Oberbürgermeister-Wahl Heidelberg

Wie wollen Würzner, Bauer und Michelsburg nun weitermachen?

Am Montag trafen sich alle relevanten OB-Kandidaten zu Gesprächen. Es geht darum, wer wen unterstützt und wer in drei Wochen zur Neuwahl antritt.

08.11.2022 UPDATE: 08.11.2022 06:00 Uhr 5 Minuten
Am Sonntag warteten die Kandidierenden gemeinsam im Großen Rathaussaal auf das Ergebnis des ersten Wahlgangs – seit Montag sondieren sie in vielen Gesprächen, wie es weitergeht. Unser Bild zeigt (v.l.): Alina Papagiannaki-Sönmez, Sofia Leser, Sören Michelsburg, Theresia Bauer und Amtsinhaber Eckart Würzner mit Ehefrau Janine. Foto: Rothe

Von Sebastian Riemer, Holger Buchwald, Denis Schnur und Philipp Neumayr

Heidelberg. Keiner der neun Kandidierenden bei der OB-Wahl hat am Sonntag die erforderliche absolute Mehrheit erreicht. Daher gibt es am Sonntag, 27. November, erneut einen Urnengang. Bei der Neuwahl reicht dann die relative Mehrheit: Als Oberbürgermeister gewählt ist also, wer die meisten Stimmen holt. Bereits diesen Mittwoch müssen die Kandidieren entscheiden, ob sie in knapp drei Wochen erneut antreten. Die RNZ hat sich umgehört, wie die Kandidaten jetzt weitermachen wollen.

> Eckart Würzner: "Ich habe noch großes Potenzial bei Grünen und SPD": Der Amtsinhaber ist am Montagnachmittag gut gelaunt. "Dieses Ergebnis von über 45 Prozent macht mich glücklich und dankbar. Das ist einfach ein enormer Vertrauensbeweis für meine Person und meine Arbeit", sagt der 61-Jährige. Dass nicht die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für ihn gestimmt hat, sieht er gelassen: "Dies als Wechselstimmung zu interpretieren, finde ich schon ziemlich schräg." Schließlich sei "die nächste Kandidatin nach mir", wie Würzner sagt, ohne Theresia Bauers Namen zu nennen, mehr als 17 Prozentpunkte hinter ihm. Er erkenne da keinerlei Wechselwillen.

Und Würzner meint: "Ich bin fest überzeugt, dass ich auch noch großes Potenzial bei Grünen und SPD habe." Viele Heidelberger, die den beiden Parteien nahestehen, hätten ihm signalisiert, dass sie im ersten Wahlgang "ihren" Kandidaten wählen würden, im zweiten aber ihn. Er spreche nun natürlich mit den anderen Kandidierenden, aber es gehe jetzt nicht darum, Koalitionen zu bilden oder irgendwelche Deals zu machen. "Das ist keine Bundestagswahl, wo Parteien danach über die Regierungsbildung verhandeln – sondern eine Persönlichkeitswahl."

Zum weiteren Vorgehen von SPD-Kandidat Sören Michelsburg sagt Würzner: "Wir sind in engem Kontakt." Und dann sagt er noch: "Ich finde es gut, wenn man sich für eine Kandidatur entschieden hat, dann auch im zweiten Wahlgang anzutreten." Auf die Nachfrage, ob das an Michelsburgs Adresse gehe, weicht Würzner aus: Natürlich entscheide jeder Kandidat das selbst. Klar ist: Würde Michelsburg erneut antreten, hätte Bauer im zweiten Wahlgang wohl keine Chance.

