Heidelberg

Peta Becker von Rose seit den 1960ern Dauergast im DAI

Die Vorsitzende des DAI-Freundeskreises ist für die Flüchtlingsambulanz im Ankunftszentrum verantwortlich.

15.07.2021 UPDATE: 18.07.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 46 Sekunden
„Ich kann schlecht nur rumsitzen. Ich brauche Aktivität, dann kenne ich keine Ermüdung“, sagt Peta Becker von Rose über sich selbst. Ihr Elan spiegelt sich auch in ihrem Lebenslauf wider. Foto: Hentschel

Von Steffen Blatt

Heidelberg. "Das Deutsch-Amerikanische Institut ist seit 50 Jahren meine zweite Heimat", sagt Peta Becker von Rose. In ihrem Fall ist das keine Floskel, um die eigene Verbundenheit zu dem Kulturhaus in der Sofienstraße herauszustellen, sondern ein Fakt. Denn die 78-Jährige ist nicht nur seit seiner Gründung 1994 Mitglied des DAI-Freundeskreises, sondern auch seit 1996 dessen Vorsitzende – und seit den 1960er-Jahren Dauergast im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI).

Wann sie zum ersten Mal bei einer Veranstaltung im DAI war, das damals noch "Amerikahaus" hieß, weiß Peta Becker von Rose nicht mehr ganz genau. Aber es waren vor allem die Literaturveranstaltungen, welche die Medizinstudentin anzogen, die seit 1962 in Heidelberg lebte.

Es waren wilde, interessante Zeiten: Die 68er, Demos gegen den Vietnamkrieg, die auch das Amerikahaus als vermeintliche "Außenstelle" der US-Regierung zum Ziel hatten, dann 1969 die spektakuläre Verhüllungsaktion des Künstlerehepaares Christo und Jeanne-Claude, die dem Kulturhaus bundesweite Aufmerksamkeit bescherte. "Ich bin zu Demos gegangen, aber ich war nicht politisch aktiv", erinnert sich Becker von Rose.

Aber durch die 68er-Bewegung wurde ihr Interesse für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus geweckt – in den 1980er-Jahren verfasste sie für das Buch "Auch eine Geschichte der Universität Heidelberg" einen Beitrag, der diese Aufarbeitung in Bezug auf die Heidelberger Medizin zum Thema hatte.

Auch interessant
Heidelberg: Ärzte-Verein muss Ambulanz im Ankunftszentrum zum 1. Juli beenden
Heidelberg: DAI öffnet Schule im September im Begeisterhaus
DAI Heidelberg: Jeanne Moreau – Annäherung an eine Unnahbare
Heidelberg: Sie helfen den ersten Corona-Flüchtlingen aus Südamerika

Im DAI fand Becker von Rose dafür weitere Anknüpfungspunkte – und das liegt zu einem großen Teil an Jakob Köllhofer, der 1978 als Programmleiter in dem Kulturhaus anfing und seit 1986 dessen Direktor ist. "Er ist wahnsinnig prägend für die Entwicklung des DAI. Unter seiner Verantwortung sind enorme Schritte gemacht worden, die ich gerne begleitet habe", sagt Becker von Rose.

Spätestens in der 1980er-Jahren war ihr klar, dass das mit dem DAI eine Langzeitbeziehung werden wird. Sie saß bei Veranstaltungen mit Ivan Nagel, dessen Familie im Dritten Reich unter falschem Namen in Ungarn überlebte. Er schilderte in der DAI-Bibliothek, wie er endlich wieder die Bücher der Weltliteratur lesen konnte.

Auch Literat Hans Sahl, der vor den Nationalsozialisten in die USA flüchtete, schilderte in dieser Bibliothek sein Leben. "Spätestens nach diesen Besuchen war mir klar, dass ich im DAI einen Ort gefunden hatte für mein Interesse am Austausch über aktuelle politisch-kulturelle Themen", erinnert sie sich.

Es ist die Gastfreundschaft im DAI, die Becker von Rose immer wieder gern kommen lässt. Wenn an der Bar ausgeschenkt wird, auch wenn jemand gerade nicht zahlen kann. Wenn in der winzigen Küche gekocht wird für viele Personen, und alle werden satt – bei hervorragender Qualität. "Es ist wie das Haus einer großen Familie, das immer offensteht, tolerant, immer im Diskurs." So war es für sie eine Selbstverständlichkeit, in den Freundeskreis einzutreten, als dieser 1994 gegründet wurde. Als zwei Jahre später eine neue Vorsitzende gesucht wurde, fragte man Becker von Rose – und die sagte zu, natürlich.

