Mammutprojekt Heidelberg-Südstadt

Wenig Vergangenheit, viel Zukunft

In der Südstadt wird sich in den kommenden Jahren so viel verändern, wie in keinem anderen Heidelberger Stadtteil

10.07.2017 UPDATE: 11.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden

Die Südstadt auf einem Luftbild aus dem Jahr 2012. Damals war die US-Armee noch in den Campbell Barracks und in Mark Twain Village. Bis Ende 2013 zogen sie ab, mittlerweile sind einige Gebäude schon abgerissen. Foto: Kay Sommer

Von Steffen Blatt

Heidelberg-Südstadt. Wie ist das, wenn ein Stadtteil plötzlich doppelt so groß wird? Wenn Abrissbagger rollen und durch die beschaulichen Wohnstraßen Baulärm wabert. Wenn neue Nachbarn zuziehen - viele neue Nachbarn? All das passiert gerade in der Südstadt, wo auf den ehemaligen US-Arealen Mark Twain Village und Campbell Barracks Wohnungen entstehen, Büros, Schulen und Kultureinrichtungen. Es wird noch Jahre dauern, bis diese Entwicklung an ihrem Ende ist, doch die Südstadt wächst schon jetzt kräftig - und das ist nicht nur an dem größeren Stadtteilfest abzulesen, das am Wochenende gefeiert wurde. Zeit, einmal einen Blick in die Geschichte dieses Quartiers zu werfen, das lange gar kein "richtiger" Stadtteil war.

Hintergrund

Die Südstadt in der Zeitleiste

1842 bis 1844: Der Bergfriedhof wird angelegt.

1873: Enthüllung des Kriegerdenkmals auf dem Bergfriedhof.

1931: Einweihung des

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Die Südstadt in der Zeitleiste

1842 bis 1844: Der Bergfriedhof wird angelegt.

1873: Enthüllung des Kriegerdenkmals auf dem Bergfriedhof.

1931: Einweihung des Bethanien-Krankenhauses.

1937: Bau der Großdeutschland-Kaserne (heute: Campbell-Barracks).

1950: Baubeginn von Mark Twain Village.

1960: Grundsteinlegung für die katholische Kirche St. Michael, 1963 eingeweiht.

1965: Erster Spatenstich für den Neubau des Helmholtz-Gymnasiums.

1968/69: Umzug von der Kettengasse in der Altstadt in das neue Schulgebäude in der Rohrbacher Straße.

2003: Mark Twain Village wird durch Zäune und andere Sicherheitsmaßnahmen von der Südstadt baulich deutlich getrennt.

2008: Baubeginn für das neue Zentrum der Sozialstation Heidelberg in der Kirschgartenstraße.

2009: Baubeginn für den neuen Kindergarten und das Sozialzentrum St. Elisabeth.

2010: Im Juni geben die amerikanischen Streitkräfte bekannt, dass sie ihre Standorte in Heidelberg und in der Rhein-Neckar-Region aufgeben werden. In Heidelberg soll der Abzug bis Ende 2013 erfolgen. Zusammen mit Bürgern wird über die zukünftige zivile Nutzung beraten.

2013: Gründung des Stadtteilvereins. Das Nutzungskonzept für die Südstadt wird verabschiedet. Damit steht fest, in welchen Bereichen Wohnen, Wirtschaft, soziale Infrastruktur und Freiflächen vorgesehen sind. Die Pläne werden in mehreren Foren mit der Bürgerschaft diskutiert.

2014: Der Gemeinderat stimmt für den Masterplan Südstadt, der das Nutzungskonzept weiterentwickelt.

2016: Ab Januar ist die Stadt mit ihren Partnern Eigentümerin der ehemaligen US-Flächen.

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Denn die Südstadt ist irgendwie anders: Weder war sie ein eigenständiges Dorf, das irgendwann eingemeindet wurde wie Rohrbach, Neuenheim, Handschuhsheim, Kirchheim oder Ziegelhausen, noch wurde sie komplett neu geplant wie Boxberg, Emmertsgrund oder die Bahnstadt. Vielmehr entwickelte sich die Südstadt als eigenständiges Wohngebiet erst nach 1935 mit der Ausdehnung der Stadtteile Weststadt nach Süden und Rohrbach nach Norden. Bis dahin standen auf dem Gebiet lediglich die Groß-Deutschland-Kaserne - die heutigen Campbell-Barracks - und wenige weitere Bauten, unter anderem das 1931 eröffnete Krankenhaus Bethanien. Der Rest der Fläche wurde landwirtschaftlich genutzt. Erst nach der Eingemeindung Rohrbachs 1927 wurde die "Siedlungslücke" Richtung Innenstadt nach und nach gefüllt.

