Heidelberg

Die Stadt wird immer häufiger zum Bittsteller

Der Haushalt leidet unter Kostenexplosionen im Baugewerbe - Auf eine Ausschreibung melden sich nur noch wenige Bewerber

20.08.2018 UPDATE: 21.08.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 52 Sekunden

Die Baustelle am Bahnhof hätte schon letztes Jahr begonnen werden sollen, doch das Angebot der Firma war zu hoch. Foto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Die gute Auftragslage für Baufirmen und Handwerker belastet den städtischen Haushalt: Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich sind bei einzelnen Bauvorhaben keine Seltenheit mehr (siehe Hintergrundartikel). Manche Projekte müssen auf das nächste Jahr verschoben werden. Baubürgermeister Jürgen Odszuck verdeutlicht, welche Auswirkungen das hat.

> Die Baukosten der Stadt Heidelberg steigen kontinuierlich. Im Zeitraum Januar bis Mai 2016 kletterten sie um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein Jahr später waren es vier Prozent, aktuell 5,1 Prozent. "Der Trend ist nicht so stark, wie man zunächst annehmen könnte", sagt Odszuck - zumindest, wenn man alle Bauarbeiten eines Jahres im Gesamtpaket betrachtet. Allerdings bekommt die Stadt Heidelberg weniger für ihr Geld.

Hintergrund

Beispiele für Kostensteigerungen

In der letzten Sitzung des Bauausschusses mussten sich die Stadträte gleich mehrmals über Kostenexplosionen ärgern. "Der Markt ist satt", sagte Xenia Hirschfeld, Leiterin des städtischen Gebäudemanagements: "Das lassen

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Beispiele für Kostensteigerungen

In der letzten Sitzung des Bauausschusses mussten sich die Stadträte gleich mehrmals über Kostenexplosionen ärgern. "Der Markt ist satt", sagte Xenia Hirschfeld, Leiterin des städtischen Gebäudemanagements: "Das lassen sich die Firmen bezahlen."

> Für ein neues Betriebsgebäude für den Regiebetrieb Gartenbau muss die Stadt nun 1,95 Millionen statt der ursprünglich geplanten 1,48 Millionen Euro ausgeben. Die Kostensteigerung um ein Drittel wiegt noch schwerer, da das Projekt bereits zum zweiten Mal ausgeschrieben wurde und die Anforderungen an die Baufirmen abgesenkt wurden. Beim ersten Mal gab es nur zwei Bieter. Nun sind es wieder zwei, nachdem die Stadt bereits auf den Passivhausstandard und einen Aufzug ins Obergeschoss verzichtet hat.

> Der Neubau des Feuerwehrhauses Ziegelhausen läuft auch anders als gedacht. Dies liegt auch daran, dass die Bausubstanz im Vordergebäude deutlich schlechter ist, als zunächst erkennbar war. Statt eine Fremdfirma mit dem Einbau eines Aufzuges zu betrauen, wird die Stadt dies nun selbst in die Hand nehmen.

> Die Erneuerung des Gaiberger Weges zwischen Kohlhöfer Weg und Unterem Sankt Nikolausweg ist ein weiteres Beispiel. "Wir hatten mit 1,5 Millionen Euro gerechnet", sagt Baubürgermeister Jürgen Odszuck: "Jetzt sind es 1,9 Millionen."

> Auch kleinere Straßenbauarbeiten wie die Bordsteinabsenkungen an den Kreuzungen der Waldhofer Straße und der Friedrichsfelder Straße in Wieblingen sind in den Augen einzelner Stadträte mit knapp 225.000 Euro überteuert. Hier ist Odszuck aber glücklich, dass es überhaupt fünf Bieter gab. (hob)

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> Ein krasses Beispiel ist der Umbau der Straßenbahnhaltestelle am Heidelberger Hauptbahnhof. Eigentlich wollte die Stadt diese Baustelle bereits letztes Jahr in Angriff nehmen. Denn hier gab es einen ganz besonderen Zeitdruck: Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) lief aus.

Bei der Ausschreibung war noch nicht klar, ob das Investitionsprogramm von Bund und Land fortgesetzt wird. Wenn man die Zuschüsse in Millionenhöhe nicht riskieren wolle, müssten alle Arbeiten bis Ende 2019 abgerechnet sein. So lautete die Vorgabe aus dem Ausschreibungstext. "Wegen des engen Zeitkorridors hätten ganz viele Arbeiten unterschiedlicher Gewerke parallel ablaufen müssen", macht Odszuck die Schwierigkeiten für die Baufirmen deutlich: "Deshalb hatten wir nur einen einzigen Bieter."

