Neue Ambulanz in Patrick Henry Village: Kürzere Wege für kranke Flüchtlinge

"Deutliche Entlastung" für das Heidelberger Uniklinikum - Viele Heidelberger Ärzte helfen ehrenamtlich

12.02.2016 UPDATE: 13.02.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Ein Untersuchungszimmer in der neuen Ambulanz in PHV (v.l.): Prof. Guido Adler, OB Eckart Würzner sowie die Heidelberger Mediziner Detlef Lorenzen und Gabriele Opitz im Gespräch. Foto: Rothe

Von Sebastian Riemer

Es ist eine gute Nachricht für alle. Für die Flüchtlinge, für die Ärzte in der Universitätsklinik - und nicht zuletzt für die Heidelberger. Seit Montag gibt es für die Menschen in Patrick Henry Village (PHV) direkt auf dem Gelände eine eigene Ambulanz. Gestern wurde das Angebot in der ehemaligen "Dental Clinic" offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt.

Damit endet eine unnötig aufwendige Vorgehensweise - die so auch in den anderen Erstaufnahmestellen des Landes praktiziert wird: Bislang wurden täglich rund 30 bis 40 Menschen für Untersuchungen per Taxi in das Universitätsklinikum, danach oft zur Apotheke und schließlich wieder zurückgefahren. "Diese Anzahl zusätzlicher Patienten führte bei uns besonders in Stoßzeiten zu Engpässen und längeren Wartezeiten", sagte Thomas Krczal von der Patientenverwaltung am Uniklinikum gestern. In PHV selbst gab es lediglich eine Sprechstunde eines medizinischen Dienstleisters, die nur ein paar Stunden am Tag angeboten wurde und nicht ausreichend ausgerüstet war.

Im August 2015 ergriffen Uniklinik und niedergelassene Ärzte mit Hilfe der Stadt die Initiative und erarbeiteten ein Konzept für eine "Flüchtlingsambulanz" in PHV. In sieben voll ausgerüsteten Untersuchungszimmern gibt es nun täglich Sprechstunden. Neben Allgemeinmedizinern können die Flüchtlinge auch Gynäkologen, Kinderärzte, Tropenmediziner sowie - in akuten Krisensituationen - psychiatrische und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. "Diese Woche kamen täglich rund 100 Patienten in die allgemeinmedizinische Sprechstunde und 40 in die Spezialambulanzen", sagte Uniklinik-Chef, Prof. Guido Adler. Dabei gibt es noch gar keine gynäkologische Sprechstunde - weil der Untersuchungsstuhl noch fehlt.

Bei den Kosten für die Erstausstattung der Ambulanz, rund 90 000 Euro, gingen Klinikum und Stadt Heidelberg in Vorleistung - bis die Finanzierung endgültig geklärt ist. Auch die niedergelassenen Ärzte im neuen Ambulanzteam arbeiten vorerst ehrenamtlich. Auf Dauer soll die Bezahlung durch einen Vertrag mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe, das für die Kosten der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge in PHV zuständig ist, geregelt werden.

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Ein weiterer Vorteil der neuen Vor-Ort-Ambulanz: "Wir können die Fälle nun ordentlich dokumentieren", sagte der Mediziner Dr. Detlef Lorenzen, der das Angebot als Vorstandsmitglied der Ärzteschaft Heidelberg mit aufgebaut hat. "Wir bieten Verlässlichkeit: Wenn ein Patient wiederkommt, gucken wir in den Computer und wissen, wie er bisher behandelt wurde." Zusätzlich bekommen die Patienten in der PHV-Ambulanz ein vom Uniklinikum entwickeltes Gesundheitsheft. "Damit können die Flüchtlinge, wenn sie dann einer Kommune zugeteilt wurden, zum Arzt gehen - und der muss nicht bei null anfangen", so Lorenzen.

Michael Willms, Leiter der PHV-Projektgruppe des Innenministeriums Baden-Württemberg, dankte besonders Guido Adler und Oberbürgermeister Eckart Würzner für deren Initiative: "Das war für beide eine Herzensangelegenheit." Würzner wiederum hob den ehrenamtlichen Einsatz der Heidelberger Ärzte hervor und Adler bedankte sich bei seinen "hochengagierten Studenten", die ebenfalls in PHV mithelfen. "Die neue Ambulanz ist für uns eine deutliche Entlastung", resümierte Adler. Mit dem neuen Angebot sei die effiziente und strukturierte medizinische Versorgung aller Patienten in Heidelberg gesichert - nicht nur der Flüchtlinge.

Die Ärzte, die in PHV im Einsatz sind, sehen aber noch viel Verbesserungsbedarf. "Wir brauchen professionelle Übersetzer", sagte Prof. Thomas Junghanss, Leiter der Tropenmedizin an der Uniklinik. Bislang übernehmen das meist andere Flüchtlinge. "Wir haben es hier oft mit sehr sensiblen Diagnosen zu tun - da brauchen wir dringend mehr Vertraulichkeit." Zudem, so die niedergelassene Kollegin Peta Becker-von Rose fehlten in der neuen Ambulanz auch Arzthelferinnen.

"Es ist Improvisation total", meinte die Allgemeinmedizinerin Gabriele Opitz, die nun jeden Freitagnachmittag ehrenamtlich in PHV Dienst tut. "Aber es herrscht eine sehr gute Stimmung. Alle wollen das hier gemeinsam anpacken."

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