Karlstorbahnhof Heidelberg

Die neue Chefin verspricht Kultur im Sommer

Cora Malik: "Keine Konzerte und Live-Erlebnisse: Das ist einfach befremdlich" - Masterplan aus Stuttgart bietet Perspektiven

17.05.2020 UPDATE: 18.05.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 33 Sekunden
Karlstorbahnhof-Geschäftsführerin Cora Malik in der ehemaligen Reithalle in den Campbell Barracks – dem zukünftigen Standort des Kulturhauses in der Südstadt. Der Umzug ist für 2021 geplant. Die Corona-Krise sorgt bisher nicht für Verzögerungen. Foto: Toscano

Von Anica Edinger

Heidelberg. Fast ihr ganzes Leben lang arbeitete Cora Maria Malik in der Kulturbranche. Am. 1. März übernahm sie die Geschäftsführung des Karlstorbahnhofs von Ingrid Wolschin. Gut zwei Wochen später kam das Coronavirus – und der Karlstorbahnhof blieb leer. Dass es jemals so weit kommen könnte, das hätte sich Malik wohl nicht in ihren schlimmsten Albträumen vorstellen können. Doch jetzt gibt es wieder eine Perspektive: Denn die Landesregierung hat in der vergangenen Woche einen "Masterplan Kultur" vorgelegt, der bald wieder kleinere Formate in Kulturhäusern zulassen könnte. Eine gute Nachricht für Cora Maria Malik, für den Karlstorbahnhof, für die Heidelberger. Ein Gespräch über Kultur in Zeiten des Shutdowns, über Konzerte mit Spuckschutz und unsichere Zeiten.

Frau Malik, zwei Wochen nach Ihrem Amtsantritt musste der Karlstorbahnhof schließen. Ihren Start haben Sie sich sicher anders vorgestellt...

(lacht) Ja, so war es, wir können uns der Realität nicht verschließen. Natürlich ist das ein sehr ungewöhnlicher Start. Aber so bin ich auch ziemlich schnell reinkatapultiert worden in die Strukturen im Hause. Ich habe direkt sehr viel gelernt, was die Abläufe angeht und wie die Zusammenarbeit mit dem Team funktioniert.

Die Kultur kam vom einen auf den anderen Tag völlig zum Erliegen. Festivals wurden abgesagt, kleine, private Live-Clubs stehen kurz vor dem Aus. Wie sieht Ihrer Meinung nach die Kulturstadt Heidelberg nach Corona aus?

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Ich glaube, dass sich die Stadt kulturell durchaus verändern wird – eben, weil Clubs und Live-Veranstaltungen es sehr schwer haben – und das auf unabsehbare Zeit. Deshalb ist es jetzt so wichtig, ihnen zu helfen.

Das Land hat für Kulturveranstalter vergangene Woche einen Masterplan vorgelegt. Demnach kann es wohl ab Juni wieder kleine Kulturformate mit bis zu 100 Besuchern geben. Ist das im Saal des Karlstorbahnhofs mit den Abstandsregeln überhaupt umzusetzen?

Nein, 100 Leute werden wir mit den aktuellen Abstandsregeln anfangs nicht hineinlassen können. Wir sind gerade dabei, zu errechnen, was wie möglich sein wird im Haus. Wir arbeiten auch an Open-Air-Formaten. Es wird also definitiv im Sommer Kultur bei uns geben.

Was halten Sie denn von dem Masterplan aus Stuttgart?

Ich begrüße das sehr und der Masterplan gibt uns ein erstes Gerüst, mit dem wir beginnen können zu planen. Das ist nach diesen ersten Wochen der Unsicherheit ein gutes Signal und etwas, mit dem wir arbeiten können. Zusätzliche Projektmittel sind im Masterplan des Landes ja auch angekündigt worden – jetzt werden wir unsere Konzepte auf die Gegebenheiten anpassen, inhaltlich und finanziell.

Müssen wir uns auf Konzerte mit Spuckschutz vor den Künstlern gefasst machen?