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Es war offenbar einer, der sich die logistische Meisterleistung bezahlen lassen wollte. Denn seine Preisforderung lag rund sieben Millionen Euro über der Kostenschätzung der Stadt. Odszuck: "Das hätte fast unsere gesamten Fördermittel aufgefressen."

Als das GVFG-Programm doch fortgesetzt wurde, zog die Stadt die Reißleine: Die Ausschreibung wurde aufgehoben. "Und jetzt haben wir ein sechs Millionen günstigeres Angebot als im letzten Jahr", betont Odszuck: "Wir brauchen flexiblere Ausschreibungen für die Baufirmen, dann bleiben ihre Forderungen meist in dem von uns vorgegebenen Rahmen." Insgesamt kostet der Umbau am Hauptbahnhof jetzt 30 Millionen Euro an öffentlichen Geldern.

> Die Schulsanierungen zeigen, dass die notwendige Flexibilität nicht immer möglich ist. "In den Sommerpausen sind Handwerker Mangelware", klagt Odszuck: "Dann will jede Kommune ihre Klassenzimmer neu streichen lassen." Auch Container, die als Ersatzklassenzimmer dienen können, seien in dieser Zeit besonders teuer. Dasselbe gelte für bestimmte Baustoffe. "Es gab eine Zeit, in der man fast keine Wasserleitungen mehr erwerben konnte. Wenn wir aber lange vor Beginn der Arbeiten ausschreiben, können sich die Firmen besser darauf einstellen." So könnte auch Material auf Vorrat bestellt werden, zu einer Zeit, in der es recht günstig ist.

> Die Auswirkungen, dass die Stadt auf ihre Ausschreibungen nur noch wenige Angebote von Firmen erhält, sind spürbar. Vier Mal mussten in letzter Zeit Ausschreibungen im Tiefbau wieder aufgehoben werden: Außer beim Umbau der Straßenbahnhaltestelle am Hauptbahnhof waren dies der Umbau der Poststraße, die Sanierung des Grenzhöfer Wegs und der Umbau der Rohrbacher Rathausstraße. Dabei lag die höchste Kostensteigerung im Vergleich zu den städtischen Schätzungen bei 73 Prozent, die niedrigste bei 58 Prozent. Ein Teil des Umbaus der Rathausstraße wurde daher in die Zukunft verschoben. Ab 20 Prozent Kostenüberschreitungen darf die Stadt Ausschreibungen aufheben.

> Richtige Kostenexplosionen sind eher selten, meist können die Löcher gestopft werden. Eine Ausnahme war die Sanierung der Mark-Twain-School in der Südstadt: "Uns ist auf einmal der halbe Estrich entgegengekommen." Der alte Bodenbelag musste entsorgt, Unebenheiten mussten teuer ausgeglichen werden. Und dann brauchte das auch noch 28 Tage zum Austrocknen. Die Stadt gab dafür insgesamt 13,5 Millionen Euro aus.

> Dass Projekte verschoben werden müssen, kommt relativ selten vor. Wenn der Bauausschuss über Mehrkosten für ein Vorhaben berät, heißt es zwar immer wieder, dass das Geld aus einem anderen Haushaltsposten entnommen werde - zum Beispiel aus dem Topf, der ursprünglich für einzelne Schulsanierungsprojekte vorgesehen war. In aller Regel seien dies aber Vorhaben, bei denen die Planung noch Zeit brauche. "So kann es zum Beispiel sein, dass sich aus der Bürgerbeteiligung Änderungswünsche ergeben haben", verdeutlicht Odszuck. Damit könnten diese Projekte ohnehin nicht mehr im laufenden Haushalt in Angriff genommen werden.

> Odszucks Resümee: "In Zeiten wie jetzt, wo wir bei den Baufirmen Bittsteller sind, müssen wir noch sorgfältiger vorplanen." Der Baubürgermeister meint damit auch, dass man sich manchmal mehr Zeit lassen muss, damit es nicht teurer wird. So wie bei der Sanierung des Zimmertheaters, die nun 30 bis 40 Prozent über der ursprünglichen Kostenberechnung liegt. "Wenn wir dem nicht zähneknirschend zugestimmt hätten, hätten wir in der nächsten Spielzeit Vorstellungen absagen müssen", so Odszuck: "Das wäre uns nicht passiert, wenn wir das schon im Februar ausgeschrieben hätten."

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