Mittlerweile hat der Freundeskreis rund 5000 Mitglieder – das ist in Deutschland ziemlich einmalig für ein Kulturhaus. Und dieser Kreis freut sich nicht nur über den ermäßigten Eintritt oder Exklusiv-Veranstaltungen, er bringt sich auch ein – durch das Werben von neuen Mitgliedern oder als Ideengeber für die Programmmacher.

Der Freundeskreis ist auch Initiator, ursprünglicher Träger und Gesellschafter der drei internationalen DAI-Kindergärten und wird diese Aufgabe auch bei der Internationalen DAI-Ganztagsschule übernehmen, die im September im "Begeisterhaus" auf dem ehemaligen US-Areal Patton Barracks in Kirchheim eröffnet.

Warum muss ein Kulturhaus überhaupt Kindergärten und bald noch eine Schule betreiben? "Weil das DAI Bildung, humanitäre Werte und Demokratie vermitteln will. Das tut es mit seinem Programm für Erwachsene, aber es gab über die Jahre immer mehr Angebote für Kinder. Irgendwann war die Gründung eines Kindergartens der nächste logische Schritt", sagt Becker von Rose.

Die agile Frau könnte man sich auch problemlos als Managerin von Bildungseinrichtungen vorstellen. Denn Zurücklehnen, es im gesetzten Alter langsamer angehen lassen – das passt so gar nicht zur Vorsitzenden. "Ich kann schlecht nur rumsitzen. Ich brauche Aktivität, dann kenne ich keine Ermüdung", sagt Becker von Rose. Das spiegelt sich in besonderer Weise in ihrem Lebenslauf wider. Denn neben ihrer Tätigkeit als niedergelassene internistische Hausärztin war und ist sie in verschiedenen Standesorganisationen aktiv, etwa in der Ärztekammer als Vorstandsmitglied der Heidelberger Ärzteschaft. Sie ist Mitglied der Organisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" und von "Medico International", einer Menschenrechts- und Hilfsorganisation. Für die "German Doctors" arbeitete sie mehr als zehn Jahre jedes Jahr sechs Wochen in Ambulanzen in den Slums von Nairobi und Kalkutta.

Auch im (Un-)Ruhestand ist Becker von Rose weiterhin aktiv: Seit 2015 ist sie für die Flüchtlingsambulanz in der Landeserstaufnahmestelle für Geflüchtete in Patrick-Henry-Village verantwortlich. Diese Arbeit mit Flüchtlingen sieht sie immer in Verbindung zum DAI: "Denn dort werden doch die grundsätzlichen Themen zu Ausgrenzung, Internationalem Recht und humanitärer Verantwortung stets mit allen Facetten diskutiert."

Mit ihrem Mann Hans Becker hat sie den richtigen Partner für ein solch aktives Leben gefunden: Der ist 77 Jahre alt und praktiziert weiterhin als Psychoanalytiker. Nur wenn sie ein gutes Buch liest, da kann sie still sitzen und sich über Tage in ihrem Haus in der Mühltalstraße in die Lektüre vergraben.

Was wünscht sich Peta Becker von Rose für die Zukunft des Freundeskreises? "Dass wir mit unseren Einrichtungen Kinder und Jugendliche begleiten und ihnen vor allem Achtung und Respekt vor anderen vermitteln." Sie ermuntert außerdem alle, die Interesse am Diskurs über weltbewegende Themen haben, für vier Euro im Monat Mitglied im Freundeskreis zu werden. "Hohe Qualität ist garantiert."

Bei DAI-Veranstaltungen wird man sie auch in Zukunft regelmäßig treffen, und sie freut sich, dass das Programm wieder von Online auf Präsenz wechselt, dass das Haus wieder offen ist für die Menschen. Und dass es weitermacht auf seinem Weg, nicht nur Veranstaltungen für das Bildungsbürgertum zu bieten, sondern für alle. Das fasst sie in einem Satz zusammen, den man als Leitspruch über dem Eingang in der Sofienstraße anbringen könnte: "Wissensvermittlung für jede und jeden, mit Niveau und ohne Populismus."

Info: Mehr zum Freundeskreis gibt es auf www.dai-heidelberg.de.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.