Oberbürgermeister-Wahl Heidelberg

Von diesem Ergebnis ist selbst Würzner überrascht

Amtsinhaber Eckart Würzner gewinnt deutlich im ersten Wahlgang. Theresia Bauer sieht eine "Mehrheit für den Wechsel".

07.11.2022 UPDATE: 07.11.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 30 Sekunden
So sehen Kandierende aus, wenn Zwischenergebnisse bekannt gegeben werden. Foto: Rothe

Von Sebastian Riemer, Holger Buchwald, Philipp Neumayr und Julia Schulte

Heidelberg. Amtsinhaber Eckart Würzner hat den ersten Wahlgang bei der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag klar für sich entschieden, die absolute Mehrheit aber verfehlt. Mit 45,89 Prozent der Stimmen geht er als Favorit in die Neuwahl am 27. November. Die ehemalige baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) kam auf 28,61 Prozent und lag damit über 17 Prozentpunkte hinter Würzner.

Theresia Bauer lässt sich Zeit, bis sie in den Großen Rathaussaal zur Wahlpräsentation kommt. So lange, bis gegen 18.55 Uhr deutlich mehr als die Hälfte der Wahlbezirke ausgezählt ist und mit ziemlicher Sicherheit klar ist, dass Würzner mit seinen zu diesem Zeitpunkt 47,2 Prozent unter der absoluten Mehrheit bleibt. Zielsicher geht sie zu dem Stehtisch, um den viele Grüne stehen. Halb Mut machend, halb tröstend umarmt sie ihre Wahlhelferinnen und -helfer.

Euphorie dagegen im Würzner-Lager. "Wann gibt es das schonmal, dass in Heidelberg ein schwarzer Balken so sehr in die Höhe wächst?", kommentieren gleich mehrere CDU-Leute den Vorsprung Würzners in fast allen Stadtteilen – der auf der großen Leinwand im Rathaussaal in Schwarz dargestellt wird. Dass der Amtsinhaber, den die CDU seit 16 Jahren unterstützt, parteilos ist, spielt in diesem Moment für die strahlenden Christdemokraten keine Rolle.

Würzner wirkt gegen 18.40 Uhr selbst fast überrascht, als er breit lächelnd sein Ergebnis im Pfaffengrund – 58,7 Prozent – sieht: "Das ist ja eher ein roter Stadtteil, also das ist schon beeindruckend!" Dagegen holt Bauer in ihrem Heimatstadtteil nur 18 Prozent, SPD-Kandidat Sören Michelsburg 13,2 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt hat Würzner, nachdem rund die Hälfte der Wahllokale ausgezählt sind, noch eine absolute Mehrheit. "Ich hatte im Wahlkampf ein sehr gutes Gefühl", sagt er. "Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich das Ding schon im ersten Wahlgang gewinnen könnte."

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Lang sind die Gesichter unterdessen bei den Grünen. Sie wollen nicht ganz zu den Worten passen, die sie aussprechen. "Unser Ziel ist, dass Würzner unter 50 Prozent bleibt", sagt Grünen-Stadtrat Frank Wetzel gegen 18.25 Uhr, als der Amtsinhaber erstmals unter die Marke gerutscht ist.

Ähnlich äußert sich Bauer eine halbe Stunde später: "Ich kann jetzt noch nicht ins Detail gehen. Für mich zeichnet sich aber eine Mehrheit für den Wechsel ab." Entscheidend sei nun, ob diese Kräfte, die für einen Wandel an der Stadtspitze sind, ihre Kräfte bündeln. "Herausforderer haben es bei einer OB-Wahl immer schwer gegen Amtsinhaber", so der Grünen-Kreisvorsitzende Florian Kollmann. Auch er sagt: "Unser Ziel war es, einen zweiten Wahlgang zu erreichen, und das haben wir erreicht."

Theresia Bauer blickt im Großen Rathaussaal sichtlich enttäuscht auf die große Leinwand mit den Ergebnissen. Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner fiebert mit. Foto: Rothe

Als Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck um 19.50 Uhr das vorläufige amtliche Endresultat bekannt gibt, brandet bei Würzners Ergebnis Jubel auf. Als Odszuck Bauers Ergebnis vorliest, klatschen die Würzner-Unterstützer immer noch laut. Dann eine schöne Geste: Würzner, Bauer und Michelsburg, aber auch Bernd Zieger, Björn Leuzinger, Sofia Leser, Alina Papagiannaki-Sönmez und Sassan Khajehali schütteln alle einander die Hände.

"Ich freue mich riesig, bin superglücklich, das ist ein wahnsinnig gutes Ergebnis", sagt Würzner in seiner ersten Reaktion. Das Ergebnis sei "sehr eindeutig". Und er geht noch weiter: "Für meine Begriffe sind fast 46 Prozent eine ganz klare Aussage, dass Heidelberg will, dass ich weitermache."

Ausgelassene Stimmung in der Kulturbrauerei: Bei der Wahlparty reckt Oberbürgermeister Eckart Würzner die Faust in die Höhe. Rechts: seine Ehefrau Janine. Foto: Alfred Gerold

Die Grünen sehen das ganz anders – und sind zu diesem Zeitpunkt schon deutlich entspannter. Viele von der Grünen Jugend und der Grünen Hochschulgruppe bejubeln lautstark das Ergebnis ihrer Kandidatin. "Ich suche jetzt die Gespräche mit allen", wirbt Bauer für die Unterstützung der Kandidierenden, die nicht zur nun anstehenden Neuwahl am 27. November antreten wollen – in dieser gewinnt dann, wer am meisten Stimmen auf sich vereint.

