie vor allem Einzelinteressen verfolgt. "Hier geht es um das große Ganze."

Unterstützt wird Hepp in ihrer Arbeit von Stellvertreter Matthias Seeger. Der 41-Jährige arbeitet bereits seit Mai 2020 im Ankunftszentrum, kümmert sich vor allem um das operative Geschäft. Davor war er ebenfalls als Anwalt tätig.

Der ehemalige Polizist Markus Rothfuß, der jahrelang an der Spitze des Ankunftszentrums stand, wird die Einrichtung auch weiterhin begleiten. Der Heidelberger ist jetzt beim Justizministerium in Stuttgart als Referatsleiter für die Aufnahme von Geflüchteten zuständig.

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