FDP will Ausländerbehörde besser aufstellen und Zuzug erleichtern
Qualifizierte Einwanderung sieht der Vorsitzende Tim Nusser für die Stadt als "fundamental" an. Im Wahlkampf setzt er zudem auf Digitalisierung und Gewerbeflächen.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Die Atempause für die Kommunalpolitik ist derzeit nur kurz. Nach der Oberbürgermeisterwahl im vergangenen Herbst folgt schon am 9. Juni 2024 die Gemeinderatswahl. Wie bereiten sich die Parteien und Wählerinitiativen vor? Wie weit sind sie mit der Aufstellung der Listen und mit ihren Programmen? In der RNZ-Serie "Der Sommer vor der Wahl" hat sich die Stadtredaktion bei den Kreisvorsitzenden und Vorständen umgehört. Den Treffpunkt durften die Interviewten selbst aussuchen.
Mit Tim Nusser von der FDP traf sich die RNZ vor der städtischen Ausländerbehörde in Bergheim. Er ist seit Juni Kreisvorsitzender der FDP, außerdem ist er Mitglied im Landesvorstand. Der 26-jährige Projektmanager aus Schlierbach hat bereits für mehrere Ämter kandidiert – 2017 und 2021 bei der Bundestagswahl und 2019 für den Gemeinderat.
Herr Nusser, warum treffen wir uns vor der Ausländerbehörde?
Heidelberg hat mit der Universität und den Unternehmen in Stadt und Region eine große Anziehungskraft – für Deutsche, aber auch für Ausländer. Wenn man aber mit Unternehmen, der Uni oder Studierenden aus Nicht-EU-Ländern spricht, hört man immer wieder, dass die Verfahren bei der Ausländerbehörde zu lange dauern. Sie ist völlig überlastet – und das seit Jahren. Ich habe eine Zeit lang immer wieder dort angerufen – man hat nie abgenommen. Ich verstehe auch, warum. Ich schätze die Mitarbeiter und die Amtsleitung und weiß, die geben ihr Bestes. Daran liegt es nicht. Aber wir haben einfach ein Problem, wenn Verfahren mehrere Monate dauern.
Auch interessant
Was hat das zur Folge?
Die Menschen können zum Beispiel nicht arbeiten. Große Unternehmen wie SAP können sie vielleicht eine Zeit lang in anderen Ländern beschäftigen. Für Mittelständler oder Start-ups ist das nicht so einfach. Die Bundesregierung ermöglicht endlich, dass Menschen, die hier arbeiten wollen, kommen können. Wenn das aber im Lokalen scheitert, hilft das nichts. Und gerade für Heidelberg ist das Thema so wichtig: Wir brauchen qualifizierte Einwanderung. Wenn wir unseren Wissenschaftsstandort erhalten wollen, ist das eine fundamentale Fragestellung.
Das Problem ist seit Jahren bekannt. Wie wollen Sie das ändern?
Wir brauchen natürlich mehr Personal und müssen die Behörde zur obersten Priorität machen.
Mehr Personal sagt sich leicht. Das versucht die Behörde seit Jahren erfolglos.
Ich glaube, wir können noch mehr machen. Wir müssen es wirklich attraktiv machen, dort zu arbeiten. Da kann man Anreize setzen, Quereinsteiger einstellen, Werbekampagnen machen. Zusätzlich müssen wir umstrukturieren: Wenn ich etwa eine Verpflichtungserklärung abgebe für einen Nicht-EU-Ausländer, der nach Deutschland kommt, kann ich das in jedem Bürgeramt – wenn das Visum bis zu drei Monate geht. Geht es länger, geht es nur bei der Ausländerbehörde. Warum? Wir haben außerdem eine Hotline, die für alle Ämter zuständig ist – außer der Ausländerbehörde. Da muss es doch möglich sein, dass man dort zumindest simple Fragen beantwortet.
Welche anderen Themen wollen Sie im Wahlkampf setzen?
Wir sehen bei der Digitalisierung und der Wirtschaftspolitik Handlungsbedarf. Beim Digitalen waren wir in Heidelberg lange Vorreiter. In den letzten Jahren hat sich das aber nicht mehr in der Dynamik entwickelt. Ein Start-up für Künstliche Intelligenz hat mir etwa berichtet, dass die DSL-Verbindung in der Weststadt so schlecht ist, dass die Mitarbeiter große Datensätze woanders runterladen müssen. Bei der digitalen Verwaltung sind wir in Teilen gut aufgestellt: Heidelberg hat ein digitales Bürgeramt, wir haben den Chat-Assistenten Lumi. Aber auch da gibt es Dinge, von denen ich glaube, dass sie nie ausprobiert wurden.