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> Theresia Bauer (Grüne): "Es gibt eine hauchdünne Mehrheit für den Wechsel": Nachdem sie eine Nacht über die Wahlschlappe geschlafen hat, gibt Bauer sich trotz des Ergebnisses von unter 30 Prozent weiter kämpferisch: "Ich bleibe dabei, dass es keine Mehrheit für den Amtsinhaber gibt, aber eine dünne Mehrheit für alle, die den Wechsel wollen." Erst auf mehrmalige Nachfrage, ob es nicht doch enttäuschend sei, dass sie als Grüne einzig in der Weststadt eine knappe Mehrheit erzielen konnte, gibt die 57-Jährige zu: "Ja, natürlich." Es warte noch viel Arbeit auf sie und ihr Wahlkampfteam.

Den Montag verbrachte Bauer schon damit, mit den anderen Kandidierenden zu sprechen. Das Ziel: Sie sollen ihren Wählern eine Empfehlung geben, im zweiten Wahlgang Grün zu wählen. "Es ist aber zu früh, um jetzt schon eine Wasserstandsmeldung durchzugeben." Die These, sie habe sich im Wahlkampf bisher vielleicht zu viel an Würzner abgearbeitet, anstatt auf positive Themen zu setzen, weist Bauer zurück: "Es gibt auch Stimmen, dass ich den Amtsinhaber noch viel härter und deutlicher ins Visier nehmen sollte."

Sie glaubt, dass das schlechte Ergebnis nicht an der inhaltlichen Ausrichtung des Wahlkampfes liegt. "Es gibt viele Menschen, die man weder über Podiumsdiskussionen, noch über soziale Medien erreicht: Deshalb müssen wir noch mehr raus, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen."

> Sören Michelsburg (SPD): "Im zweiten Wahlgang sollten die kandidieren, die eine Chance haben, OB zu werden": Eine wichtige Rolle kommt Sören Michelsburg und seiner SPD zu – als dritter Kandidat bei der Neuwahl in drei Wochen oder als potenzieller Königsmacher. Entsprechend schwer war der 34-Jährige, der 13,5 Prozent holte, am Montag zu erreichen. "Ich war den ganzen Tag in Gesprächen", sagt er, als die RNZ ihn ans Telefon bekommt, "innerparteilich, aber auch mit anderen Bewerberinnen und Bewerbern."

Mit Sofia Leser, Bernd Zieger, Angeliki Papagiannaki-Sönmez und Theresia Bauer hat er da bereits gesprochen, am Abend folgt Eckart Würzner. Wie es weitergeht? "Ich finde, im zweiten Wahlgang sollten die kandidieren, die eine Chance haben, OB zu werden", betont Michelsburg. "Würden sich viele hinter mir versammeln, würde das auch für mich gelten." Wirklich überzeugt davon wirkt er jedoch nicht.

Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen wollen Michelsburg und die SPD ohnehin erst am Dienstagabend auf einer nicht-öffentlichen Delegiertenkonferenz treffen. Dabei dürfte es vor allem darum gehen, ob die SPD sich bei der Neuwahl am 27. November für einen anderen Kandidaten ausspricht. "Wir müssen eine Lösung finden, hinter der ich und eine klare Mehrheit der Delegierten stehen", so Michelsburg. "Wenn es da keine klare Haltung gibt, gibt es auch keine Empfehlung."

> Sofia Leser: "Ich schließe niemandem die Tür": Die parteilose Sofia Leser, die mit 3,8 Prozent auf Platz vier landete, wollte sich auch am Montag nicht festlegen, ob sie erneut antritt. Für Montagabend hatte Theresia Bauer Leser und Alina Papagiannaki-Sönmez (Heidelberg in Bewegung; sie holte 1,5 Prozent) zum Gespräch geladen. Gegenüber der RNZ sagte Leser vor dem Treffen: "Ich bin offen für Dialog und schließe niemandem die Tür." Gleichzeitig betonte sie – wie im Wahlkampf zuvor – dass sie nicht vorhabe, Bauer zu unterstützen.

