Bald wieder früher Feierabend in der Heidelberger Altstadt?
OB Eckart Würzner will, dass die Verlängerung der Öffnungszeiten rückgängig gemacht wird - Im Herbst Diskussion im Gemeinderat

Die "Kneipenmeile" Untere Straße in Heidelberg. Foto: Rothe
Von Steffen Blatt
Heidelberg. Der Konflikt ist uralt und scheinbar unlösbar: Wer in der Heidelberger Altstadt ausgeht, will Spaß haben und feiern - auch bis spät in die Nacht. Die Anwohner wollen ihre verdiente Nachtruhe und nicht ständig hochschrecken, wenn auf der Straße mal wieder gegrölt wird. Am meisten entzündet sich der Konflikt an den Kneipen, die seit dem 1. Januar 2015 länger öffnen dürfen. Das könnte sich im Herbst jedoch ändern - dann will Oberbürgermeister Eckart Würzner dem Gemeinderat vorschlagen, die Verlängerung wieder rückgängig zu machen.
Seit Januar 2015 gilt für die Altstadt-Kneipen die allgemeine Landesregelung: Sie müssen demnach unter der Woche erst um 3 Uhr, am Wochenende um 5 Uhr schließen. Zuvor galt eine Sonderverordnung mit 2 und 3 Uhr. Die Befürworter der kürzeren Sperrzeiten hatten argumentiert, dass sich dadurch die Besucherströme entzerren würden. Doch als Polizei und Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) im Februar und März dieses Jahres in den Gemeinderatsgremien über ihre Erfahrungen berichteten, ergab sich ein anderes Bild: Die Liberalisierung der Sperrzeiten habe zu mehr Alkoholkonsum und dadurch zu mehr Lärm und Aggressionen geführt, hieß es. Trotzdem entschied der Gemeinderat, die Öffnungszeiten für weitere zwei Jahre unverändert zu lassen, um noch weitere Erfahrungen zu sammeln. Außerdem wollte man warten, bis etwa die Aufstockung des KOD vollzogen sei.
Schon damals machte OB Würzner deutlich: "Wenn sich die Situation in der Altstadt nicht verbessert, ist das nicht weiter hinnehmbar." Jetzt geht er noch einen Schritt weiter: "Die Belastung für die Anwohner ist nicht zurückgegangen, und wir stellen eine erhöhte Zahl von Übergriffen und Schlägereien fest. Deshalb bin ich dafür, die Sperrzeiten wieder auszudehnen und werde dem Gemeinderat auch einen entsprechenden Vorschlag machen", sagte er der RNZ.
Ein Grund für diese Ankündigung könnten die jüngsten Lärmmessungen sein, die von Mitte Mai bis Anfang Juli an fünf Punkten in der Altstadt gemacht wurden - und zwar rund um die Uhr. Um einen Vergleich mit dem Geräuschpegel am Tag vornehmen zu können, wurde auch erfasst, wie viele Personen sich jeweils auf der Straße befanden. Ordnungsbürgermeister Wolfgang Erichson sagte schon im März, dass diese Messungen Konsequenzen haben könnten: "Sollten bestimmte Werte überschritten werden, hat der Gemeinderat keinen Ermessensspielraum mehr." Konkret heißt das: Ist es dauerhaft lauter als 75 Dezibel, liegt nach neueren Gerichtsurteilen eine Gesundheitsgefährdung vor. In diesem Fall müsste sofort gehandelt werden - und dann hätte der Gemeinderat auch nichts mehr zu beraten. Die Verlängerung der Sperrzeiten könnte die Verwaltung per Verordnung durchsetzen. Das wiederholte Erichson noch einmal Ende Juli, als der "Runde Tisch" zur Altstadt wieder tagte. Die Ergebnisse der Messungen fließen in ein Gutachten ein, das im Herbst vorliegen soll. Dann wird es auch eine Verwaltungsvorlage für die Gemeinderatsgremien geben.
Doris Hemler hätte überhaupt nichts dagegen, wenn die Sperrzeiten wieder verlängert werden. Sie ist Sprecherin der Initiative "Leben in der Altstadt" (Linda), die schon seit Jahren gegen Lärm, Dreck und Randale kämpft. Sie sei überrascht von Würzners Ankündigung gewesen, aber natürlich seien kürzere Kneipenöffnungszeiten "ein Schritt in die richtige Richtung". Das allein reiche aber nicht: "Man muss das auch kontrollieren, und wenn sich Betriebe nicht daran halten, muss es Konsequenzen geben."
Die großen Gemeinderatsfraktionen CDU, SPD und Grüne, die mehrheitlich für die zweijährige "Bewährungsfrist" gestimmt haben, halten sich noch bedeckt und wollen die Verwaltungsvorlage im Herbst abwarten. "Derzeit haben wir noch keinen neuen Sachstand", sagt etwa CDU-Fraktionschef Jan Gradel. Beate Deckwart-Boller (Grüne) bedauert, dass sich wohl nicht viele Wirte an der geplanten Selbstverpflichtung beteiligen werden, mit der sie etwa auf alkoholische Billigangebote verzichten sollen. Wie ihre Fraktion bei der Abstimmung im März ist sie zwiegespalten und hofft auf eine andere Lösung abseits von verkürzten Öffnungszeiten: "Ich verstehe, dass die Anwohner schlafen wollen. Aber eigentlich kann es in einer Stadt wie Heidelberg nicht sein, dass in der Innenstadt irgendwann die Bürgersteige hochgeklappt werden."