Alle sind für eine neue Sperrzeiten-Regelung in Heidelbergs Kern-Altstadt

Wirte möchten aber anders als die Anwohner zu den Kneipenöffnungszeiten von 2014 zurückkehren. Ein "Runder Tisch" tagte im Rathaus.

14.11.2016 UPDATE: 15.11.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 1 Sekunde

Archivfoto: Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Ohne eine neue Sperrzeitenregelung für die Kern-Altstadt wird es nicht gehen - darin sind sich Wirte, Anwohner, Stadträte und Vertreter des Jugendgemeinderates einig. Zu eindeutig sind die Lärmmessungen des Büros Genest und Partner. Trotzdem wurden die Kneipenöffnungszeiten beim Runden Tisch "Lärm in der Altstadt" im Neuen Sitzungssaal des Rathauses kontrovers und emotional diskutiert.

Hintergrund

Messungen des Büros Genest und Partner an fünf Punkten in der Altstadt zeigen, dass der Richtwert der "Technischen Anleitung Lärm" von 45 Dezibel nach 22 Uhr überall um 20 bis 43 Dezibel überschritten wird. Die Schlussfolgerung der Stadt: Die Gesundheit der Anwohner ist

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Messungen des Büros Genest und Partner an fünf Punkten in der Altstadt zeigen, dass der Richtwert der "Technischen Anleitung Lärm" von 45 Dezibel nach 22 Uhr überall um 20 bis 43 Dezibel überschritten wird. Die Schlussfolgerung der Stadt: Die Gesundheit der Anwohner ist gefährdet, neue Sperrzeiten müssen her.

Die Verordnung soll für den Kernbereich mit der höchsten Kneipendichte gelten. Der Geltungsbereich wird im Norden durch den Neckar, im Süden durch die Plöck, Seminarstraße und Zwingerstraße begrenzt. Er reicht vom Kurpfälzischen Museum im Westen bis zum Karlsplatz im Osten.

Bisher dürfen die Kneipen fast überall im Land bis um 5 Uhr am Wochenende und bis um 3 Uhr unter der Woche öffnen. Die Stadt schlägt vor, diese Zeiten deutlich zu verkürzen. Samstags und sonntags wäre um 3 Uhr, werktags um 1 Uhr Schluss. Bis 2014 galt bereits in der Kernaltstadt eine Sperrzeit bis 3 bzw. 2 Uhr werktags. Die drei Clubs im Stadtteil durften sogar bis 5 Uhr öffnen. hob

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Die Ausgangslage: Seit der Liberalisierung der Kneipenöffnungszeiten sind frühmorgens in der Altstadt mehr Betrunkene unterwegs als früher. "Die Aggressivität gegenüber dem Kommunalen Ordnungsdienst und der Polizei hat zugenommen - mit deutlicher Lärmentwicklung", berichtet Bürgermeister Wolfgang Erichson. Wegen der Gesundheitsgefährdung für die Anwohner müsse die Stadt eine Sperrzeitregelung erlassen. Sollte der Gemeinderat großzügigere Sperrzeiten verabschieden als von Erichson vorgeschlagen, werde die Stadtverwaltung den Beschluss einkassieren und das Regierungspräsidium entscheiden lassen. Lasse man die Gerichte urteilen, könnte es sein, dass die Kneipen künftig um Mitternacht schließen müssten, warnt Steffen Brucker vom städtischen Rechtsamt.

Beifall für die 1-Uhr-Regelung unter der Woche gibt es von der Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda) und dem Verein Alt-Heidelberg. Kürzere Kneipenöffnungszeiten seien auch im Interesse vieler Altstadthotels, die wegen der nächtlichen Ruhestörungen einige Zimmer nicht mehr vermieten könnten, so Karin Werner-Jensen, Vorsitzende von Alt-Heidelberg. Linda-Sprecherin Doris Hemler denkt schon einen Schritt weiter und fragt sich, wie die Stadt die neuen Sperrzeiten überwachen möchte. Zudem fordert sie, dass der Geltungsbereich ausgedehnt werden müsse. So würden die neuen Sperrzeiten nach dem derzeitigen Planungsstand am ehemaligen Altstadt-Gefängnis "Fauler Pelz" nicht gelten. Hemler will verhindern, dass sich dort eine Disco ansiedeln könnte. Eine Anwohnerin von der Floringasse erinnerte daran, dass Oberbürgermeister Reinhold Zundel in den 1980er Jahren Familien in die Altstadt lockte, damit diese marode Häuser sanierten. "Jetzt heißt es, wir sind selbst schuld, wenn wir hier wohnen."

Ein Kompromissvorschlag von der Industrie- und Handelskammer (IHK) würde auch von den Wirten mitgetragen: Die Sperrzeitregelung, die bis 2014 galt, sollte wieder eingeführt werden. Demnach wäre unter der Woche um 2 Uhr Schluss. Der Kommunale Ordnungsdienst sei ja inzwischen personell verstärkt worden und könne die Einhaltung der Nachtruhe überprüfen. Melanie von Görtz, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, verwies darauf, dass zwei Drittel der Altstädter bei einer Befragung im Jahr 2014 mit den alten Sperrzeiten zufrieden waren. Görtz: "Wir müssen berücksichtigen, dass 21 Prozent der Haushalte in Heidelberg von unter 30-Jährigen geführt werden." Für die studentischen Mitarbeiter wäre es eine Katastrophe, wenn die Kneipen früher schließen müssten, und sie so auf viel Geld verzichten müssten, warnte Gastwirt Michael Lapicz vom "Mel’s". Und Hans-Dieter Stendel von der "Destille" forderte, dass man fair mit den Altstadt-Kneipiers umgehen solle. Man solle auch mal in anderen Stadtteilen die Lärmwerte überprüfen.

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Offene Fragen gibt es einige. CDU-Stadtrat Matthias Kutsch (CDU) forderte, dass man die Imbissbetriebe im Blick haben müsse, vor denen sich nachts lange Schlangen bildeten, mit entsprechender Geräuschkulisse. Und Bezirksbeirat Michael Hug (Heidelberg Pflegen und Erhalten) verlangte, dass man auch etwas gegen die "Rucksacksäufer" tun solle.

Info: Der Bezirksbeirat Altstadt tagt am Dienstag, 22. November, 18 Uhr, in der Akademie der Wissenschaften, Karlstraße 4, zum Thema.

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