Zeus und Ganymed - riesiges Kunstwerk schmückt Hauptbahnhof
Heidelberg hat jetzt einen Kunstbahnhof – drei Jahre Planung waren nötig

Von Hans Böhringer
Heidelberg. Der Eingang zur Stadt ist kaum wiederzuerkennen: In knalligen Farben strahlt ein 165 Quadratmeter großes Gemälde die Ankommenden im Hauptbahnhof an. Griechische Sagengestalten thronen über dem Nordausgang, halb transparent gemalt vor zahlreichen Graffiti-Schriftzügen, sogenannten "Tags". Die beiden Künstler, nach knapp einer Woche fertig mit der Arbeit, sind am Montagmorgen in der Bahnhofshalle ebenfalls schwer zu übersehen, sie tragen Masken in der gleichen Kunstoptik wie das Wandgemälde – und so werden sie immer wieder von Passanten angesprochen. Was denn das Motiv sei, will eine Reisende wissen. Ganymed und Zeus, Zeus als Adler.
Die beiden Männer mit den Masken treten gemeinsam als "PichiAvo" auf, sie sind international gefragte Streetart-Künstler, kommen aus Valencia. In Wandgemälden antike Motive und Graffiti zu kombinieren, ist ihr Markenzeichen. Und das hat es Pascal Baumgärtner, Kurator des Metropolink-Festivals, angetan. Das Metropolink präsentiert städtische Kunst wie Graffiti und findet dieses Jahr wieder im Patrick-Henry-Village statt. Die Fertigstellung des Wandgemäldes ist ein vorgeschobener Höhepunkt, das Festival beginnt am 6. August.
Es ist das 70. Wandgemälde, das in Heidelberg entstanden ist seit Beginn des Festivals vor fünf Jahren. Dass drei Jahre Vorarbeit nötig waren, liegt laut Baumgärtner an der komplexen Zuständigkeit: Das Gebäude gehört der Deutschen Bahn, steht aber unter Denkmalschutz, was wiederum in die Zuständigkeit der Stadt fällt. PichiAvos Stilrichtung habe schließlich alle überzeugen können, erzählt Baumgärtner.
Ändert sich mit dem riesigen Kunstwerk etwas an der Einstellung der Stadt gegenüber Graffiti? "Nö", sagt Oberbürgermeister Eckart Würzner. "Ich bin ganz klar gegen Graffiti auf historischen Gebäuden", sagt Würzner und weist darauf hin, dass es extra für Graffiti-Bekämpfung ein Reinigungsteam bei der Stadt gibt. "Aber", fügt er hinzu, "wir brauchen die Auseinandersetzung". Das sei kein Widerspruch. Mehr Flächen für legale Graffiti zu schaffen, darum gehe es auch in der Zusammenarbeit mit Pascal Baumgärtner bei Metropolink.
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Die Deutsche Bahn AG verspricht sich von "zeitgenössischer Kunst" in Bahnhöfen sogar einen "deutlichen Rückgang von Vandalismus und illegalen Graffiti", wie es in einer Pressemitteilung vom 22. Juli über "Kunstbahnhöfe" heißt. "Heidelberg ist jetzt Kunstbahnhof", erklärt Andrea Kadenbach, die hiesige Bahnhofsmanagerin.
"Hier gibt es eine Ausstrahlung, die ist auch international zu spüren", verkündet Würzner bei der Eröffnung des Wandgemäldes. Er findet einen wichtigen Aspekt dessen, was Heidelberg ausmache, dort wieder: den Kontrast zwischen der Historie (die Mythengestalten) und der Moderne (die Graffiti-Tags). "Diese Region ist bunt und vielfältig, das zeigt dieses Kunstwerk", sagt er.
Auch Avo, die eine Hälfte des Künstlerduos, sieht verschiedene Aspekte, das Alte und das Neue, in dem Kunstwerk repräsentiert. "Es geht nicht um den Kampf des einen gegen das andere", sagt er. Deshalb seien die mythologischen Figuren halb transparent, sodass die Graffiti darunter mit ihnen verschmelzen. Aber warum Ganymed und Zeus? "Warum nicht", sagt er und lacht. Was es mit den Mythen auf sich hat, könne man ja nachschauen.