Ein Motor der Entwicklung war nach 1945 der Bau der US-Siedlung Mark Twain Village ab 1950, die eine Verbindung zur Kernstadt darstellte und auch die den "zivilen" Wohnungsbau entlang der Römer- und der Karlsruher Straße begünstigte. Bis zum endgültigen Abzug der Amerikaner Ende 2013 war die Südstadt geprägt von der militärischen Nutzung mit dem europäischen US- und später auch dem Nato-Hauptquartier in den Campbell Barracks.

Der eigentliche Stadtteil entwickelte sich zu einem Wohngebiet mit überwiegend zweigeschossigen Einfamilienhäusern. Die breiten und teilweise stark befahrenen Trassen der Rohrbacher/Karlsruher und der Römerstraße zerschneiden die Südstadt in drei Teile. Der Stadtteil ist knapp 173 Hektar groß, etwa 70 Prozent davon sind bebaut. Allein Mark Twain Village und die Campbell Barracks nehmen 43,4 Hektar ein. Im Jahr 2015 lebten knapp 4500 Menschen im Stadtteil, nach Schlierbach ist die Südstadt in dieser Hinsicht der zweitkleinste Stadtteil.

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Das und wohl auch der "Dazwischen-Status" führten dazu, dass die Südstadt lange kein "richtiger" Stadtteil war. Es gab keinen Bezirksbeirat, die Belange des Quartiers wurden im Weststädter Gremium abgehandelt. Auch einen Stadtteilverein suchte man vergebens, ebenso ein Bürgerzentrum und überhaupt eine Stadtteilmitte wie woanders in Heidelberg. Auch ist nicht geklärt, wo der Name "Südstadt" überhaupt herkommt. In der Stadtverwaltung fand man auf RNZ-Anfrage jedenfalls keinen offiziellen Beschluss, der diesen Namen festgelegt hätte.

Das ändert sich jetzt alles: Seit 2013 gibt es einen Stadtteilverein, der Bezirksbeirat tagte im Oktober 2014 zum ersten Mal. In der Chapel an der Ecke Rhein- und Römerstraße wird ein Bürgerzentrum entstehen - und um das Gebäude herum die neue Stadtteilmitte, welche die "alte" mit der "neuen" Südstadt verbinden soll. Sie ist Teil des großen Masterplans für die Nachnutzung der US-Flächen, der 2014 verabschiedet wurde. In Mark Twain Village entsteht ein neues Wohnviertel, teilweise mit Neubauten, teilweise werden Bestandsgebäude saniert. 70 Prozent des Wohnraums sollen im preiswerten oder geförderten Segment in Miete oder Eigentum entstehen. Die ehemalige US-Schule wird neue Heimat für die berufliche Julius-Springer-Schule, und in der Kommandantur gegenüber der Chapel soll das "Mark Twain Center für transatlantische Beziehungen" entstehen.

In die Campbell Barracks ziehen eine private Hochschule, eine IT-Firma, die Kriminalpolizei und das Kulturhaus Karlstorbahnhof, weitere Neubauten werden für gewerbliche Nutzung errichtet. Und schließlich ist ein innovatives Konzept für die Freiräume geplant, das "Der Andere Park" heißt.

Es tut sich also einiges in der bisher so beschaulichen Südstadt: Die ersten Bewohner leben schon seit fast einem Jahr in sanierten Gebäuden, die Zäune in der Kirschgartenstraße wurden abgebaut, es brummt an allen Ecken und Enden. Das kann auch zu Reibungen führen, was bei einigen Bürgerforen zur weiteren Entwicklung zu erleben war, wenn etwa Anwohner um ihre Ruhe fürchteten, wenn auf dem Paradeplatz größere Veranstaltungen stattfinden würden. Dass sich jemand über Lärm beschwert, gab es bisher eher selten in der Südstadt. Vielleicht wird das in Zukunft häufiger vorkommen - wie in jedem lebendigen, ganz normalen Stadtteil.

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