Heidelbergs Runder Tisch "Pro Altstadt" wartet auf Lärmmessung im September
Die Selbstverpflichtungserklärung der Wirte ist vom Tisch - Bürgermeister Erichson schließt längere Sperrzeiten nicht aus

Archiv-Foto: Hoppe
Von Holger Buchwald
Immerhin reden sie miteinander - die Wirte, die Anwohner, die Polizei und die Stadt. Beim Thema Lärm bleiben die Gräben aber unüberwindbar. Das hat der Runde Tisch "Pro Altstadt" wieder einmal gezeigt. Nur in einem waren sich alle Beteiligten einig: Solange die Kneipen so viele Besucher anziehen, wird es auch immer wieder Ruhestörungen geben. Aktuelle Lärmmessungen sollen im September vorliegen.
Der Gemeinderat entschied im März, die Bewährungszeit für die Altstadtkneipen zu verlängern. Zum 1. Januar 2015 war in Heidelbergs zentralstem Stadtteil die Landesregelung für die Sperrzeiten eingeführt worden. Seitdem müssen die Gaststätten unter der Woche erst um 3 Uhr, am Wochenende um 5 Uhr schließen. Bis dahin hatte es eine Sonderregelung für die Altstadt gegeben: Montags bis freitags begann die Sperrstunde um 2, samstags und sonntags um 3 Uhr.
Die Liberalisierung der Sperrzeiten habe zu mehr Alkoholkonsum und dadurch zu mehr Lärm und Aggressionen geführt, so die damalige Einschätzung von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst. Doch die Mehrheit der Stadträte entschied, dass es für eine Bewertung, wie sich die längeren Kneipenöffnungszeiten ausgewirkt haben, noch zu früh sei. Stattdessen solle man versuchen, mit anderen Mitteln für Ruhe zu sorgen.
Eines dieser Mittel war, die Wirte zu einer Selbstverpflichtungserklärung zu bringen, in der sie auf alkoholische Billigangebote verzichten. Doch genau dieser Vorschlag ist nach der Ansicht von Bürgermeister Wolfgang Erichson inzwischen vom Tisch: Das Bürgeramt habe 60 Gaststätten angeschrieben, ob sie sich an solch einer Selbstverpflichtungserklärung beteiligen wollen, doch nur fünf meldeten sich zurück.
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Von Mitte bis Anfang Mai wurde an fünf Punkten in der Altstadt der Lärm rund um die Uhr gemessen: am Fischmarkt, in der Unteren Straße, in der Dreikönigstraße, in der Kettengasse und in der Hauptstraße, auf Höhe des Kurpfälzischen Museums. Die Auswertung wird jedoch erst im Herbst vorliegen.
Martin Kölle, Sprecher der Anwohnerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda) ist mit der Auswahl der Messpunkte zufrieden. Für ihn ist klar: "Durch die längeren Kneipenöffnungszeiten gibt es jetzt Lärm bis in die frühen Morgenstunden." Auch Bürgermeister Erichson weiß, dass die erhoffte Entzerrung der Besucherströme durch die Liberalisierung nicht eingetreten ist. Sollte das neue Lärmgutachten ergeben, dass die Werte mitten in der Nacht dauerhaft 75 bis 80 Dezibel überschreiten und es zu einer Gesundheitsgefährdung der Anwohner komme, habe der Gemeinderat keinen Ermessensspielraum mehr. Dann müsste die Verwaltung zur Not per Verordnung dafür sorgen, dass die Kneipen wieder früher schließen. "Wir haben eine neue Rechtslage", betont Erichson. Die Verwaltungsgerichte würden sich inzwischen eher an den Interessen der Anwohner orientieren.
Das Fazit des Runden Tisches fiel bei den Beteiligten sehr unterschiedlich aus. Ein Teilnehmer bezeichnete die Veranstaltung als "relativ unnötig". Sie habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. Bürgermeister Erichson war enttäuscht, dass nur so wenige Wirte und Anwohner daran teilgenommen haben. Doch alle lobten immerhin eines: Auch wenn die Wogen zwischendurch hochgingen, verlief die Diskussion weitgehend sachlich.
Nun warten alle gespannt auf das neue Lärmgutachten und die daraus resultierenden Vorschläge der Verwaltung: Bereits im Oktober wird der Bezirksbeirat Altstadt als erstes gemeinderätliches Gremium darüber beraten.