Größere Hoffnung auf die Unterstützung der 27-Jährigen darf sich dagegen SPD-Kandidat Michelsburg machen. In ihm sehe sie etwas, was ihr bei den anderen Kandidaten fehle: Michelsburg repräsentiere mehr die Mitte als es Bauer mit ihrer Politik tue, zudem arbeite er seit Jahren kommunalpolitisch in Heidelberg. Auch Leser selbst will dies laut eigener Auskunft über den 27. November hinaus tun: Sie will bei den Gemeinderatswahlen 2024 kandidieren.


Eine Analyse der OB-Wahl

Heidelberg. (dns/rie) Die meisten Beobachter sahen bei der OB-Wahl ein Duell auf Augenhöhe zwischen Amtsinhaber Eckart Würzner und Grünen-Herausforderin Theresia Bauer. Doch nach dem ersten Wahlgang geht Würzner, der 45,9 Prozent holte, als klarer Favorit in den zweiten Wahlgang am 27. November. Das Ergebnis von Sonntag zeigt, dass Oberbürgermeisterwahlen einer ganz anderen Logik folgen als Parlamentswahlen: Partei- oder Lager-Zugehörigkeiten sind viel weniger wichtig als Personen. Als Landtagskandidatin hatte Theresia Bauer im März 2021 noch fast 42 Prozent der Stimmen geholt – 27.607 Menschen wählten sie. Eineinhalb Jahre später holte sie jetzt als OB-Kandidatin nur noch 15.655 Stimmen – und damit 28,6 Prozent.

Würzner dagegen konnte auch Wähler überzeugen, die bislang Parteien wählten, die nicht hinter dem Amtsinhaber stehen. So holte Würzner in sechs Stadtteilen über 50 Prozent, im Emmertsgrund sogar 72,1 Prozent. Seine drei Unterstützerparteien CDU, FDP und "Heidelberger" kamen bei der Kommunalwahl 2019 dagegen gemeinsam nur auf 34,5 Prozent.

Hinzu kommt, dass Bauer die Grünen-Wähler in Heidelberg nicht ausreichend mobilisieren konnte. Die Wahlbeteiligung war am Sonntag mit 51,3 Prozent zwar relativ hoch für eine kommunale Wahl. Bei der Bundestagswahl 2021 lag sie jedoch 31 Prozentpunkte höher. Offenbar sind viele, die auf Landes- und Bundesebene ihr Kreuz bei den Grünen gemacht haben, nun gar nicht erst zur Wahl gegangen – oder haben Würzner, SPD-Kandidat Sören Michelsburg (der 13,5 Prozent holte) oder einen der "kleinen" Kandidaten gewählt. So dürfte auch die parteiunabhängige, junge Kandidatin Sofia Leser, die 3,8 Prozent holte, Bauer Stimmen gekostet haben.

Der Vergleich zur OB-Wahl 2006 zeigt: Bauer hat zwar knapp 600 Stimmen mehr erhalten als damals Caja Thimm, die als recht unbekannte Grüne gegen den damaligen Umweltdezernenten Würzner antrat. Da seitdem aber die Zahl der Wahlberechtigten um über 9000 gestiegen ist und die Wahlbeteiligung um fünf Prozentpunkte höher liegt, reichen Bauers 15.655 Stimmen nur für 28,6 Prozent – Thimm kam damals im ersten Wahlgang auf 33,6 Prozent. Zum Vergleich: Würzner konnte seine Stimmenzahl am Sonntag im Vergleich zu 2006 um fast 4000 steigern (erreichte damit aber 1,5 Prozentpunkte weniger als vor 16 Jahren).

Im zweiten Wahlgang werden drei Dinge wichtig: Erstens, wie gut es Bauer und Würzner gelingt, ihre Wähler nochmal zum Urnengang zu motivieren. Auf beiden Seiten könnten Anhänger zu Hause bleiben, die die Wahl für gelaufen halten. Zweitens, ob SPD-Kandidat Michelsburg noch einmal antritt. Und drittens, wem die Wähler Michelsburgs und der anderen sechs Kandidierenden dann ihre Stimme geben – falls sie überhaupt nochmal zur Wahl gehen.

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