"Was daraus wird, kann nicht ich entscheiden." Froh ist sie über die hohe Wahlbeteiligung von über 50 Prozent, zu der alle Bewerber beigetragen hätten. "Jetzt haben wir nochmal drei Wochen Zeit, um für den Wechsel zu werben." Die Ausrichtung ihres Wahlkampfes wolle sie aber nicht ändern.

Hintergrund

Das sagen die 6 weiteren Kandidierenden

Sofia Leser (parteilos) bekam 3,83 Prozent der Stimmen. "Ich bin sehr glücklich mit diesem Ergebnis. Das ist ungefähr das, womit ich gerechnet habe", sagte sie. Ob sie im zweiten Wahlgang noch einmal antritt, wisse sie

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Das sagen die 6 weiteren Kandidierenden

Sofia Leser (parteilos) bekam 3,83 Prozent der Stimmen. "Ich bin sehr glücklich mit diesem Ergebnis. Das ist ungefähr das, womit ich gerechnet habe", sagte sie. Ob sie im zweiten Wahlgang noch einmal antritt, wisse sie noch nicht – das wolle sie bis Mittwoch entscheiden. Zunächst wolle sie überlegen, ob sie am selben Abend noch bei den Grünen auflege.

Bernd Zieger (Die Linke) holte 3,64 Prozent der Stimmen. "Dass fast 2000 Wähler für mich gestimmt haben, ist ein solides Ergebnis. Es ging mir darum, Themen zu setzen. Das ist mir unter anderem mit dem bezahlbaren Wohnraum gelungen, darüber wurde in Heidelberg noch nie so viel gesprochen", erklärte Zieger. Im zweiten Wahlgang trete er nicht noch einmal an und wolle auch keinen anderen Kandidaten unterstützen.

Björn Leuzinger (Die Partei) sprachen 1,79 Prozent der Wähler das Vertrauen aus. "Ich habe einen klaren Regierungsauftrag erhalten", bewertete er das Ergebnis. Insgesamt zeige die Wahl, dass rund 46 Prozent der Wählerschaft unter dem Stockholm-Syndrom litten, erklärte Leuzinger. Im zweiten Wahlgang wolle er sich dann noch eindeutiger durchsetzen.

Angeliki Papagiannaki-Sönmez (HiB) überzeugte 1,46 Prozent der Wähler. "Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden", sagte sie am Wahlabend. "Es zeigt den Willen der Heidelbergerinnen und Heidelberger zur Veränderung." Wie sie weiter verfahre, wolle sie noch entscheiden.

Mathias Schmitz (parteilos) war der Favorit von 0,63 Prozent der Wähler. "Für mein Programm mit dem zugefrorenen Neckar und die getrennten Wahlkabinen nach Geschlecht hätte ich schon mehr Stimmen erwartet", gab er zu. Nun wolle er das Ergebnis genauer analysieren. "Im zweiten Wahlgang noch einmal anzutreten, macht für mich keinen Sinn."

Sassan Khajehali (parteilos) erhielt 0,50 Prozent der Stimmen. "Ich hätte mit dem Doppelten gerechnet", sagte er. Aber er habe erreicht, was er erreichen wollte: "Ich habe viele Menschen für die Wahl begeistert, insbesondere Migranten." Die Unterstützung eines anderen Kandidaten für den nächsten Wahlgang halte er sich offen. jul

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Freudestrahlend und unter lautem Jubel von rund 150 Unterstützern zieht Eckart Würzner um 20.18 Uhr in die Kulturbrauerei ein. Er boxt mit beiden Händen mehrmals in die Luft, umarmt und klopft auf Schultern. Zwei Minuten lang stehende Ovationen, dann setzt er zu einer dreizehnminütigen Rede an, die immer wieder von Applaus unterbrochen wird.

Würzner bedankt sich bei seinem Wahlkampfteam für die "großartige Unterstützung". Er dankt seinen engsten Helferinnen Nicole Huber und Aline Moser – und seiner Familie, allen voran seiner Frau Janine: "Du bist das Größte, was ich hab’." Selbst die Stadtteile, die sonst immer Grün wählten, hätten diesmal für ihn gestimmt, jubiliert Würzner. Bergheim, Altstadt, Wieblingen – all das "ist Eckart!". Er verspricht, auch im zweiten Wahlgang siegen zu wollen. Er und sein Team seien keine Sprinter, sondern Langstreckenläufer. "So", ruft Würzner seinen Anhängern am Ende zu, "können wir Heidelberg auch in die Zukunft führen!"

Etwas mehr als 50 Grüne harren auf der Wahlparty in der Halle 02 aus, als Theresia Bauer um 20.50 Uhr mit ihrem Pedelec ankommt. Als sie den Raum betritt, erheben sich ihre Anhänger. Etwas weniger als eine Minute Applaus für die Kandidatin. "Wir hätten uns ein anderes Ergebnis gewünscht", gibt Grünen-Kreischef Kollmann nun zu – und wiederholt dann: "Aber wir wollten eine Mehrheit für den Wechsel und die haben wir."

Und noch ein Ziel habe man erreicht: Theresia Bauer sei mit Abstand die Kandidatin mit dem besten Wahlergebnis im linken Lager. Diese Kandidatin selbst sagt dann: "Der Abstand zu Würzner hätte kleiner sein sollen. Aber ansonsten sind wir zufrieden. Er hat es auch mit viel Geld und Aufwand nicht geschafft, eine absolute Mehrheit zu bekommen."

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