Der Heidelberger Ausländerrat bekommt noch eine Chance
Die drei großen Fraktionen stellen sich gegen Integrationsbürgermeister Erichsons Reformpläne - Gremium soll weiter gewählt werden

Rathaus Heidelberg. Foto: Reinhard Lask
Von Denis Schnur
Heidelberg. Es sollte ein großer Wurf werden, am Ende bleibt davon nicht viel. Integrationsbürgermeister Wolfgang Erichson ist mit seinen Plänen, die Mitglieder des Ausländer- und Migrationsrats (AMR) künftig berufen zu lassen, vorerst gescheitert. Über die Abschaffung der Wahl, wie sie Erichson fordert, wurde am Dienstag im Ausschuss für Soziales und Chancengleichheit nicht einmal abgestimmt. Im Vorfeld hatten sich mit der CDU und Erichsons eigener Partei, den Grünen, zwei der großen Fraktionen klar gegen eine reine Berufung ausgesprochen hatten. Die dritte, die SPD, hatte diese Position - wie Linke und Piraten - bereits deutlich früher eingenommen.
Vor der Aussprache legte Erichson den Stadträten dar, warum er den AMR in seiner jetzigen Form nicht sinnvoll findet. Es mangele an Disziplin, zudem habe die jeweilige Siegerliste nach Wahlen stets fast alle Posten in Vorstand und Ausschüssen an sich gerissen. "Die Minderheit hat danach weitestgehend nicht an Sitzungen teilgenommen." Die Verwaltung glaube auch nicht daran, dass der AMR häufiger beschlussfähig sei, wenn die Sitzungen später begännen.
Die Stadträte waren anderer Meinung. Sie beschlossen einstimmig, den Beginn der AMR-Sitzungen von 17 auf 18 Uhr zu verlegen. Das Gremium hatte dies gefordert, da viele Mitglieder außerhalb Heidelbergs arbeiten würden. Auch in einem anderen Punkt folgte der Ausschuss ohne Gegenstimme den Wünschen des AMR: So soll es in dem Gremium künftig keine berufenen Mitglieder mehr geben. Diese werden bisher von Institutionen wie dem Studierendenrat oder der Universität entsandt - und glänzen häufig durch Abwesenheit.
Kompromissvorschläge, nach denen AMR-Wahlen künftig erst ab einer bestimmten Beteiligung gültig sein sollten, wurden dagegen klar abgelehnt: Für den CDU-Vorschlag eines Zehn-Prozent-Quorums stimmten nicht mal die Vertreter der Christdemokraten. Und für das von den Grünen vorgeschlagen Quorum von acht Prozent votierten lediglich die eigenen Vertreter im Ausschuss. "Wenn eine Wahl im Nachhinein für ungültig erklärt wird, wäre das unfair gegenüber allen, die sich beteiligt haben", erklärte Linken-Stadträtin Sahra Mirow.
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Eine große Mehrheit erhielt der Antrag, dass der AMR ab der nächsten Wahl im Jahr 2019 nur noch per Briefwahl bestimmt wird. Diese soll über mehrere Wochen laufen und neben den Bürgerämtern auch im International Welcome Center möglich sein. Die Umstellung von einer Listen- auf eine Persönlichkeitswahl, wie sie CDU und Grüne fordern, wurde dagegen abgelehnt. "Der Wahlkampf mit Listen ist deutlich praktikabler", betonte Andreas Grasser (SPD), "das senkt die Hemmschwelle und erhöht die Beteiligung."
Das Thema geht am 27. Oktober in den Gemeinderat. Geht es nach SPD und Linken soll dann zudem eine Änderung der Geschäftsordnung des Gemeinderats beschlossen werden, die dem AMR ein Antragsrecht bei integrationspolitischen Themen gewährt. Dabei berufen sich die beiden Parteien auf das Landesintegrationsgesetz und fordern dessen vollständige Umsetzung.
Diesen Schritt hält Bürgermeister Erichson nicht für notwendig. Das Gesetz sei bereits komplett umgesetzt. Demnach müsse die Kommune dem Integrationsrat kein Antragsrecht gewähren, da der zuständige Bürgermeister als Bindeglied fungiere: "Der AMR kann mich schon jetzt beauftragen, seine Punkte in den Gemeinderat einzubringen. Das würde ich auch machen. Das ist aber in den letzten acht Jahren nicht geschehen." Der stellvertretende AMR-Vorsitzende Lukasz Siegwald äußerte dagegen Zweifel am Willen Erichsons, Vorschläge des AMR zu unterstützen und plädierte für das Antragsrecht: "Das würde unser Gremium deutlich attraktiver machen."
Erneut wurden am Dienstag die Spannungen zwischen dem Ausländerrat und dem zuständigen Bürgermeister deutlich. Erichson sah sich sogar genötigt, um Respekt für sein Amt zu bitten und nicht ständig seine Aussagen anzuzweifeln: "Als Bürgermeister habe ich eine gewisse Integrität!" Siegwald und dem AMR-Vorsitzenden Michael AlliMadi warf er vor, eine "Rufmordkampagne in den sozialen Medien" gegen ihn zu führen. Die Auseinandersetzung ging auch nach dem Ende der Sitzung weiter: AlliMadi und Erichson gerieten vor dem Rathaus sofort wieder aneinander. "Sie sind der Allerschlimmste und das wissen Sie", rief der Bürgermeister dem AMR-Vorsitzenden zu.



