Kommunalwahl Heidelberg 2024

Waseem Butt tritt trotz anhaltender Krankheit wieder an

"Der Gemeinderat muss saniert werden". Er will, dass die Heidelberger ihre Stadt mehr selbst gestalten.

20.09.2023 UPDATE: 20.09.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 53 Sekunden
„Warum gab es in Heidelberg in der Vergangenheit so viele Bürgerbegehren? Das zeigt doch, dass die Menschen den Gemeinderat korrigieren wollen“: Einzelstadtrat Waseem Butt macht seit 15 Jahren Kommunalpolitik in Heidelberg. Foto: Philipp Rothe
Interview
Interview
Waseem Butt
Einzelstadtrat von "Heidelberg in Bewegung"

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Die Atempause für die Kommunalpolitik ist kurz. Nach der Oberbürgermeisterwahl im vergangenen Herbst folgt schon am 9. Juni 2024 die Gemeinderatswahl. Wie bereiten sich die Parteien und Wählerinitiativen vor? Wie weit sind sie mit der Aufstellung der Listen und mit ihren Programmen? In der RNZ-Serie "Der Sommer vor der Wahl" hat sich die Stadtredaktion bei den Kreisvorsitzenden und Vorständen umgehört. Den Treffpunkt durften die Interviewten selbst aussuchen.

Mit Waseem Butt von der Vereinigung "Heidelberg in Bewegung" (HiB) traf sich die RNZ vor dem Rathaus in der Altstadt. Butt wurde im Jahr 2014 für die Liste generation.hd in den Gemeinderat gewählt. Kurz nach der Wahl wechselte er dann zur CDU, bis sich die Partei 2016 von ihm trennte. Zur Kommunalwahl 2019 trat Butt mit der eigenen Liste HiB an.

Herr Butt, warum treffen wir uns hier, vor dem Heidelberger Rathaus?

Das ist der Ort, wo Heidelberger Kommunalpolitik gemacht wird – und ein Ort, der dringend saniert werden müsste.

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Saniert?

Ich meine nicht das Haus an sich, sondern die Köpfe der Stadträte und Stadträtinnen, die hier über Heidelberg entscheiden. Denn das ist der Grund, warum viele Probleme in Heidelberg nicht gelöst werden.

Was meinen Sie?

Meine Erfahrung aus 15 Jahren Kommunalpolitik ist: Viele meiner Kolleginnen und Kollegen machen ihre Entscheidungen zu sehr von Parteipolitik abhängig. Dieser Einfluss der Parteibücher muss zurückgehen. Es darf nicht nur in den Händen von etablierten Parteien liegen, wie vor Ort Politik gemacht wird. Kommunen sollten vor allem von Bürgern und Bürgerinnen selbst gestaltet werden.

Diese Bürger wählen in unserem System Menschen, die dann stellvertretend für sie im Gemeinderat entscheiden sollen.

Stellvertretend bedeutet nicht: losgelöst von den Auftraggebern, den Wählerinnen und Wählern, alles dürfen. Bürgernähe statt Parteibuch ist heute technisch machbar. Ein Beispiel: Ich weiß, dass mehrere Fraktionsmitglieder der Grünen damals gegen die Entscheidung waren, das Ankunftszentrum von Patrick-Henry-Village auf die Wolfsgärten in Wieblingen zu verlagern – genauso wie viele Wähler und Wählerinnen der Grünen. Öffentlich haben sich die Stadträtinnen und Stadträte aber anders geäußert und am Ende auch anders entschieden, weil sie sich nicht trauten, sich gegen ihre Fraktion und Partei zu stellen. Damit sind sie dann beim Bürgerentscheid gegen die Wand gefahren.

Und das ist bei HiB anders?

Ja. Bei uns fragt niemand: Was ist gut für HiB?, sondern: Was ist am besten für die Heidelberger Bürger und Bürgerinnen? Unsere Mitglieder sind völlig frei darin, wofür sie kämpfen und was sie wie entscheiden. Wie unser Name schon sagt: Wir wollen in Heidelberg etwas bewegen und keine festgefahrene Politik machen. Deshalb haben wir uns auch bei der Debatte um die Zukunft des Ankunftszentrums für ein Bürgerbegehren eingesetzt und verschiedene Akteure und Parteien zusammengebracht.

Sind Sie also dafür, dass weniger althergebrachte Parteien und stattdessen mehr Gruppierungen wie Ihre im Gemeinderat sitzen?

