Bilanz der Heidelberger Uniklinik

Größtes Sorgenkind ist die marode Kopfklinik

Irmtraut Gürkan über die erfolgreiche Jahresbilanz des Universitätsklinikums und die Belastung der Pflegekräfte

08.08.2017 UPDATE: 09.08.2017 06:00 Uhr 4 Minuten, 16 Sekunden

Als sich im Jahr 1987 sechs Kliniken zu dem neuartigen Komplex zusammenschlossen, wurde die Kopfklinik als eine der modernsten Kliniken Europas gefeiert. 440 Millionen Mark kostete sie damals. Nach 30 Jahren stehen nun ganz dringende Sanierungsarbeiten an. Foto: Universitätsklinikum

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Das Heidelberger Universitätsklinikum schrieb auch im vergangenen Jahr wieder schwarze Zahlen, obwohl ganz groß in neue Kliniken und neue Techniken investiert wird. Im RNZ-Gespräch sagt Irmtraut Gürkan, die Kaufmännische Direktorin, wie sie das macht, warum die Kopfklinik jetzt das größte Sorgenkind ist - und wie es den Pflegekräften geht.

 

Frau Gürkan, eine Leserin sagte mir kürzlich: Frau Gürkan sollte mal in der Klinik liegen, um zu sehen, wie es in der Pflege zugeht. Waren Sie schon mal in der Klinik hier?

Im Februar war ich zwei Wochen lang in der Orthopädie.

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Wie geht es dort zu? Zu wenige Pfleger, zu wenig Zeit? Schwierige Dienst-Einteilung?

Ich hatte den Eindruck, dass die Pflege dort gut zu tun hat, aber kompetent und umsichtig handelt.

Die Volkswirtin und Klinik-Managerin Irmtraut Gürkan (64) ist seit 2003 in Heidelberg. Foto: Uniklinikum

Wenn die Chefin selbst im Krankenbett liegt.

Natürlich kennen sie mich dort. Aber ich bin auch mit meinen Krücken unterwegs gewesen und habe mit anderen Patienten gesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass überall gute Kontakte zwischen Patienten und Mitarbeitern bestehen und die Nöte und Sorgen und Besonderheiten berücksichtigt werden.

Und wie geht es den Pflegekräften?

Die Orthopädie ist ein schöner und weitläufiger Gebäudekomplex, das führt zu langen, anstrengenden Wegen. Im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen wurde beispielhaft gemessen, dass die Pflegekräfte in acht Stunden zehn bis elf Kilometer zurücklegen. Das dürften in der Orthopädie noch mehr sein. Die Dienst-Einteilung ist sicher ein Thema, und die Wünsche der Pflegekräfte sind nicht immer kompatibel mit dem Drei-Schicht-Betrieb. Aber wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Mitarbeiter im Springer-Pool ihre Wunscharbeitszeiten realisieren können. Dafür müssen sie jedoch immer wechselnde Arbeitsumgebungen in Kauf nehmen. Sie werden immer dort eingesetzt, wo Personalausfälle zu kompensieren sind.

Vermutlich wollen alle nur in der Frühschicht arbeiten?

Da ist in Krankenhäusern auch am meisten zu tun, deshalb ist man auf den Stationen ganz zufrieden damit.

Hintergrund

Das Heidelberger Universitätsklinikum, größter Arbeitgeber der Stadt, beschäftigte Ende vergangenen Jahres 13.212 Mitarbeiter (2015: 12.871 ), weitere 2948 in Tochtergesellschaften wie der Klinikservicegesellschaft, der Thoraxklinik und dem Kreiskrankenhaus

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Das Heidelberger Universitätsklinikum, größter Arbeitgeber der Stadt, beschäftigte Ende vergangenen Jahres 13.212 Mitarbeiter (2015: 12.871 ), weitere 2948 in Tochtergesellschaften wie der Klinikservicegesellschaft, der Thoraxklinik und dem Kreiskrankenhaus Bergstraße.

> Ärzte: 1711 (2015: 1699)

> Pflegedienst: 2785 (2015: 2752)

> Bettenzahl: 1988 (2015: 1930)

> Gesetzlich versicherte Patienten stationär: 64.693.( 2015: 65.780 )

> Einzugsgebiet der Patienten voll- und teilstationär: Inland 105.286 Patienten (2015: 104.778 ), hauptsächlich aus Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz; Ausland 2728 Patienten (2015: 2953)

> Verweildauer: 7,1 Tage (2015: 7,0 Tage), ohne psychiatrische Patienten

> Gesetzlich versicherte Patienten ambulant: 246.657.( 2015: 241.232 )

> Umsatzerlöse: 846,86 Millionen Euro (2015: 811,78 Millionen) bik

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Dieses Jahr sollte es ja auch erstmals eine Professur für Pflegewissenschaften in Heidelberg geben. Ist sie schon besetzt?

Die Medizinische Fakultät hat in Abstimmung mit dem Uniklinikum eine Liste mit drei Bewerbern - auf Platz eins ist eine Frau -, erstellt, die vom Senat der Universität und vom Land abgesegnet wurde. Jetzt können wir die Berufungsverhandlungen führen.

Die Gewerkschaften fordern, dass vom Bundestag ein Gesetz für verpflichtende Untergrenzen in der Pflege verabschiedet wird. Das sei nicht umsetzbar, heißt es bei den Kliniken. Warum nicht?