Ich hoffe es nicht. Aber die genauen Regeln müssen erst noch festgelegt werden – es ist also nicht auszuschließen.

Denken Sie, die Leute wagen sich in dieser unsicheren Zeit hinaus zu Veranstaltungen?

Auch das hoffe ich sehr – Isolation tut der Gesellschaft nicht gut, und wir werden eine Gemeinschaft mit Abstandsregeln üben müssen, das wird nicht von heute auf morgen gehen. Und dabei wollen wir es unserem Publikum so angenehm wie möglich machen, um Kultur bei uns stattfinden zu lassen. Alles ist anders, aber wir wissen ja, was wir unserem Publikum mitgeben möchten: Konzertmomente, Literatur, Theater, Diskussionen und Denkanstöße.

Gibt es ein Szenario, in dem aufgrund zu weniger Besucher eine erneute Schließung wirtschaftlicher wäre?

Dieses Szenario gibt es sicher. Aber ich bin überzeugt, dass wir auch eine Verpflichtung haben, ein Kulturangebot zu machen. Und das werden wir auch tun.

Vielerorts wurde Kultur ins Internet verlagert – auch beim Karlstorbahnhof. Aus dem DAI hieß es kürzlich, das wolle man auch nach der Krise beibehalten. Was halten Sie von dem Digitalisierungsschub, den die Kulturbranche erfahren hat?

Das war ganz wichtig in der Zeit des totalen Shutdowns, damit man weiter sichtbar bleibt und ein Angebot machen kann. Für einige unserer Formate wie "Shared Reading" oder die Fotoausstellung des Queer Festivals hat es auch spannende Impulse gebracht, die wir sicher weiterführen. Mit der Perspektive einer Öffnung durch den Masterplan aus Stuttgart werden wir das Angebot jetzt wieder etwas runterfahren. Zumal es mittlerweile auch fast ein Überangebot gibt. Und wir brauchen jetzt all unsere Kapazitäten, um uns auf eine Wiedereröffnung vorzubereiten. Dahinter stecken viele Überlegungen, die nicht von heute auf morgen umsetzbar sind.

Was war oder ist denn für Sie – beruflich wie auch privat – das Schlimmste an dieser ganzen Krise?

Der eingeschränkte Sozialkontakt, dass man gemeinsam nichts erleben konnte – auch keine Konzerte oder andere Live-Erlebnisse – worüber man sich austauschen kann. Das ist einfach befremdlich und hinterlässt eine riesige Lücke. Außerdem hatten wir mit neuen Formaten wie beispielsweise der sehr erfolgreichen Ü-Party begonnen, von einer Wiederholung in dieser Form sind wir weit entfernt.

Wie wird Ihr Haus denn die Krise überstehen?

Uns geht es sicherlich nicht so schlecht, wie es anderen geht, da wir eine institutionelle Förderung bekommen. Aber die Frage ist tatsächlich, was passieren wird, wenn wir wieder öffnen, und wie das Besucherverhalten sein wird. Ich wage es nicht, in die Zukunft zu schauen, weiß aber, dass wir aktuell unser Möglichstes tun, einigermaßen gut aus dieser Situation zu kommen. Natürlich gibt es aktuell auch Überlegungen zu anderen Programmangeboten, da wir voraussichtlich für längere Zeit keine internationalen Künstler empfangen können. Wir werden uns deshalb auf Künstler aus der Region und aus Deutschland konzentrieren und darin die Vielfalt suchen, die es ja gibt.

Ist das Datum des Umzugs in die Südstadt im Jahr 2021 aufgrund der Pandemie denn nun in Gefahr?

Aktuell weiß ich nichts über Bauverzögerungen. Die Pandemie zeigt allerdings ganz deutlich, wie wichtig das neue, größere Haus ist. Ingrid Wolschin hat immer gewarnt, dass der Karlstorbahnhof bei der nächsten Kapazitätsreduzierung dichtmachen muss. Das neue Haus gibt unserem Kulturauftrag heute mehr denn je eine Perspektive.

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