Zukunft des Heidelberger Migrationsrats: Berufung statt Wahl?

Kritik: Kaum einer geht wählen, Gremium immer wieder beschlussunfähig, weil Mitglieder nicht kommen. AMR-Vorsitzender entgegnet: "Sind keine Spaßveranstaltung - wir arbeiten inhaltlich."

06.10.2016 UPDATE: 07.10.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 50 Sekunden

Rathaus Heidelberg. Foto: Reinhard Lask

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. Integrationsbürgermeister Wolfgang Erichson will die Wahl des Ausländerrat/Migrationsrats (AMR) abschaffen und stattdessen ein Benennungsverfahren einführen. Zwei seiner Hauptargumente für die Änderung: die geringe Wahlbeteiligung (bei der Wahl 2014 nur 2,7 Prozent) und die mangelnde Sitzungsdisziplin - das Gremium ist immer wieder beschlussunfähig, weil zu wenige Mitglieder da sind.

Und gestern dann das: In der gemeinsamen Sitzung von AMR und Gemeinderat, in der noch einmal grundsätzlich über die Erwartungen an das Gremium diskutiert werden sollte, waren zehn Minuten nach Beginn erneut nur 9 von 20 AMR-Mitgliedern anwesend. Also stellte Erichson einmal mehr die Beschlussunfähigkeit fest, diskutiert werden durfte aber dennoch.

Der AMR-Vorsitzende Michael AlliMadi, der unbedingt an der Wahl festhalten will, deklinierte zunächst genau durch, was laut Satzung die Aufgaben seines Gremiums seien - und dass diese alle erfüllt würden. "Wir sind keine Spaßveranstaltung für uns selbst - wir arbeiten inhaltlich", rief er den Stadträten zu. Sein klares Plädoyer: "Bewerten Sie nicht Formalismen, sondern Inhalte!"

Im Übrigen betonte er, dass von den sechs berufenen Mitgliedern, die jetzt schon im AMR sitzen, heute auch nur einer da sei. Berufen zu sein, sei also keine Garantie für Anwesenheit. AlliMadis Vorschlag zur Güte: "Lassen Sie uns die Migrantenorganisationen befragen, ob sie eine Wahl wollen oder nicht." Danach könne man ja weiter sehen.

Erichson aber will eine Entscheidung. "Der Gemeinderat muss endlich die Hosen runterlassen", hatte er schon im Juli gefordert. Doch da machten die meisten Fraktionen gestern nicht mit. "Es geht heute nicht um Wahl oder Nicht-Wahl, sondern eine Bestandsaufnahme", sagte CDU-Stadtrat Matthias Kutsch. Um die Probleme zu lösen, schlug er vor, weniger AMR-Sitzungen abzuhalten - und dafür den Schwerpunkt mehr auf "Themen, die wirklich relevant sind für die Communitys" zu legen.

Die Grünen griffen AlliMadis Vorschlag auf, die Migrantenselbstorganisationen zu befragen. "Das könnte neuen Schwung in die Wahlbeteiligung bringen", sagte Kathrin Rabus. Und sie machte noch einen neuen Vorschlag: "Man könnte wählen - und bei zu geringer Wahlbeteiligung automatisch auf ein Berufungsverfahren umstellen." Ob das rechtlich möglich ist, soll die Verwaltung prüfen.

Lediglich Linke, Piraten und Sozialdemokraten sprachen sich eindeutig für die Beibehaltung der Wahl aus. SPD-Stadtrat Andreas Grasser rief Parteien und Verwaltung zu einer besseren Zusammenarbeit mit dem Gremium auf. "Zudem sollten wir endlich das Landesintegrations- und Partizipationsgesetz umsetzen und dem AMR etwa ein Antragsrecht im Gemeinderat einräumen." Damit würde das Gremium aufgewertet und die Wahlbeteiligung könne erhöht werden.

Eindeutig für die Verwaltungsvorlage Erichsons sprachen sich nur die AfD und die Grün-Alternative Liste (GAL) aus. "Wir müssen aber auch selbstkritisch sein", sagte GAL-Stadtrat Hans-Martin Mumm. "Die Fraktionen gehen bislang nicht aktiv genug auf den AMR zu." Ein Benennungsverfahren sei aber der richtige Schritt - und nicht per se undemokratischer als eine Wahl. AlliMadis Vorschlag einer Befragung wies Mumm irritiert zurück. "Wie merkwürdig, durch eine Befragung feststellen zu wollen, ob jemand wählen will - die Wahl ist doch schon eine Befragung!"

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