Selbst wenn die Kassen allen Krankenhäusern einen höheren Personalaufwand finanzieren würden, gäbe es die geforderte Anzahl an Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt nicht. Wir als Klinikum halten die von der Gewerkschaft geforderten Besetzungsstandards bereits ein. Als Anbieter der Maximalversorgung haben wir jetzt schon eine bessere Besetzung auf den Stationen. Berechnet wird das in einem transparenten Verfahren nach Belegungsgrad und Pflegezeitaufwand pro Patient. Außerdem kommt es bei der Besetzung auch darauf an, welche Unterstützungsangebote für den Pflegedienst vorhanden sind, zum Beispiel Versorgungs- oder Teamassistenten.

Seit August 2015 ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen 34 Herztransplantationen in den Jahren 2010/11. Ärzte sollen durch regelwidrige Dopamingaben dafür gesorgt haben, dass ihre Patienten kränker wirken und damit auf der Warteliste für Transplantation nach oben rücken. Wie weit ist das Verfahren?

Wir gehen davon aus, dass das Ermittlungsverfahren ohne Auflagen eingestellt wird, weil Patienten kein Schaden entstand - entsprechend dem Verfahren in Göttingen, das bis vor den Bundesgerichtshof ging.

Das positive Jahresergebnis des Uniklinikums aus dem Jahr 2015 wurde letztes Jahr noch einmal übertroffen. Der Bilanzgewinn ist mit knapp zehn statt 7,3 Millionen Euro ausgewiesen.

Das ursprüngliche Ergebnis ist ähnlich, aber wir haben eine Rückstellung für Altersteilzeit auflösen können. Wir haben einen Jahresüberschuss von 3,87 Millionen Euro erwirtschaftet, die Umsatzerlöse aus den Behandlungen von Patienten sind auf 847 Millionen gestiegen.

In den Betten lagen aber rund tausend Patienten weniger als im letzten Jahr, genau 64.693.

Wir hatten weniger Patienten, aber schwerere Fälle. 24 Prozent der Krankheitsfälle gehörten zum Bereich Maximalversorgung, sie erbrachten 60 Prozent des stationären Umsatzes. Wir haben eine Expertise in Hochleistungsmedizin, etwa in den Bereichen Onkologie, neurologische Erkrankungen oder im kardiovaskulären Bereich. Für Kranke, die deutlich länger als vorgesehen bei uns liegen müssen, bekommen wir eine Zusatzvergütung pro Behandlungstag von den Kassen.

Die Zahl der ambulanten Patienten wird dafür immer höher.

Im letzten Jahr waren es über 246.000. Wir bemühen uns, die Zahl nicht noch mehr ansteigen zu lassen, indem wir Sprechzeiten und Terminvergabe einschränken. Aber auch im ambulanten Bereich kommen neue Verfahren der Hochleistungsmedizin hinzu, etwa die Gensequenzierung in der Pathologie und der Humangenetik oder die Nachsorge bei Patienten mit Kunstherzen, die wir gesondert abrechnen können, sodass dieser Bereich nicht defizitär ist.

Was macht letztlich den finanziellen Erfolg des Uniklinikums aus? Die wenigsten Häuser schreiben ja schwarze Zahlen.

Wir suchen jedes Jahr nach Verfahren, um die Effizienz dort zu steigern, wo wir es vertreten können. Das geht über neue Leistungen oder über technische Unterstützung wie etwa die innovative Laborstraße in der Mikrobiologie, durch die wir schnell und kostengünstig die stetig gewachsene Anzahl an Laboranforderungen bewältigen und schneller medizinisch reagieren können - was sich auch wirtschaftlich bemerkbar macht, zum Beispiel durch geringeren Antibiotikaverbrauch oder das Vermeiden von Störungen der Stationsabläufe durch unnötige Isolierungen von Patienten.

Wie weit ist das Herzzentrum für erwachsene Patienten und Kinder?

Wir sind im Planungsprozess und können hoffentlich in zwei Jahren mit dem Bau starten. Die Funktionalität eines Herzzentrums haben wir schon, wir wollen das Ganze aber auch räumlich zusammenführen. Das wird rund 160 Millionen Euro kosten. Wir haben einen Sponsor und beraten derzeit mit dem Land Baden-Württemberg, wie der restliche Teil finanziert werden kann. Unsere Priorität ist aber die Sanierung der Kopfklinik - da gehen wir von Kosten in Höhe von 200 Millionen aus.

Und wer bezahlt das?

Wir erwarten eine vollständige Finanzierung durch das Land. Das Land weiß um die Dringlichkeit. Im Haushalt 2017 haben wir bereits eine erste Tranche über 11,2 Millionen Euro für die Errichtung einer neuen Stromzentrale erhalten. Wir haben an der Kopfklinik große Probleme mit der Infrastruktur, wir haben immer wieder Wasserrohrbrüche, und im Oktober letzten Jahres hat ein Stromausfall das Gebäude fast lahmgelegt. Das kann sehr gefährlich für den Patientenbetrieb werden.

Kann der Klinikbetrieb während der Sanierung weitergeführt werden?

Ja. Unsere Vorstellung ist, dass wir den zweiten Bauabschnitt der Chirurgie als Ersatzbau für den Bettenbetrieb errichten und an die Kopfklinik während der Umbauzeit OP-Container andocken. Das alte Chirurgiegebäude für die Auslagerung zu nutzen, geht eigentlich nicht. Wir haben dort abgängige Versorgungsleitungen und müssten viel Geld hineinstecken, um das Gebäude betriebssicher zu machen.

Wie lange wird das alles dauern?

Wir brauchen vier bis fünf Jahre, um die Ersatzflächen zu errichten, und weitere fünf Jahre für die Sanierung.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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