Heidelbergs Oberbürgermeister

Zundel macht’s noch einmal – als parteiloser Kandidat

Der Amtsinhaber gewinnt 1984 im ersten Wahlgang. Doch die politischen Verhältnisse in Heidelberg ändern sich. Für ihn ist das eine Qual.

04.10.2022 UPDATE: 04.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Der kleine Orang-Utan-Junge Tujoh gratulierte OB Zundel noch am Wahlabend zum Sieg. Ingrid Poley, Ehefrau von Zoodirektor Dieter Poley, hatte ihn mitgebracht. Foto: Welker

Von Steffen Blatt

Heidelberg. Die Liste reicht zurück bis ins Jahr 1805, zu Georg Daniel Mays, der Heidelberg von da an 14 Jahre lang als Stadtoberhaupt regierte. 20 Männer und eine Frau sind ihm seitdem im Amt des Oberbürgermeisters gefolgt – acht von ihnen nach Ende des Zweiten Weltkrieges. In der Serie "Heidelbergs Oberbürgermeister" wirft die RNZ vor der OB-Wahl am 6. November in mehreren Teilen einen Blick zurück auf die Amtsinhaber und Wahlen seit 1945. Heute: Die Wahl von 1984.

Im Mai 1981 ging es nicht mehr. Reinhold Zundel, amtierender Oberbürgermeister in Heidelberg, trat aus der SPD aus, als deren Kandidat er zuvor zweimal zum Stadtoberhaupt gewählt worden war. Es war der Schlusspunkt einer Entfremdung, die bereits in den 1970er-Jahren eingesetzt hatte. Den letzten Anstoß für den endgültigen Bruch gab ein Beschluss der SPD-Kreisdelegiertenkonferenz, in dem Zundel aufgefordert wurde, Strafanträge gegen jugendliche Hausbesetzer zurückzunehmen – was dieser vehement ablehnte.

Dennoch trat Zundel 1984 bei der OB-Wahl an, als parteiloser Kandidat, unterstützt von der CDU – und gewann mit 54,8 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang gegen den SPD-Mann Albrecht Müller (40,8 Prozent). Manfred Metzner, der von der neu gegründeten Grün-Alternativen Liste (GAL) empfohlen wurde, kam auf knapp 3,9 Prozent, drei weitere Kandidaten landeten bei weit unter einem Prozent.

Zundel hatte es also noch einmal geschafft, doch der politische Wind in Heidelberg war dabei, sich zu drehen, neue Kräfte drängten in die öffentliche Debatte. Die Umwidmung der Hauptstraße zur Fußgängerzone oder die "Altstadtsanierung", die an vielen Stellen einfach den Abriss historischer Gebäude bedeutet hatte, sorgten für Widerstand in einem grün-linksliberalen Milieu, das sich in Teilen aus Protagonisten der Studentenbewegung speiste, die Ende der 1970er-Jahre ausgelaufen war. Zundel wiederum hatte sich in seinen beiden vorherigen Amtsperioden vom "liberalen Ordnungspolitiker" zu "einer Art Stadtsheriff" gewandelt – jedenfalls in den Augen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", das im April 1984 dem Heidelberger OB-Wahlkampf einen längeren Artikel widmete.

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"Er hatte sich in den 70er-Jahren ein Machtgeflecht in der Stadt gesponnen, das ihn fast unangreifbar machte", erinnert sich der damalige Gegenkandidat Manfred Metzner. Der hatte 1978 den Verlag "Das Wunderhorn" gegründet und wollte mit anderen etwas bewegen in Heidelberg, auch politisch. Seine Kandidatur sei im Grunde der Vorlauf zur Kommunalwahl im Oktober 1984 gewesen, bei der die GAL zum ersten Mal antrat.

Mit Witz, Selbstironie und einer Portion Respektlosigkeit gegenüber der Obrigkeit verkörperte Metzners Wahlkampf das Selbstverständnis einer neuen Generation, mit der Zundel weder inhaltlich noch persönlich klarkam. Forderungen nach Umweltschutz, freien Kultureinrichtungen und Transparenz im politischen Betrieb waren neu und wurden zum Teil auch vom liberalen SPD-Kandidaten Müller aufgegriffen. Diesen bremste jedoch eine gespaltene Partei, die in Teilen noch zu Zundel hielt.

Und so sieht Metzner das Jahr 1984 trotz des Sieges für den Amtsinhaber als "Kipppunkt" der Heidelberger Kommunalpolitik. Im Oktober 1984 zog die GAL mit acht Leuten in den Gemeinderat ein und konnte nun zusammen mit der SPD, den Liberaldemokraten und Teilen von FDP und Freien Wählern Mehrheiten gegen Zundels Willen organisieren. "Wir waren jetzt mit unseren Abgeordneten in den Aufsichtsräten der Stadtwerke oder der HSB vertreten und haben die Mauscheleien öffentlich gemacht, die dort abliefen. Das hat Zundel sehr gequält", berichtet Metzner.

Hintergrund

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Fünf Jahre später holte die GAL bei der Kommunalwahl ein noch besseres Ergebnis, und irgendwann war Zundel die Quälerei zu viel. Zum 30. Juni 1990 legte er sein Amt nieder, offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Seine 24 Jahre währende Ära war vorbei.

In den Folgejahren war er als Berater und Gutachter im Osten Deutschlands tätig, 1995 wurde er zum Ehrenbürger ernannt. 2006 gab er ein überraschendes Comeback in der Kommunalpolitik, als er die grüne OB-Kandidatin Caja Thimm als finanzpolitischer Berater unterstützte.

Am 21. Januar 2008 stirbt Reinhold Zundel im Alter von 77 Jahren in Heidelberg. In den zahlreichen Nachrufen werden seine Verdienste für die Stadtentwicklung herausgehoben – und auch seine einstigen politischen Gegner geben sich milde. So schließt der durchaus auch kritische Beitrag der GAL im "Stadtblatt" mit diesem Satz: "Persönlichkeiten wie Reinhold Zundel werden unserer Stadt fehlen."

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