Was meinen Sie?
Ich bin letztes Jahr innerhalb von Heidelberg umgezogen und wollte mich online ummelden. Man ruft dann ein Formular auf, trägt die alte Adresse ein, trägt die neue Adresse ein und klickt auf Absenden. Und was kommt?
Eine Fehlermeldung?
Eine Fehlermeldung! Weil die neue Adresse nicht mit der Adresse im Personalausweis übereinstimmt. Das zeigt, dass es viele Angebote gibt, aber die funktionieren oft nicht. Dabei haben wir einen riesigen Personalmangel in den Behörden. Wir brauchen diese digitalen Möglichkeiten, um die Verwaltung zu entlasten.
Was fordern Sie für die Wirtschaft?
Vor allem Gewerbeflächen. Wir sehen immer wieder, dass erfolgreiche Firmen, sobald sie über eine gewisse Schwelle kommen, keine Fläche mehr in Heidelberg finden und abwandern. Dabei sind Unternehmen der Grundpfeiler dafür, dass unsere Stadt gut funktioniert. Sie schaffen Arbeitsplätze und generieren Einnahmen. Außerdem helfen sie, die Verkehrsprobleme zu reduzieren. Denn Heidelberg ist die Stadt mit den meisten Ein- und Auspendlern. Warum? Auch weil die Gewerbeflächen nicht bei uns sind.
Aber neue Gewerbeflächen würden auch neue Einpendler anlocken.
Das hängt davon ab, wo man sie schafft. In der Kernstadt wären diese ein Problem, aber da haben wir ja ohnehin nicht den Platz.
Und wo haben wir den?
Wir müssen zunächst über die Flächen reden, die schon als Gewerbeflächen ausgewiesen sind. Die müssen wir unbedingt auch als solche nutzen, das geschieht bislang oft nicht. Und dann muss man natürlich über weitere Areale diskutieren.
Wo sehen Sie die Möglichkeit dafür?
Etwa auf dem Airfield. Das soll nicht komplett zur Gewerbefläche werden – auf keinen Fall. Aber es gibt die Möglichkeit, dort auch Unternehmen anzusiedeln. Da müssen wir eine offene Diskussion führen. Wir brauchen neue Flächen, um endlich das ganze Potenzial Heidelbergs zu nutzen.
Wo sehen Sie ungenutztes Potenzial?
Ich glaube, das ungehobene Potenzial Heidelbergs besteht darin, dass Stadt und Universität nicht so verzahnt sind, wie sie sein könnten. Da sollten wir von Städten lernen, mit denen wir uns messen wollen. Ich habe in Oxford studiert, dort gab es die Oxford Foundry – heute Entrepreneurship Centre –, die von Universität und Stadt gemeinsam betrieben wurde. Dort kamen Studierende hin, konnten Ideen verfolgen und Preise gewinnen.
Dabei geht es meist um Lösungen am Beispiel der Stadt: Wie ermögliche ich eine bessere Kreislaufwirtschaft in der Stadt? Wie beseitige ich Hitzeinseln? Vor 15 Jahren war die Uni in Oxford bei Ausgründungen alles andere als in der Spitzengruppe. Heute ist sie auf Platz eins in Europa. Wir haben eine der besten Unis in Deutschland, nutzen wir sie auch für die Stadt! Das kommt in der Kommunalpolitik bislang viel zu kurz.
Ihre Partei prägt die Kommunalpolitik aktuell mit drei Stadträten mit. Auf wie viele hoffen Sie nach der Wahl?
Wir wollen natürlich die Fraktionsstärke erhalten, idealerweise käme mindestens ein Platz dazu. Bei der Bürgermeisterwahl im letzten Jahr hat man ja gesehen, dass es Mehrheiten für pragmatische Politik gibt.
Im November wollen sie die Kandidatenliste aufstellen. Bekommen Sie die problemlos voll?
Wir haben schon 40 Personen. Die anderen Plätze bekommen wir ohne Probleme besetzt. Mit einem neuen Vorstand kommen immer neue Köpfe rein. Das hilft uns.
Mit einem jungen Vorstand kommen auch mehr junge Leute rein?
Das letzte Wort haben natürlich die Mitglieder. Aber ich bin überzeugt, dass wir auch junge Menschen vorne auf der Liste haben werden – aber auch eine gute Durchmischung, was Stadtteile, Alter und Erfahrung angeht.
Sie sind selbst jung und bringen dennoch Erfahrung mit. Werden Sie prominent auf der Liste stehen?
Ich werde vorne antreten, über die Platzierung entscheiden rein die Mitglieder. Ich bin aber optimistisch.