Ärzte-Verein muss Ambulanz im Ankunftszentrum zum 1. Juli beenden
Das Ende einer Erfolgsgeschichte? Der Auftrag muss künftig ausgeschrieben werden.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Fünf Jahre ist es her, dass im Ankunftszentrum in Patrick-Henry-Village (PHV) eine Ambulanz für Geflüchtete eingerichtet wurde. Fünf Jahre, in denen Tausende Menschen medizinisch versorgt wurden – vom Personal des Uniklinikums, aber auch von ehrenamtlich tätigen Ärzten. Es waren vor allem Mediziner im Ruhestand, die dort helfen wollten. Daraus entstand eine einmalige Erfolgsgeschichte: Die Mediziner gründeten den Verein "Werkstatt Gesundheit", der mittlerweile 70 Mitglieder hat. 30 bis 40 davon arbeiten als Ärzte in PHV mit. Sie bieten Sprechstunden an, behandeln Tuberkulose, vermitteln traumatisierte Patienten in psychologische Beratung. Kurz: Sie tragen mit zu einer vorbildlichen medizinischen Versorgung bei. Da sie das für eine Aufwandsentschädigung tun, spart das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe, welches das Ankunftszentrum betreibt, sogar Geld. Eigentlich eine Win-Win-Win-Situation. Doch der Erfolgsgeschichte droht nach fünf Jahren das plötzliche Aus.
Dabei sind eigentlich alle Parteien zufrieden. "Das Regierungspräsidium Karlsruhe schätzt die Zusammenarbeit mit dem Verein ,Werkstatt Gesundheit’ und dem Universitätsklinikum sehr und würde eine weitere Zusammenarbeit sehr begrüßen", schreibt eine Behördensprecherin der RNZ. Auch Ankunftszentrumsleiter Markus Rothfuß ist voll des Lobes für die engagierten Ärzte. Und die sind stolz auf ihre Arbeit: "Wir sind ein eingespieltes Team und hervorragend vernetzt in der Stadt", betont Peta Becker-von-Rose, die gemeinsam mit Detlef Lorenzen den Vorsitz im Verein hat.
Doch trotz all der warmen Worte hat der Verein vergangene Woche die Mitteilung vom Regierungspräsidium erhalten, dass ab 1. Juli ein kommerzieller Dienstleister seine Aufgaben in der Ambulanz übernehme. Zunächst für drei Monate, über die Zeit danach verhandeln beide Parteien am heutigen Dienstag weiter. Denn es gibt bislang unüberwindbare Hürden. "Wir sind in der skurrilen Situation, dass wir alle dasselbe wollen, bislang aber nicht kriegen", beschreibt Markus Rothfuß die Lage.

Das Problem: Die Ärztinnen und Ärzte arbeiteten bisher für eine Aufwandsentschädigung in PHV, wobei der Stundensatz klar unter dem kommerzieller Anbieter lag. Doch inzwischen hat sich die Rentenversicherung an den Verein gewandt und klargestellt, dass es sich um sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten handele. Das heißt für die Ehrenamtlichen: eine andere Struktur, mehr Abgaben, mehr Aufwand. "Das hat unseren Zahlmeister in die Lage gebracht, dass er die Kosten nicht mehr decken kann", so Lorenzen. Also forderten die Mediziner das RP auf, ihnen bei einem neuen Vertrag höhere Sätze zu zahlen, um die Mehrkosten auszugleichen. "Die Rahmenbedingungen haben sich geändert, dafür können wir nichts", betont der Arzt.
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Diese Änderungen haben jedoch eine weitere Folge: Da der Verein seine Struktur habe ändern müssen, entspreche er nun "einem auf dem Markt vergleichbaren Unternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten", so eine Sprecherin des RP. Deshalb könne man ihm keinen Auftrag mehr ohne vorherige Ausschreibung geben – das seien nunmal die vergaberechtlichen Vorgaben. Die Mediziner sehen jedoch nicht ein, warum sie die Mehrkosten komplett selbst tragen sollen und bleiben bei ihren Forderungen: "Wir können das nicht günstiger anbieten", betont Lorenzen.
Entsprechend kam es bislang nicht zur Verlängerung des Vertrages, der zum 1. Juli ausläuft. Deshalb hat das RP den Dienstleister, der in den anderen Erstaufnahmeeinrichtungen im Regierungsbezirk für die medizinische Versorgung zuständig ist, gebeten, auch die Ambulanz in PHV von Juli bis September zu betreuen. So sei die medizinische Versorgung der Bewohner gewährleistet. Wie es danach weitergeht, ist jedoch unklar. "Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung mit dem Verein finden", so Rothfuß.
Beim Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge, Flächenerhalten (BAFF), das den Bürgerentscheid gegen die Verlagerung der Einrichtung initiiert hatte, sorgt das bisherige Vorgehen der Behörden für Irritation: "Hier wird ein falsches Zeichen gesetzt", kritisiert das Bündnis in einer Pressemitteilung. "Es stellt sich die Frage, was das Land Baden-Württemberg möchte: die medizinische Versorgung wie bisher sicherstellen oder den Amtsschimmel reiten?" Das RP müsse dem Verein dringend entgegenkommen. Nur dann könne vorbildliche Versorgung weiterhin garantiert werden.



