"Metropolink"-Festival

Ein Spielplatz in Walldorf für die Katze aus Montpellier

Künstler Nubian aus Montpellier gestaltet eine Walldorfer Häuserfassade

25.06.2020 UPDATE: 26.06.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden
Jede seiner Arbeiten birgt eine Geschichte und regt die Vorstellungskraft an: Der französische Künstler Nubian gestaltet im Rahmen des Metropolink-Festivals für Urbane Kunst zurzeit eine Hauswand in der Badstraße in Walldorf. Foto: Helmut Pfeifer

Von Sebastian Lerche

Walldorf. "Sieht toll aus", hörte man die Passanten sagen. Und dabei war der französische Künstler Roch Marcorelles, bekannt unter dem Namen "Nubian", zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertig. Aber wie ideenreich und detailverliebt er vorgeht, das war von Anfang an ersichtlich.

Im Rahmen des "Metropolink"-Festivals für Urbane Kunst gestaltet Nubian, der neben Französisch auch Englisch spricht, seit Montag die Wand eines zweistöckigen Wohnhauses in der Walldorfer Badstraße, am Parkplatz hinter der Stadt-Apotheke. "Das war Schicksal", berichtet Paula Glogowski, Tochter der Hausbesitzerin. Der Impuls ging ihr zufolge von Otto Steinmann, dem Ersten Beigeordneten der Stadt, und Pascal Baumgärtner, Kurator des Metropolink-Festivals, aus: Sie waren auf der Suche nach geeigneten Flächen im öffentlichen Raum – grundsätzlich können kleinere Trafo-Häuschen durch Urbane Kunst ebenso geschmückt werden wie ganze Gebäudefassaden. Für das vierte Metropolink-Kunstwerk in Walldorf wurde also Familie Glogowski gefragt – die sich sofort begeistert zeigte: "Das Projekt ist toll", so Paula Glogowski.

Künstler Nubian aus Montpellier ist zurzeit in Walldorf aktiv. Foto: Pfeifer

Dank einer Hebebühne kann Nubian die ganze Hauswand bearbeiten. Er startete mit einer Zeichnung: ein Gebäude, inspiriert von Wohnhäusern in Heidelberg, wo er während des Metropolink-Festivals wohnt – übrigens Partnerstadt seines Heimatorts Montpellier. In seine imaginären Welten lässt er nach eigener Aussage gerne Besonderheiten der Orte einfließen, an denen er gerade wohnt oder arbeitet. Und der 27-Jährige war schon weltweit unterwegs, hat unter anderem in New York kreativ gewirkt.

Sein Haus wirkt, als sei es schon lange bewohnt, der Putz hat Risse, die Fensterläden Flicken, einzelne Dachschindeln fehlen. Raumgreifend ragen Regenrinnen, Rohre, Träger und andere strukturelle Elemente heraus. Das Obergeschoss ist bis aufs Trägerwerk abgetragen, sodass der Blick ins finstere Innere geht. Da hinein hat sich ein abgestürztes kleines Propellerflugzeug gebohrt – oder wächst es aus dem Haus empor?

Nubian will nach eigener Aussage nämlich keine Katastrophe darstellen, für ihn bilden Haus und Flieger eine Einheit: Ihn reizen die unterschiedlichen Materialien wie Metall, Keramik oder Holz und was der Zahn der Zeit an ihnen anrichtet. Ebenso waren sich selbst überlassene alte Flugzeuge schon Inspiration für vorherige Werke: Verfall, Verwitterung, aber auch Widerstandsfähigkeit und Stabilität faszinieren ihn. Zudem erarbeitet er sich Wissen über Anatomie, Architektur, Aerodynamik und weitere Gebiete, die für die Gestaltung eine Rolle spielen: Er lerne mit jedem Werk dazu und entwickle sich weiter, erklärt er.

Zwar starte er gern mit einer Skizze, erklärt Nubian, das Werk entwickle sich aber während des Schaffensprozesses weiter. Seine Zeichnung bereicherte er später mit Farben und ganz wichtig war ihm ein Protagonist: eine Katze, nach dem Vorbild des Nachbartiers, das ihn und seine Gastgeber in Heidelberg gerne besucht. Das Haus und das Flugzeug seien ihr Spielplatz, erklärt Nubian, dadurch solle das Bild eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlen und Spaß machen. Katzen sind für ihn frei, frech, unabhängig, kennen keine Schranken, gehen, wohin sie wollen. Damit stellen sie die Verkörperung der Vorstellungskraft dar, die auch keine Grenzen kennt.

Bisher haben Form und Linie für den leidenschaftlichen Zeichner dominiert, seine Welten befinden sich gerne an der Schnittstelle von Science-Fiction, Märchen und Mythen. In letzter Zeit nimmt aber Farbe einen immer größeren Raum in seinem Schaffen ein, je nachdem, wie viel Zeit er sich nehmen kann. Nach wie vor aber möchte er die Betrachter einladen, seine Welten zu besuchen, zu träumen und ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Darum ist es beispielsweise wichtig, dass sie nicht neu, rein und unberührt wirken, sondern so, als würden dort bereits Menschen, Tiere, hybride oder maschinenartige Wesen leben, die weitere Gäste willkommen heißen.

Jede seiner Arbeiten berge in sich also eine Geschichte, eine Art Poesie, so Nubian, das und das Handwerkliche sind die beiden Seiten, die für ihn fest zur Medaille Kunst gehören. Auf Urbane Kunst beschränkt er sich nicht, er zeichnet, malt, gestaltet Skulpturen und nutzt viele verschiedene Methoden und Mittel. Ständig suche er neue Wege, um sich auszudrücken, und lege sich auch nicht auf bestimmte Themen fest – schließlich sei er jung und noch dabei, sich selbst zu finden. Er würde gern davon leben, das sei aber nicht so einfach, daher übe er auch andere Tätigkeiten, etwa Lehrer, aus. Man müsse eben flexibel sein, dürfe nicht ungeduldig werden oder sich unter Druck setzen.

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