Heidelberger Altstadt

"Fair Feiern"? So gelingt Frieden zwischen Anwohnern und Feiernden

Regensburg macht es vor: Initiative erzielt Erfolge - Silent Disco, Aktionsnächte, Kampagnen

03.07.2020 UPDATE: 04.07.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden
Nachtschwärmer in der Unteren Straße in der Heidelberger Altstadt. Archiv-Foto: Philipp Rothe

Von Anica Edinger

Heidelberg. Was Heidelberg seit Jahrzehnten erfolglos versucht, ist in Regensburg längst gelungen: einen Interessensausgleich zu schaffen zwischen Feiernden in der Altstadt und ruhebedürftigen Anwohnern. "Die Ausgangssituation in Heidelberg und Regensburg ist sehr ähnlich", berichtete am Donnerstagabend im Ausschuss für Bildung und Kultur Kristina Kraus, Vertreterin der Initiative "Fair Feiern" aus Regensburg. Etwa 170.000 Einwohner lebten dort. "Wir sind eine quirlige Stadt", so Kraus, "mit rund 30.000 Studenten". Ebenso wie Heidelberg habe Regensburg eine historische Altstadt, mit vielen Bars und Kneipen – aber eben auch mit Anwohnern. Häufig sei es da zu Konflikten gekommen.

Deshalb hat Regensburg mit dem Projekt "Fair feiern" bereits 2009 die Initiative ergriffen. "Wir hatten ein gemeinsames Ziel: eine lebendige Stadt zu bleiben, in der auch gefeiert werden darf, aber eben mit gegenseitiger Rücksichtnahme." Zunächst seien deshalb alle Interessensgruppen an einen Tisch geholt worden – Anwohner, Wirte, Jugendliche, Studierende. "Um zu signalisieren, dass wir das Thema ernstnehmen, wurden und werden diese Veranstaltungen von städtischer Seite immer hochkarätig besetzt", so Kraus, der Oberbürgermeister etwa sei immer dabei. Bis heute finden diese Treffen zweimal jährlich statt – "auf Augenhöhe", erklärt Kraus. Die Kommunikation zwischen allen Beteiligten sei ein essenzieller Bestandteil des Projekts, aber längst nicht der einzige.

Einmal im Jahr veranstaltet die Initiative auch eine "Silent Disco" auf einem der größten Plätze der Stadt – namhafte Elektro-DJs legen auf, Besucher bekommen Kopfhörer. Zudem gibt es ein bis vier Mal jährlich Aktionsnächte in der Altstadt. Ein junges Team zieht dann nachts durch die Kneipen, spricht Leute an, bittet um mehr Rücksichtnahme und macht auf die Initiative aufmerksam. Das Service-Personal etwa trägt T-Shirts mit dem entsprechenden Logo. Es gibt ganze Flyer- und Plakatkampagnen mit entsprechenden Hinweisen und der Bitte um Rücksichtnahme für Feiernde, Wirte hätten teilweise eine zweite Lärmschutztür eingebaut, es gibt überall Türsteher und Sicherheitsleute, viele Kneipiers hätten Selbstverpflichtungen unterschrieben, keine Partys mehr mit extrem günstigen Alkoholangeboten anzubieten.

Das sind quasi die "weichen" Maßnahmen. Dazu kommen auch "harte": Der kommunale Ordnungsdienst sei verstärkt worden, besonders wirkungsvoll sei aber ein Betretungsverbot für die Altstadt, das die Polizei für "Straftäter" aussprechen darf, die mehrere Male aufgefallen seien.

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Das Budget für all die Aktionen: "7000 Euro pro Jahr", berichtete Kraus. Das sei ja ein "Schnäppchen", befand daraufhin Grünen-Stadträtin Dorothea Kaufmann. Und es wirkt: Seit Jahren seien die Zahlen der Beschwerden oder Anzeigen von Anwohnern rückläufig. Karl Breer (FDP) war so angetan von dem Vortrag zu Regensburg, dass er sogar einen Betriebsausflug dorthin vorschlug. Er erkundigte sich aber auch nach den Sperrzeiten in Regensburg, da in Heidelberg darüber ja schon seit Jahren gestritten werde – auch vor Gericht.

Man habe sich in Regensburg auf drei Uhr geeinigt, berichtete Kraus, die Außenbewirtschaftung schließe um 23 Uhr. SPD-Stadtrat Mathias Michalski befand, Bayern könne Baden-Württemberg ja richtige "Entwicklungshilfe" in Sachen Altstadt-Befriedung geben. Er habe in den vergangenen Wochen aber auch selbst eine Beobachtung gemacht: "Die Außenbewirtschaftung ist eine Art Lärmkontrolle." Säßen Besucher an Tischen, wäre es deutlich ruhiger, als wenn diese abgeschlossen würden. Dem stimmte auch Kraus zu.

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