Sperrzeiten in Heidelbergs Altstadt: Für "Ausgehkultur" oder mehr "Nachtruhe"?

Bei der Diskussion um Kneipenöffnungszeiten gehen die Meinungen weit auseinander.

07.11.2016 UPDATE: 08.11.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden

Die "Kneipenmeile" Untere Straße in Heidelberg. Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. In der Diskussion um längere Sperrzeiten in der Heidelberger Altstadt zeigen sich die Gastwirte und die Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda) gesprächsbereit. Linda schlägt vor, "Räume für Nachtschwärmer bereitzustellen, in denen sozial- und umweltverträglich gefeiert werden kann". Und auch Melanie von Görtz vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sagt: "Gemeinsam werden wir uns um Lösungen bemühen." Karin Werner-Jensen, Vorsitzende des Vereins Alt-Heidelberg, sieht hingegen keinen Raum für Kompromisse: "Es ist zu begrüßen, dass die Sperrzeiten endlich wieder in Richtung der Bedürfnisse und der Gesundheit der Altstädter angepasst werden sollen." Die Entscheidung werde weit über Heidelberg hinaus Bedeutung erlangen. Bereits am Freitag, 11. November, treffen die Betroffenen beim Runden Tisch für die Altstadt aufeinander.

Nachdem aktuelle Lärmmessungen belegt haben, dass in der Altstadt mitten in der Nacht Mittelwerte von 80 Dezibel und einzelne Spitzenwerte von an die 100 Dezibel erreicht werden, will die Stadtverwaltung wieder Sperrzeiten in der Altstadt einführen. Laut den Richtwerten der Technischen Anleitung Lärm (TA Lärm) sollte die nächtliche Geräuschkulisse nach 22 Uhr 45 Dezibel nicht überschreiten.

Stimmt der Gemeinderat der Vorlage zu, müssten die Kneipen ab 1. Januar 2017 in der Kernaltstadt werktags bereits um 1 Uhr, am Wochenende um 3 Uhr schließen. Bisher gilt überall in Heidelberg die Landesregelung: Gaststätten dürfen demnach von Montag bis Freitag bis 3 Uhr und in der Nacht zum Samstag und Sonntag bis 5 Uhr öffnen.

"Wir begrüßen, dass die Verwaltung mit ihrer Vorlage die seit Jahren von den Altstadtbürgern geäußerten Klagen über die Gesundheitsbeeinträchtigung durch nächtlichen Lärm bestätigt und somit das selbstverständliche Recht auf Nachtruhe anerkennt", sagen die Linda-Sprecher Doris Hemler und Martin Kölle. Ähnlich äußert sich Werner-Jensen: "Das Gutachten bestätigt, was der Verein Alt-Heidelberg seit Jahren immer wieder mitgeteilt hat: Je länger die Kneipen geöffnet sind, desto mehr Alkoholkonsum, Sachbeschädigungen, Gewalttaten und Lärm." Der Mehrheit des Gemeinderates wirft Werner-Jensen Gleichgültigkeit vor. Jetzt würden die Stadträte durch die "Macht des Faktischen" gezwungen, neue Sperrzeiten zu erlassen. Kölle und Hemler fordern, dass es - anders als in der Vergangenheit - keine Ausnahmen für Diskotheken und Imbissbetriebe geben dürfe.

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Bürgermeister Wolfgang Erichson sieht "keinen Ermessensspielraum" der Kommunalpolitik. Der Gemeinderat könne auf der Grundlage des Gutachtens höchstens noch strengere, nicht aber mildere Sperrzeiten erlassen. Dehoga-Geschäftsführerin von Görtz äußert sich angesichts dieser Drohkulisse vorsichtig: "Selbstverständlich werden wir uns die Messergebnisse nochmals ausführlich erläutern lassen." Einstweilen müsse man aber davon ausgehen, dass die Werte korrekt seien. "Wenn die Sperrzeit in der Altstadt wieder verlängert werden soll, ist diese Wirkung für viele Betriebe und Gäste sehr schmerzlich", warnt von Görtz: "Wir würden es sehr bedauern, wenn die Ausgehkultur der Stadt durch eine Sperrzeitverlängerung langfristig litte."

Nur die Wirte würden bestraft, obwohl die Gaststätten nur eine von mehreren Ursachen für den Altstadtlärm seien. "Die Gastronomie hat viel investiert, um den Lärm ihrer Betriebe gering zu halten. Dort, wo ihre direkten Einwirkungsmöglichkeiten schwinden, steigen jedoch offenkundig die Geräuschpegel."

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