Warum Cora Malik die Kritik an den Kritikern nicht unterschreibt
Veranstalter sehen Kritik als "Schlag ins Gesicht" - Chefin des Karlstorbahnhofs setzt auf Dialog

Heidelberg. (ani) Zwischen den Organisatoren von "Lust4Live" und einigen Stadträten ist ein Streit über die Jugendtauglichkeit des Festivalprogramms entbrannt. Das Programmkuratorium um Theaterintendant Holger Schultze, Kulturamtschefin Andrea Edel, Theaterdramaturgin Lene Grösch und Uschy Szott (Haus der Jugend) hatte mit einer deutlichen Stellungnahme ("Wir sind fassungslos") auf Kritik aus dem Haupt- und Finanzausschuss reagiert. Nur Cora Malik vom Karlstorbahnhof, die ebenfalls im Kuratorium saß, hatte nicht unterzeichnet.
Wieso nicht? Auf RNZ-Anfrage erklärt Malik: "Ich habe die unter Zeitdruck entstandene Gegendarstellung des Kuratoriums nicht unterzeichnet, da ich mir einen offenen und differenzierten Dialog zu diesem Thema wünsche." Lust4Live sei aus einem bestimmten Grund initiiert und vom Bund mit 500 000 Euro gefördert worden: "Um möglichst vielen professionellen Künstlerinnen und Künstlern vor Ort bezahlte Auftritte zu ermöglichen."
Dieses Förderkriterium habe die Bereitstellung von Angeboten "von jungen Kulturschaffenden für junge Menschen" erheblich eingeschränkt. Die Causa fördere ein kulturpolitisches Problem in Heidelberg zutage: "Nur sehr wenige junge Kulturschaffende können hier von ihrer Kunst leben." Die Erfahrung zeige, dass es viele Hoffnungsträger im entscheidenden Alter in Metropolen ziehe und viele der Verbliebenen nicht den Sprung in die Professionalität schafften. Der Karlstorbahnhof habe deshalb zuletzt einige Programme zur Professionalisierung von jungen Musikschaffenden aufgesetzt.
Malik wehrt sich auch dagegen, dass der Karlstorbahnhof in der Diskussion um das Lust4Live-Programm als Nachweis angeführt worden sei, dass die Interessen junger Menschen berücksichtigt wurden. "Unser Kulturangebot ist immer generationsübergreifend gedacht und wir haben uns mit dieser Überzeugung in das Kuratorium eingebracht." Und: "Wir als Haus möchten kein von ,Erwachsenen‘ ausgedachtes Kulturprogramm für junge Menschen schaffen, sondern eine echte Beteiligung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ermöglichen – sowohl kulturell als auch bei der Nutzung des öffentlichen Raums."
Update: Dienstag, 13. Juli 2021, 20.09 Uhr
Auch interessant
Jetzt kritisieren die Festival-Macher ihre Kritiker
Heidelberg. (RNZ) Die Macher des Festivals "Lust4Live" wehren sich gegen Kritik aus dem Haupt- und Finanzausschuss des Gemeinderats. Marilena Geugjes, Felix Grädler (beide Grüne), Sören Michelsburg (SPD) und Björn Leuzinger (Die Partei) hatten moniert, es gebe im Programm keine Angebote für Jugendliche. "Scheinbar haben diese Stadträtinnen und Stadträte sich das von ihnen scharf kritisierte Programm nie angesehen", steht in einer Stellungnahme von Heidelberg-Marketing-Chef Mathias Schiemer und den Mitgliedern des Programmkuratoriums, Holger Schultze (Theaterintendant), Andrea Edel (Kulturamtsleiterin), Uschy Szott (Haus der Jugend) und Lene Grösch (Theaterdramaturgie). Ein Name aus dem Kuratorium steht nicht unter der Stellungnahme: Cora Malik (Karlstorbahnhof).
Weiter heißt es: "Anders können wir uns nicht erklären, wie Felix Grädler als Geschäftsführer der Halle 02 Künstler wie Benjamin Punke, Hannes Bergström, DJ Robayo, DJ Twist oder Jaime Ramirez im ,Lust4Live’-Programm nicht als das von ihm geforderte Angebot für Unter-25-Jährige erkannt haben soll, obwohl sie allesamt regelmäßig in der Halle 02 zu Gast sind."
Die Macher reagieren auch auf die Kritik von Bülent Teztiker, besser bekannt als DJ Boulevard Bou, der im Festivalprogramm "wenig bis gar kein Angebot für junge Leute" sah. Sie schreiben: "Auch DJ Boulevard Bou scheint nicht aufgefallen zu sein, dass am Samstag mit DJ Mikileaks, Toni-L und Torch gleich drei Kollegen auf der Bühne von ,Lust4Live’ zu sehen waren, die zum selben Plattenlabel 360°Records gehören wie er selbst." Man habe in Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem Karlstorbahnhof, dem Streetart-Festival Metropolink, dem Poetry-Slam-Veranstalter "Word Up!" oder der Café Bar Friedrich "ganz dezidiert dafür gesorgt, dass Kultur für junge Menschen ein starkes Forum innerhalb des Festivals bekommt".
Die Vorwürfe seien daher "haltlos, destruktiv und ein Schlag ins Gesicht der über 300 freiberuflichen Künstlerinnen und Künstler". Als Festivalmacher sei man zu jedem Zeitpunkt der Vorbereitungen offen für Vorschläge von außen gewesen, doch leider habe sich keiner der jetzigen Kritiker "konstruktiv gemeldet".
Am Ende der Stellungnahme heißt es: "Im Sinne einer verantwortungsvollen Kommunalpolitik möchten wir die Stadträtinnen und Stadträte bitten, von inhaltlich falschen und kulturpolitisch spaltenden Äußerungen bezüglich ,Lust4Live’ abzusehen – und heißen sie herzlich willkommen, sich vorurteilsfrei vor Ort ein eigenes Bild zu machen!"