Damit diese Stadt vorankommt, braucht es auf jeden Fall mehr unabhängige Bürgerinnen und Bürger im Gemeinderat. Sie können natürlich gerne bei uns mitmachen und über HiB gewählt werden. Denn der Gemeinderat soll auch ein Spiegelbild der Heidelberger Bevölkerung sein. Rund ein Drittel der Menschen in der Stadt haben zum Beispiel eine Migrationsgeschichte – aber wie viele von ihnen sitzen im Gemeinderat? Viel zu wenige! Das Gleiche gilt für die Religionszugehörigkeit. Wir wollenendlich auch ein Mitglied jüdischen Glaubens in den Gemeinderat bringen.

Welche Themen will "Heidelberg in Bewegung" im bevorstehenden Kommunalwahlkampf angehen?

Ein Thema, das uns stark beschäftigt, ist die AfD, deren Mandatsträger ich als "Allianz der Faulen Deutschlands" bezeichnen möchte – die nichts tun, außer Sitzungsgelder zu kassieren. Die Tatsache, dass ein AfD-Aktiver in den erweiterten Vorstand des Stadtteilvereins Neuenheim gewählt wurde, beunruhigt uns sehr. Wir müssen so etwas ernst nehmen und auf unsere Demokratie aufpassen. Sonst wiederholt sich die Geschichte.

Was heißt "ernst nehmen" konkret?

Ich verlange von allen Parteien, Gemeinderatsmitgliedern und sonstigen in der Stadt Engagierten, von allen Vereinen und Initiativen, dass sie eine Zusammenarbeit und Kooperation mit der AfD unmissverständlich ausschließen. Wer gegen die Etablierten protestieren möchte, kann dann gerne HiB statt AfD wählen.

Wofür wollen Sie sich noch einsetzen?

Soziale Gerechtigkeit, eine gesunde Umwelt, Vielfalt, Inklusion, Bürgerbeteiligung, Kultur und Literatur – das sind unsere Themen, für die wir uns vor allem starkmachen werden.

Nehmen wir die Bürgerbeteiligung: Was schwebt Ihnen da vor – auch so etwas wie mehr Bürgerräte?

Es geht um den direkten Dialog und die Interaktion mit Bürgerinnen und Bürgern bei der Entscheidungsfindung. Warum sollten sie zum Beispiel nicht zu Heidelbergs Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt befragt werden? Bürgerräte können ein ergänzendes Mittel sein.

Es geht uns auch darum, dass mehr Bürger und Bürgerinnen, die keiner Partei angehören, im Rathaus sitzen und gestalten, statt aus Prestige- oder Karrieregründen Politik zu machen. Warum gab es in Heidelberg in der Vergangenheit so viele Bürgerbegehren? Das zeigt doch, dass die Menschen den Gemeinderat korrigieren wollen.

Wie ist Ihr Zeitplan für die Wahl?

Anfang des Jahres wollen wir unsere Kandidatenliste aufstellen. Wir laden Interessierte ein, sich bei uns zu melden. Ab Oktober beginnen die ersten Vorbereitungen für die Wahl bis Ende März – gemeinsam mit den Menschen, die sich über uns für Heidelberg engagieren wollen. Wir werden auf jeden Fall eine Liste zusammenbekommen. Es gibt so viele Menschen, die in Heidelberg gestalten wollen, aber bei den anderen Parteien keine Chance bekommen.

Sie selbst leiden noch immer an den Nachwirkungen Ihrer schweren Corona-Erkrankung. Wollen Sie persönlich sich auch weiter politisch engagieren?

Ja, ganz klar. Meine Familie und ich haben während dieser schwierigen Phase so viel Liebe und Mitgefühl von den Heidelbergerinnen und Heidelbergern erfahren. Deshalb möchte auch ich etwas zurückgeben und mich weiter für meine Kommune einsetzen. Trotz meiner anhaltenden Krankheit habe ich für den letzten Haushalt 26 Änderungsanträge geschrieben, davon sind fast alle übernommen worden. Das zeigt, dass es sich lohnt, sich zu politisch einzusetzen, auch wenn man keiner etablierten Partei angehört – selbst mit nur einem Sitz im Gemeinderat.

Wie viele Sitze streben Sie denn im neuen Gemeinderat an?

2019 fehlten uns nur wenige Stimmen für einen zweiten Sitz. Diesmal streben wir Fraktionsstärke an.

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